Kreative Luft in Neukölln

600 Kunstschaffende wollen den Kiez in ein Freiluftmuseum verwandeln

  • Linda Peikert
  • Lesedauer: 3 Min.

»Luft umgibt uns alle, durchdringt uns, ist unsichtbar und allgegenwärtig. Ohne sie kennen wir kein Leben«, heißt es in der diesjährigen Themenbeschreibung von »48 Stunden Neukölln«. Das Kunstfestival beschäftigt sich vom 18. bis zum 20. Juni mit Luft. 600 Künstler*innen machen sie in über 300 Projekten sichtbar, spürbar und erlebbar: Zeichnungen in Galerien, Installationen im öffentlichen Raum, experimentelle Videos in Schaufensterausstellungen sollen Neukölln mit kreativer Luft durchströmen und im digitalen Raum durch Zusatzmaterial und andere Perspektiven erweitert werden.

Die Planung war wegen der unsicheren aktuellen Pandemie-Situation eine Herausforderung. »Wir haben ein Jahr im Lockdown ein Kunstfestival geplant, jetzt sind wir über die Besserung der Lage überrascht und erfreut«, sagt Festivalorganisatorin Sharmila Sharma. Überrascht, aber nicht unvorbereitet: »48 Stunden Neukölln« bietet seinen Gästen eine ausgeklügelte Hybridvariante. Viele der Installationen werden erst durch das Zusammenspiel von analog und digital in allen Facetten erfassbar. Die zentrale Ausstellung im Kesselhaus Kindl mit 18 künstlerischen Arbeiten wird digital umgedeutet. Besucher*innen können mit einem Avatar durch die Onlineversion spazieren. »Digital kann man die Kunstwerke noch mal anders erleben, jede*r Künstler*in hat online einen weiteren Twist eingebaut«, sagt Sharma.

Aber auch der öffentliche Raum soll eingebunden werden. Vier sogenannte Signals machen auf das Festival aufmerksam. Darunter finden sich Installationen wie »The Sky Over There« von Raphael Gerlach und Lars Wunderlich. Diese ermöglicht mit einem QR-Code den Blick in den Himmel über dem indischen Chennai. Die Installation »Aushang« von Daniel Hölzl zeigt das exakte Volumen eines Wohnraums in der Schillerpromenade. Eine Art Luftsack aus Fallschirmseide hängt an dem Gebäude.

»Die Besucher*innen sollen Programmpunkte suchen, entdecken und sich dabei über das Festival treiben lassen«, sagt Organisator Thorsten Schlenger. Auch ein Spaziergang am Kanal lohne sich. Dort wartet das Projekt »Bubbles« der Gruppe Rixxperiment und taucht die Luft in schillernde Seifenblasenfarben.

Auch der Nachbarschaftscampus Dammweg wird während »48 Stunden Neukölln« zum Schauplatz: Das Gelände soll vom feministischen Video-Kollektiv Trial und Theresa mit VJ-Sets und Videoinstallationen bespielt werden. Die Veranstalter*innen legen neben Kunstvermittlung besonders viel Wert auf Inklusion: So gibt es beispielsweise Führungen in Gebärdensprache. »Und was mir persönlich sehr wichtig ist«, sagt Festivalorganisatorin Mina Mahouti: »Es wird besonders vielen People of Color eine Bühne gegeben.«

Trotz aller Vorfreude kann das diesjährige Kunstfestival noch nicht ganz so spontan wie in Zeiten vor der Pandemie genossen werden. »Wir können nicht wieder 70 000 Besucher*innen aufnehmen«, sagt Schlenger. Für viele Stationen muss deshalb online ein Termin gebucht werden, die Teilnehmer*innenzahl ist begrenzt. Außerdem wünscht sich die Festivalleitung von Besucher*innen - trotz staatlicher Lockerungen - Verantwortungsbewusstsein. »Wir wünschen uns, dass unsere Besucher*innen getestet auf unsere Veranstaltung kommen. Unsere Künstler*innen werden sich auch alle testen«, sagt Schlenger. Sie seien eigentlich von viel strengeren Regeln ausgegangen und freuten sich zwar über die Lockerungen, wollen damit aber auch maßvoll umgehen.

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