Die BVG kassiert den DJ-Euro

Soli-Tickets für darbende Kulturschaffende am Fahrkartenautomaten

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Der DJ-Euro gehörte vor Corona in vielen Betrieben des Berliner Nachtlebens fest zum Programm. Statt Eintritt zu zahlen, wurde man aufgefordert, zum ersten Getränk mindestens einen Euro für den Schallplattenunterhalter draufzulegen. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) springen nun in die coronabedingte Lücke. Seit diesem Montag kann man auf die Einzelfahrkarte Berlin AB einen Euro als Spende drauflegen, um die darbenden Künstlerinnen und Künstler der Hauptstadt zu unterstützen.

Stolze vier Euro kostet das BVG-Kulturticket dann. Man kann aber am Automaten auch nur die Ein-Euro-Spende loswerden. In einigen Tagen wird das auch online auf der entsprechenden Kampagnenseite der BVG möglich sein - auch höhere Beträge können dann gespendet werden. »Mit diesem einzigartigen Ticket können wir gemeinsam mit allen Berliner*innen ganz einfach dabei helfen, das vielfältige Kulturangebot unserer Stadt zu unterstützen«, erklärt Eva Kreienkamp, die Chefin des Landesunternehmens. Die BVG sei ein elementarer Teil der Berliner Kulturszene. »Schließlich sind wir es, die die Menschen zu den Clubs, Bühnen und Hallen und wieder nach Hause bringen«, so Kreienkamp weiter.

»Wir rechnen mit einem guten sechsstelligen Betrag«, sagt BVG-Vertriebschefin Christine Wohlburg. Im Gegensatz zu vielen anderen Spendenaktionen über Verkäufe, bei denen ein Teil als Mehrwertsteuer beim Finanzamt landet, werde der komplette Euro im Topf landen. Bei der BVG glaubt man, dass jede zehnte Einzelfahrkarte ein Kulturticket werden könnte. Die PSD-Bank Berlin-Brandenburg will den Betrag bis zu einer Höhe von 75 000 Euro verdoppeln.

Das erste Soli-Ticket kaufte während der Online-Pressekonferenz am Montag Kultursenator Klaus Lederer (Linke) am U-Bahnhof Alexanderplatz. »Weil ich ein Jobticket habe, verschenke ich es einfach weiter«, sagte er. Tatsächlich kann man Lederer, im Gegensatz zur Verkehrssenatorin, öfter mal auch in der Straßenbahn treffen. Er begrüßt die Aktion der BVG, die in Abstimmung mit seiner Verwaltung ins Leben gerufen worden ist. »Ziehen Sie Kulturtickets oder spenden Sie an den Automaten«, fordert er die Berlinerinnen und Berliner auf.

Es müsse das Ziel von allen sein, die durch die Corona-Pandemie schwer getroffene Kultur Berlins in großer Breite zu sichern. »Denn die Politik, und auch die Solidarität unter allen Kulturschaffenden kann nicht alles abdecken«, so Lederer. Es gebe einige Lücken, »wo wir nicht allzu viel machen können. Am schlimmsten getroffen sind die freien Berufe und Soloselbstständigen«.

»Fair verteilen« soll das Geld nach dem Ende der sechswöchigen Spendenaktion das Bündnis Freie Szene Berlin, ein Zusammenschluss von Verbänden und Vereinen. Mit beraten soll auch die Clubcommission. »Vielleicht wird es auch eine Verlosung wie beim Niemand-Kommt-Festival im letzten Sommer«, überlegt der Kultursenator. Damals konnten sich Künstlerinnen und Künstler bewerben, die nicht vom Soforthilfe-II-Programm des Bundes profitiert hatten und in Berlin gemeldet waren.

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»Wir wollen die Aufbruchstimmung, das Licht am Ende des Tunnels deutlich machen. Die Corona-Ampel ist gelb, bald wird sie grün«, sagt BVG-Chefin Eva Kreienkamp. Das wünscht sie sich wahrscheinlich auch für ihr Unternehmen. Nach wie vor liegen die Fahrgastzahlen nur bei der Hälfte der Vor-Corona-Werte, wie BVG-Sprecherin Petra Nelken auf nd-Anfrage berichtet. Zumindest der Tourismus scheint langsam wieder anzulaufen. Im Zentrum kommt es inzwischen zu seit 15 Monaten ungesehenen Szenen: Schlangen am Fahrkartenautomaten.

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