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Tabuisierter Grundsatzstreit
Kurt Stenger über das EU-Verfahren zu Muskelspielen in Karlsruhe
Erst ließen deutsche Verfassungsrichter gegenüber dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Muskeln spielen, jetzt schlägt die EU-Kommission gegenüber Karlsruhe zurück. Sie verklagt Deutschland wegen Unbotmäßigkeit der Verfassungsrichter, die einer EuGH-Vorgabe zur Bewertung der Geldpolitik der EU-Zentralbank nicht folgen wollten.
Die neuerliche Wendung in dem Streit hat eine skurrile Folge: Die brüskierten Europarichter könnten am Ende selbst über das Vertragsverletzungsverfahren urteilen. Nie war Befangenheit offensichtlicher. Doch das ist genauso wenig der Kern des Problems wie der Fakt, dass das Karlsruher Urteil eher einer konservativen wirtschaftspolitischen Gesinnung entsprang denn richterlicher Neutralität. Nein, es geht um die wirtschaftsdominierte europäische Vereinigung, die bei der Gewaltenteilung nichts Halbes und nichts Ganzes ist. Das gilt auch für die Judikative: Ist das Bundesverfassungsgericht die Unterinstanz des EuGH oder untersteht Europarecht dem deutschen Grundgesetz und den Verfassungen der anderen EU-Staaten?
Das komplexe wie heikle Thema wurde bisher nie wirklich diskutiert oder gar entschieden, weder hierzulande noch auf EU-Ebene. Doch mit Tabuisierung hat man einen Grundsatzstreit noch nie gelöst.
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