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Wiedergeburt von Schwarz-Rot?

In Sachsen-Anhalt könnte es nach der Landtagswahl eine Koalition aus CDU und SPD geben

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 4 Min.

»Played-A-Life« von Safri Duo ertönte aus den Lautsprecherboxen, als Reiner Haseloff am Sonntagabend die Wahlparty der CDU erreichte. Der alte und neue Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt wurde bejubelt und beklatscht, das nunmehr 20 Jahre alte Instrumentalstück des dänischen Duos passte als musikalische Begleitung perfekt. So abgegriffen der Partyklassiker erscheinen mag, er wird eben doch immer wieder aufgelegt. Und die CDU, obwohl seit 19 Jahren ununterbrochen an der Macht, steht nun in der Gunst der Wählerschaft nach sehr schlechten Prognosen wieder ganz oben: 37,1 Prozent bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt - ein überragender Wahlsieg, an den die Partei zuvor nicht mehr geglaubt hatte.

Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: 7,4 Prozent gewann die CDU im Vergleich zur Wahl 2016 hinzu. 40 von 41 Wahlkreisen gingen an die Christdemokraten, nur den südlichsten, Zeitz, gewann die AfD. 2016 hatten die Rechtsradikalen noch den gesamten Süden des Landes dominiert, während die CDU im Norden erfolgreich gewesen war. Nun ist es der CDU tatsächlich gelungen, viele Wahlkreise von der AfD zurückzugewinnen. Entsprechend gestärkt geht Haseloff in seine dritte Amtszeit als Regierungschef. Im Fernsehinterview bei Phoenix inszenierte er sich als selbstbewusster Ostdeutscher. Mit Blick auf den dennoch hohen Stimmenanteil für die AfD (20,8 Prozent) sagte er: »Der Fehler ist in Westdeutschland gemacht worden. Da ist die AD nämlich gegründet worden.«

Dabei ist fraglich, dass die CDU ihr Wahlergebnis der eigenen Politik zu verdanken hat. Noch vor Kurzem war innerhalb des Landesverbands viel Unmut zu vernehmen gewesen, gerade aufgrund der Debatte um die Nachfolge von Angela Merkel als Kanzlerin. Der neue Parteichef Armin Laschet gilt im Osten als unbeliebt, viele aus der CDU-Basis in Sachsen-Anhalt hätten lieber Markus Söder oder Friedrich Merz als Kanzlerkandidat gesehen. Nun wird der Haseloff-Sieg auch als Laschet-Triumph gedeutet, doch bei dieser Interpretation ist Vorsicht geboten: Laut einer Umfrage von Infratest Dimap wünschen sich die Sachsen-Anhalter den SPD-Kandidaten Olaf Scholz als Kanzler.

CDU gewinnt klar, AfD deutlich dahinter

Die CDU dürfte eher Hilfe von anderer Seite bekommen haben, wie ein Blick auf die Vorwahl-Umfragen zeigt: Während die Partei des Ministerpräsidenten vor der Wahl noch einmal klar zulegte, fielen SPD (8,4 Prozent) und Grüne (5,9 Prozent) deutlich ab. Also liegt die Vermutung nahe, dass sich ein Teil ihrer Wählerschaft im letzten Moment für Haseloff entschieden hat, um einen Wahlsieg der AfD zu verhindern.

Dafür sprechen auch die Statistiken zur Wählerwanderung: Die SPD verlor 15 000 Stimmen an die CDU, die Linke 14 000. Die Linkspartei musste am Ende mit elf Prozent das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte bei Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt hinnehmen. Nun ist jedoch festzustellen: Wer taktisch wählte, dürfte sich ärgern. Denn am Ende hatte die Gefahr eines AfD-Wahlsieges gar nicht bestanden, vielmehr konnte die CDU ihre Macht ausbauen.

Auch mit Blick auf die Koalitionsoptionen gilt: Haseloff hat alle Möglichkeiten, selbst ein Zweierbündnis mit der SPD käme auf eine knappe Mehrheit. Die ehemalige Große Koalition, die bereits von 2006 bis 2016 zunächst unter Wolfgang Böhmer, später unter Reiner Haseloff, in Sachsen-Anhalt regierte, könnte eine ungeahnte Wiedergeburt erleben. Den Umfragen zufolge war vor der Wahl ein Bündnis aus nur zwei Partnern als nahezu ausgeschlossen angesehen worden. Nun aber rückt ein CDU-SPD-Bündnis wieder näher. Man kennt sich, zudem gilt Haseloff als Verfechter von Stabilität und Bewährtem.

Sollte ihm die Ein-Stimmen-Mehrheit von Schwarz-Rot zu knapp erscheinen, könnte Haseloff noch die FDP hinzuziehen. Ein »Deutschland-Bündnis« war vor der Wahl von weiten Teilen der CDU-Basis favorisiert worden, um die verhassten Grünen aus der Kenia-Koalition werfen zu können. Jedoch dürfen sich auch die Grünen, die unbedingt weiterregieren wollten, noch leise Hoffnungen machen: Sollte die SPD einer Koalition mit der CDU nicht zustimmen, bliebe die Fortsetzung der Jamaika-Koalition als Option.

Reiner Haseloff will sich bei der Regierungsbildung jedenfalls nicht hetzen lassen. Auch in diesem Punkt wirkt er nun ganz selbstbewusst. »Entscheidend ist, dass man viele Gemeinsamkeiten in den Koalitionsvertrag kriegt«, sagte er am Montag und fügte hinzu: »Es wird noch große Herausforderungen in der Zukunft geben, und wir müssen verhindern, dass es weitere Polarisierungen in der Gesellschaft gibt, auch bei der Pandemiebekämpfung.«

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