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Globale Gerechtigkeit in der Bierbrauerei
Eine-Welt-Zentrum für rund 50 entwicklungspolitische und migrantische Vereine in Neukölln eröffnet
»Heute ist ein Tag großer Freude«, sagt Akinola Famson vom Afrikarat Berlin. »Nach über zehn Jahren harter Arbeit ist das Eine-Welt-Zentrum endlich Realität geworden.« Das Gebäude sei ein »Ort globaler Gerechtigkeit«, so Famson bei der Eröffnung des »Berlin Global Village« auf dem Gelände der ehemaligen Kindl-Brauerei in Neukölln am Freitagnachmittag.
Im Eine-Welt-Zentrum sollen rund 50 entwicklungspolitische und migrantische Vereine, Initiativen und Nichtregierungsorganisationen Platz finden und zu Themen wie Antirassismus in der Bildungsarbeit und Dekolonisierung der Städte arbeiten. Geplant sind außerdem Veranstaltungsräume, ein globales Klassenzimmer, eine »Ludothek« mit Spielsachen aus aller Welt und ein Begegnungscafé. »Für uns bedeutet das viel«, sagte Adetoun Küppers-Adebisi vom Verein Afrotak, der vorher keinen Raum hatte. Marginalisierten Stimmen werde Gewicht und Raum verschafft, »People of African Descent und People of Colour können sich verwirklichen und teilhaben«, lobt Küppers-Adebisi.
Wegen der Corona-Beschränkungen fand der Festakt vor nur 50 Personen auf dem Parkplatz vor dem dunkelgrauen Neubau statt und wurde live gestreamt. Ein Transparent mit der Aufschrift: »Wir stehen zusammen gegen Rassismus, Sexismus, Ausbeutung, Ausgrenzung« wurde entrollt. Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) freute sich »ganz besonders« über das (fast) pünktlich fertiggestellte Projekt: »Wenn das überall so gut liefe, dann hätten wir ein paar Sorgen weniger.« Berlin Global Village sei ein Ort, den Berlin mehr denn je brauche, »Themen wie Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit sind die Themen der Zeit, die hier ihren Ort gefunden haben«. Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel unterstrich die Bedeutung des Projekts für den Bezirk. Das Zentrum biete »ein Zuhause für die vielen diasporischen und Non-profit-Organisationen und NGOs hier im Bezirk, was eine Mangelware an vielen anderen Stellen ist«, so der SPD-Politiker.
Rund 15 Millionen Euro hat das Gebäude gekostet, knapp sechs Millionen Euro kamen vom Land Berlin und vom Bund, weitere neun Millionen Euro sind Kredite von der Umweltbank und der Stiftung Umverteilen. Damit ist der Neubau nur unwesentlich teurer als ursprünglich veranschlagt. Die Nettokaltmiete liegt bei zehn Euro pro Quadratmeter, alle Räume sind bereits vermietet: »Wir hätten das Zentrum noch mal vermieten können«, sagt Armin Massing, Geschäftsführer von Berlin Global Village. Es gebe einen riesigen Bedarf an bezahlbarem Raum und der Möglichkeit, sich zu vernetzen. 400 Menschen wollen sich auf den rund 3500 Quadratmetern für gesellschaftliche Veränderungen und für globale Gerechtigkeit einsetzen. Es soll ein »sichtbares Zentrum« sein, sagt Massing. Wie es sich in die Nachbarschaft einfügt, wird sich noch zeigen.
Das Eine-Welt-Zentrum besteht aus zwei Teilen, dem nun eingeweihten schlichten Neubau und dem alten Backsteingebäude auf dem Gelände der früheren Kindl-Brauerei. Auf dem Neubaugrundstück stand zuvor ein weißes ehemaliges Verwaltungsgebäude der Brauerei, das von Kooperativen, Initiativen und Künstler*innen genutzt worden war. Diese mussten nach und nach ausziehen oder bekamen befristete Verträge, nachdem die Schweizer Stiftung Edith Maryon 2016 beide Häuser über ihre Tochtergesellschaft Terra Libra gekauft und der Berlin Global Village gGmbH übergeben hat. Die Stiftung hatte in der Vergangenheit bereits Hausprojekte wie den Schokoladen oder die Rigaer Straße 78 erworben und damit gerettet.
Berlin Global Village ist für die kommenden 100 Jahre Hausbesitzer und somit auch Vermieter. Für diese Zeit hat sich der Berliner Entwicklungspolitische Ratschlag (BER) einiges vorgenommen: »Politische Ämter und Verwaltungsstellen sind in Berlin kaum von Schwarzen Menschen und People of Color besetzt. Sie werden auf dem Wohnungsmarkt, bei Sozialleistungen und beim Zugang zu Fördergeldern benachteiligt.« Das will das neue Zentrum ändern, um die angestrebte »Eine Welt Stadt Berlin« zu realisieren.
Die Einweihung fiel mit dem 25. Geburtstag des BER zusammen, der 1996 gegründet wurde. Das Netzwerk von über 100 entwicklungspolitisch aktiven Gruppen und Vereinen und setzt sich in der Landespolitik für globale Gerechtigkeit ein. Der Verein Berlin Global Village ist 2011 aus einer Initiative des BER hervorgegangen. Als nächstes soll nun das rote Backsteingebäude saniert werden. Das Eine-Welt-Zentrum wird damit wohl erst im Juni 2022 komplett fertig sein.
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