Anzugträger als Ackerdiebe
Landwirte protestieren vor Landtagswahl in Sachsen-Anhalt gegen fehlende politische Erfolge bei der Bodenpolitik
Vier Anzugträger schieben Schubkarren voller Ackerboden. Schilder weisen sie als Investoren aus, die eigentlich Möbelhäuser besitzen, Manager einer Versicherung oder des Discounters Aldi sind. Papptafeln erklären, warum sie sich für Äcker interessieren. Diese dienten ihnen als Geldanlage oder Spekulationsobjekt, versprächen Rendite oder ermöglichten »Abzocke« von Subventionen.
Die Schubkarren waren Teil einer Aktion, mit der Landwirte vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt an diesem Sonntag auf ihrer Ansicht nach fehlende politische Erfolge bei der Bodenpolitik aufmerksam machten. Die Koalition aus CDU, SPD und Grünen hatte jahrelang über ein Agrarstrukturgesetz verhandelt, sich aber erst im November 2020 auf einen Entwurf geeinigt - der dann wenige Wochen vor der Wahl beerdigt wurde. Er teilt damit das Schicksal eines Gesetzentwurfes zum gleichen Thema, der kurz vor der Landtagswahl 2016 gescheitert war.
Eines der Ziele der Gesetzentwürfe war, den Ausverkauf von Ackerflächen an nicht landwirtschaftliche Investoren, das sogenannte »land grabbing«, zu bremsen. Dieses lässt die Preise für Kauf oder Pacht von Feldern explodieren. In Regionen wie dem Saalekreis war ein Hektar Acker im Jahr 2010 für 8500 Euro zu haben, zuletzt lag der Preis bei 24 000 Euro. Viele Bauern können derlei Beträge mit der Produktion von Milch, Raps oder Roggen nicht mehr erwirtschaften. Es sorge für »extremen Unfrieden in den Dörfern«, wenn manchen Landwirten die Existenzgrundlage entzogen werde, während andere durch den Verkauf ihrer Betriebe oder von Anteilen davon zu Millionären würden, sagte Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, bei der Protestaktion. Er forderte von der künftigen Landesregierung Sachsen-Anhalts und von der Bundesregierung eine »Bodenpolitik für die Mehrheit der bäuerlichen Betriebe statt für die außerlandwirtschaftlichen Investoren«.
Die Politik versucht seit geraumer Zeit, das Problem in den Griff zu bekommen. Seit 2014 gibt es eine Arbeitsgruppe »Bodenmarktpolitik« von Bund und Ländern. Formal zuständig sind für den Grundstücksverkehr seit der Föderalismusreform 2006 die Bundesländer. Bisher hat nur Baden-Württemberg ein entsprechendes Gesetz erlassen. In Ostdeutschland bemüht man sich in mehreren Bundesländern. Dort ist das Problem besonders gravierend, weil Investoren Anteile an LPG-Nachfolgebetrieben kaufen und so durch die Hintertür auch Acker erwerben. Das zu unterbinden, ist eine komplizierte juristische Materie. In Sachsen-Anhalt hatten Fachpolitiker der Koalition betont, man wolle sich den Entwurf nicht »vor Gericht durch die Anwälte großer Firmen zerpflücken lassen«. Ihr Entwurf sah schließlich eine Genehmigungspflicht vor, wenn Investoren mit sogenannten »Share Deals« einen »bestimmenden Einfluss« auf ein Unternehmen erlangen. Das Gesetz scheiterte schließlich aber am Widerstand von Bauernverbänden, der die CDU einknicken ließ.
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