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Bedingt gemeinwohlorientiert
Die Berlinovo gehört zu fast 100 Prozent dem Land Berlin - ihre Geschäftspraxis ist trotzdem eher renditegetrieben
»Die Berlinovo hat sich in den vergangenen Jahren umfassend gewandelt, von der ehemaligen ›Bad Bank‹ in der Folge des Berliner Bankenskandals hin zu einem Dienstleister im Bereich Wohnen, der sich den dringenden Bedarfen des Landes stellt«, sagt Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) zu »nd«. Noch hielten die damals von der Bankgesellschaft aufgelegten Fonds umfangreiche Bestände an Gewerbeimmobilien in ganz Deutschland. »Von einer ganz ›normalen‹ Wohnungsbaugesellschaft kann erst mit Ende der Fondsstruktur - und nach Veräußerung dieser Bestände - bis Ende des laufenden Jahrzehnts gesprochen werden«, so Kollatz weiter.
Dass die Berlinovo deutlich anders als die anderen landeseigenen Wohnungsunternehmen agiert, konnten deren Berliner Mieter gerade nach dem Fall des Mietendeckels vor dem Bundesverfassungsgerichts im April erleben. Für eine Wohnung auf der Fischerinsel in Mitte etwa will das Landesunternehmen statt rund 230 Euro Miete, die nach den im November 2020 in Kraft getretenen Absenkungen für Bestandsmietverträge zu zahlen waren, seit 1. Mai wieder 390 Euro haben. Das entsprechende Schreiben von Ende Mai liegt »nd« vor. Bekanntlich hat sich Rot-Rot-Grün für die Landeseigenen nach zähem Ringen auf ein Mietenkonzept verständigt, das Erhöhungen erst wieder ab Anfang 2022 erlaubt. Abgesenkte Mieten dürfen dann um maximal 2,5 Prozent jährlich angehoben werden. Über 20 Jahre würde eine derartige Anhebung also dauern. Zunächst hatte die Berlinovo sogar Nachforderungen gestellt, die inzwischen aber zurückgenommen wurden.
»Es ist ein großer Erfolg, dass es uns doch noch gelungen ist, für die sechs großen landeseigenen Wohnungsunternehmen Kernelemente des Mietendeckels zu erhalten«, sagt der Friedrichshain-Kreuzberger Linke-Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser zu »nd«. »Umso unverständlicher ist, dass die landeseigene Berlinovo wieder einmal aus der Reihe tanzt und sogar bereits wieder die volle Miete vor Absenkung durch den Mietendeckel verlangt«, so Meiser weiter. Als einziges städtisches Wohnungsunternehmen hatte es auch sogenannte Schattenmieten vereinbart - Wunschmieten, die gelten sollten, falls der Mietendeckel kippt. Was schließlich geschehen ist. Pascal Meiser erwartet vom Finanzsenator, dass auch bei der Berlinovo die für die anderen Landeseigenen geltenden Regelungen angewandt werden. »Es muss Schluss damit sein, dass der Berlinovo hier immer wieder Extrawürste gebraten werden.« Spätestens nach der Wahl im Herbst müssten die Berliner Wohnungen aus dem Unternehmen herausgelöst und in den regulären kommunalen Bestand eingegliedert werden.
Indes plant Finanzsenator Kollatz dagegen eher einen Bestandsaufbau. Denn ein Teil der 20 000 Wohnungen, die das Land Berlin den Konzernen Deutsche Wohnen und Vonovia im Zuge von deren Fusion abkaufen will, soll von der Berlinovo erworben werden, hieß es jüngst. »Wir haben bereits Vorbehalte angemeldet«, sagt Daniel Wesener, Fraktionsgeschäftsführer und Haushaltsexperte der Grünen im Abgeordnetenhaus. »Wenn durch die Berlinovo angekauft werden soll, dann muss es verbindlich den gleichen Mieterschutz geben wie bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften.«
Kollatz äußert sich ausweichend: Mit dem anstehenden Ankauf gehe für das Land »die Erwartung einher, Sozialwohnungsbestände in öffentliches Eigentum zu bringen, um langfristig Wohnraum gerade auch für sozial schwächere Mieterinnen und Mieter zu sichern«. Und: »Selbstverständlich gilt das auch für Wohnungen, die die Berlinovo übernehmen würde.«
Ein weiteres Projekt, das das umstrittene Geschäftsgebaren der Berlinovo dokumentiert, ist der Neubau von Unterkünften für das sogenannte betreute Wohnen in Berlin-Oberschöneweide. Solche Wohnungen werden dringend benötigt. Aus den Unterlagen für den Hauptausschuss im Abgeordnetenhaus, die »nd« vorliegen, geht allerdings hervor, dass für das Modellprojekt »An der Wuhlheide 198-202« saftige Forderungen der Berlinovo für Mietzahlungen und Nebenkosten auf dem Tisch liegen, denen der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses zustimmen soll. Die laufenden Bauarbeiten für das Projekt sollen im August 2021 abgeschlossen sein. Künftig will die BGG Berlinovo Grundstücksentwicklung GmbH die Liegenschaft an die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie vermieten. »Zielgruppe des Wohn- und Leistungsangebotes sind junge Menschen, die sich im Übergang in ein eigenständiges Leben befinden und für ihre berufliche und schulische Qualifizierung Begleitung und Unterkunft benötigen«, heißt es in den Hauptausschuss-Dokumenten. Demnach soll die jährliche Nettokaltmiete für die gesamte Mietfläche rund 750 000 Euro beantragen, hinzu kommen »nach aktuellem Stand der Mietvertragsverhandlungen eine Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von monatlich 15 000 Euro«.
»Das entspricht Mietpreisen von 25 bis 35 Euro je Quadratmeter für eine Wohnung in modularer Bauweise«, kritisiert der Haushaltsexperte der Linksfraktion, Steffen Zillich, gegenüber »nd«. Solche Wohnungen aus vorgefertigten Betonteilen werden zurzeit auch für die Unterbringung von Geflüchteten genutzt. In Berlin heißen sie abgekürzt MUF - Modulare Unterkünfte für Flüchtlinge. In diesen Unterkünften sind eher Mieten von 12 bis 15 Euro üblich. Das ist nicht wenig, aber noch darstellbar.
Im Fall Wuhlheide scheinen die Kosten aber deutlich zu hoch angesetzt zu sein. »Wenn das das Geschäftsmodell für die neue Berlinovo sein soll, dann ist das fragwürdig«, moniert Zillich. Schließlich plant das Unternehmen offenbar, die Häuser im Anschluss an die auf zehn Jahre konzipierte Vermietung fürs Jugendwohnen zu lukrativen Apartments umzubauen. Werden die dafür nötigen Investitionsmittel durch die hohen Mietzahlungen des Landes generiert? »Wir wollen das Projekt nicht sterben lassen«, betont Zillich, dem der hohe Stellenwert des betreuten Jugendwohnens klar ist. »Aber als Haushälter müssen wir uns erst mal die Kalkulation der Berlinovo angucken, und bewerten, ob das für ein Landesunternehmen akzeptabel ist.«
»Ob im Bereich studentisches oder Auszubildenden-Wohnen, ob Wohnraum für geflüchtete Menschen oder altersgerechte Wohnformen - hier setzt die Berlinovo Schwerpunkte«, sagt Matthias Kollatz. Außerdem sei sie schnell in der Umsetzung. Als Beispiel nennt der Finanzsenator ein neues Wohnheim für Auszubildende der Polizei in Spandau, für das Ende Mai der erste Spatenstich gefeiert worden ist. Erneut schaffe die Berlinovo hier »moderne, zeitgemäße, klimaschonende und vor allem auch bezahlbare Angebote für junge Menschen«, so Kollatz.
Das mit der Bezahlbarkeit ist allerdings so eine Sache. Für ihre Studierendenapartments verlangt die Berlinovo meist 390 Euro für 20 Quadratmeter. So ist das auch für ein Projekt an der Holzmarktstraße in Friedrichshain geplant. Es handele sich dabei um eine Bruttowarmmiete, bei der neben Betriebs- und Heizkosten in der Regel auch Strom und Internet inkludiert seien, verteidigte Berlinovo-Geschäftsführer Alf Aleithe im April im Sportausschuss des Abgeordnetenhauses den Preis. »Es hat immer wieder den Augenschein, dass solche Mieten vom Quadratmeterpreis etwas höher erscheinen. Das ist korrekt. Aber ich muss ganz offen gestehen: Bei der Komplexität eines solchen Bauvorhabens, auch bei solchen Grundstückspreisen, schaffen Sie das für 6,50 Euro nicht«, so Aleithe weiter.
Bei dem komplexen Vorhaben handelt es sich um den Abriss einer bereits seit 2018 geschlossenen Schwimmhalle nahe des Ostbahnhofs. An ihrer Stelle soll die Berlinovo nun einen neuen Komplex mit Doppelhalle, Büroflächen und 378 Studierendenapartments errichten. Das Geld für den Schwimmhallenbau sollen dabei die notorisch klammen Berliner Bäder-Betriebe durch einen Teilverkauf des Grundstücks mit einem Verkehrswert von knapp 25 Millionen Euro an die Berlinovo erlösen. Für die Gewerbeflächen wird mit stolzen 28 Euro Nettokaltmiete pro Quadratmeter kalkuliert.
Er erkenne die Leistungen bei der Transformation der Berlinovo an und sehe auch die Hürden bei der Neuausrichtung im Bestand durch die Fondsstruktur, sagt Grünen-Haushaltsexperte Daniel Wesener: »Aber Abzocke darf nicht das Geschäftsmodell für neue Projekte eines städtischen Unternehmens sein.«
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