Dresdner Fehlerkorrektur

Fusion auf Wohnungsmarkt soll zu Rückkauf einst privatisierter Bestände führen

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Frist ist denkbar knapp. Nur bis Montag hat die Landeshauptstadt Dresden Zeit, eine Stellungnahme an das Bundeskartellamt abzugeben. Die Behörde prüft, unter welchen Bedingungen ein Zusammenschluss der beiden Großvermieter Vonovia und Deutsche Wohnen erfolgen kann. In Dresden sind beide allgegenwärtig: Ihnen gehört nahezu jede fünfte Mietwohnung. Die Stadt wird sich zu den Fusionsplänen äußern – und formuliert vorher eine Art Wunschzettel. Diesen Donnerstag berät der Stadt über Anträge, die den Ankauf Tausender Wohnungen vorsehen.

Den Stein ins Rollen brachte die neu gegründete Fraktion »Dissidenten«, der zwei Ex-Stadträte der Grünen und je einer von »Partei« und Piraten angehören. Sie will zum Beispiel durchsetzen, dass Mietsteigerungen begrenzt und Belegungsrechte für die Stadt gesichert werden. Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) brachte per Änderungsantrag den Ankauf von bis zu 5000 Wohnungen sowie Baugrundstücken ins Spiel. Die Linke will laut Fraktionschef André Schollbach sogar »mindestens 6800 Wohnungen« kaufen.

Faktisch geht es dabei um einen Rückkauf von Wohnungen, die bis 2006 in kommunaler Hand waren – und um die teilweise Korrektur eines Schrittes, den viele in der Stadt heute als Fehler ansehen. Vor 15 Jahren verkaufte Dresden die städtische Wohnungsgesellschaft Woba mit 47 000 Wohnungen an einen US-Investor und entschuldete sich mit dem Erlös von 1,7 Milliarden Euro komplett. Auch Stadträte der damaligen PDS stimmten zu. Die meisten Wohnungen landeten über Zwischenschritte bei der Vonovia, die nun in Dresden 38 700 Wohnungen besitzt, 15 Prozent des Gesamtbestandes. Kämen die 6800 Wohnungen der Deutsche Wohnen dazu, erhöhte sich der Marktanteil auf 18 Prozent. Er wäre doppelt so hoch wie in Berlin. In einzelnen Vierteln gehört mehr als jede zweite Wohnung einem der beiden Immobilienkonzerne. Die Stadt befürchtet laut dem OB-Antrag »negative Auswirkungen (...) insbesondere im mietpreisgünstigen Segment«.

Der Wohnungsmarkt in der sächsischen Halbmillionenstadt ist ein gänzlich anderer als beim Verkauf der Woba 2006. Damals gab es viel Leerstand; eine bezahlbare Wohnung zu finden, war kein Problem. Mittlerweile hat sich die Lage komplett gedreht. Die Mieten steigen seit Jahren. Zwar wird an allen Ecken gebaut; das erhöht aber nur den Anteil von Wohnungen im höheren Preissegment. Die Stadt sucht gegenzusteuern; sie hat 2017 eine neue kommunale Wohnungsgesellschaft namens WiD gegründet. Diese hatte Anfang 2021 aber erst unter 500 Wohnungen im Bestand und damit 0,2 Prozent Markanteil.

Mit einem Rückkauf Tausender Wohnungen und weiteren Zugeständnissen seitens der Vonovia würde sich die Lage deutlich ändern – wobei Schollbach anmerkt, dass es zunächst einmal nicht um Wunschzettel gehen müsse, sondern darum, beim Kartellamt gegen die Fusion zu intervenieren. Wenn dieses Auflagen formuliere und dem neuen Immobilienriesen etwa die Trennung von Beständen vorschreibe, müsse man zuschlagen. Es biete sich Gelegenheit, »negative Folgen« der Privatisierung von 2006 »einzudämmen und Kontrolle über den städtischen Wohnungsmarkt zurück zu erlangen«.

Auch der Ex-Grünenstadtrat und nun »Dissident« Johannes Lichdi sagt: »Eine solche Chance kommt in 50 Jahren nur einmal.« Zwar würde der Rückkauf »erhebliche Kredite« erfordern, aber mit »klugem Wirtschaften« sei das zu stemmen. Schollbach merkt an, dass die Stadt bereits zwei Versorger rekommunalisiert und dafür Kredite aufgenommen habe: »Wenn es um so wichtige Bereiche der Daseinsvorsorge geht, ist das gerechtfertigt.«

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.