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Der deutsche Sport ist führungslos
DOSB-Präsident Hörmann tritt nach Olympia ab. Derweil verlassen die Ethikhüter in Scharen den DFB
Kaum war der Rücktritt von Fritz Keller als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) halb verdaut, kam am Mittwochabend der nächste Schock aus den Führungsebenen des deutschen Sports: Alfons Hörmann wird im Dezember bei vorgezogenen Neuwahlen nicht mehr als Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) kandidieren und kündigte seinen Rückzug an. Damit zieht Hörmann nun doch die finale Konsequenz aus der Mitarbeiteraffäre, in der ihm die Schuld an einem »Klima der Angst« in der Verbandszentrale gegeben wird.
Die Vorwürfe waren im Mai in Form eines anonym gehaltenen Briefs an die DOSB-Spitze und die Medien öffentlich geworden. Zunächst hatte Hörmann die Anschuldigungen zurückgewiesen, Vorstand und Präsidium stellten sich zudem demonstrativ hinter ihren Präsidenten und griffen stattdessen die Whistleblower dafür an, anonym zu bleiben. Wenig später aber gab es erste Risse in der Führungsebene. Der Athletenvertreter im DOSB-Präsidium, Jonathan Koch, distanzierte sich von der Erklärung, die Hörmann das »uneingeschränkte Vertrauen« ausgesprochen hatte. Auch zahlreiche Sportpolitiker des Bundes - Hauptgeldgeber des DOSB - forderten eine gründlichere Untersuchung.
Unter dem wachsenden Druck wurde diese dann der DOSB-Ethikkommission anvertraut. Das Gremium stellte Anfang Juni zwar fest, dass Hörmann nicht gezielt einen Stift in Richtung einer Mitarbeiterin geworfen hatte. Aber sie verwies auf Aussagen vieler weiterer Kollegen, die den Vorwurf des schlechten Arbeitsklimas bestätigten. Leistungsdruck und Arbeitsbelastung seien zu hoch, Kompetenzen zwischen Vorstand und Präsidium nicht klar getrennt, und Hörmanns Führungsstil sei »zu fordernd, ja sogar einschüchternd«. Das habe Hörmann sogar eingeräumt und Besserung versprochen. Trotz dieser Zusage wollte die Ethikkommission kein Urteil fällen und empfahl stattdessen eine vorgezogene Neuwahl des Präsidiums, damit sich Hörmann und dessen Mitstreiter eine neue Vertrauensgrundlage verschaffen könnten.
Der DOSB-Präsident versuchte es aber erneut auf anderem Wege. »Das Präsidium ist zu dem Ergebnis gekommen, der Empfehlung zu einer Vertrauensabstimmung zu folgen. Zum Wohl des deutschen Sports soll diese unmittelbar nach den Olympischen und Paralympischen Spielen umgesetzt werden«, hieß es noch vor einer Woche. Doch auch diesmal hatte er den Druck auf dem Kessel unterschätzt. Wieder monierte Athletenvertreter Koch als erster, dass die Empfehlung der Kommission unterlaufe werde: »Neuwahlen im Dezember 2021 könnten ohne weitere Abstimmungsschleife umgesetzt werden«, erklärte er und fand unter Sportpolitikern und bei den Landessportbünden Unterstützer. Sechs Tage später entschied das DOSB-Präsidium - diesmal einstimmig -, »auf die Vertrauensabstimmung zu verzichten und im Dezember Neuwahlen durchzuführen. DOSB-Präsident Alfons Hörmann und Vizepräsident Kaweh Niroomand haben zudem entschieden, sich nicht erneut zur Wahl zu stellen.«
Es ist das Ende der Ära Hörmann, die zu Beginn davon geprägt war, dass die Bürger in Bayern gerade erst eine Olympiabewerbung Münchens abgelehnt hatten. Der DOSB versuchte es zwei Jahre später in Hamburg noch einmal - und bekam wieder eine Niederlage an der Urne ins Gesicht geklatscht. Danach konzentrierte sich Hörmann lieber darauf, dem Sport, und hier speziell den Spitzensportverbänden, von der Politik mehr Geld aus dem Kreuz zu leiern - mit großem Erfolg. Die jährliche Förderung durch das Bundesinnenministerium wurde in seiner Amtszeit auf mehr als 260 Millionen Euro fast verdoppelt. »In den vergangenen siebeneinhalb Jahren haben wir als Team alles dafür gegeben, den DOSB und den nationalen Sport zu professionalisieren und ihm eine starke Stimme zu geben. Wir haben gemeinsam viel erreicht«, bilanzierte Hörmann in seiner Rücktrittsankündigung. »Dennoch möchte ich den Weg frei machen für einen Neuanfang. Der DOSB und der gesamte Sport brauchen Stärke und Geschlossenheit, um weiterhin erfolgreich die Interessen der Mitgliedsorganisationen zu vertreten.«
Zu den Vorwürfen der Mitarbeiter sagte er nichts mehr. So könnte das Thema während der Olympischen Spiele, in der das Team wohl noch mal unter Hörmanns Leitung nach Tokio reisen wird, weiter für Gesprächsstoff sorgen - auch wenn die DOSB-Spitze vermutlich hofft, die Diskussion im allgemeinen Medaillenrausch klein zu halten.
Eine ähnliche Strategie scheitert derweil beim DFB komplett. Auch hier ist mit dem Rücktritt von Präsident Keller und dem EM-Start keine Ruhe eingekehrt. Das neueste Kapitel im endlosen Führungsdrama schrieben am Mittwoch drei Mitglieder der DFB-Ethikkommission. Am selben Tag hatte das Präsidium Irina Kummert zur neuen Vorsitzenden der Kommission gewählt, woraufhin die anderen drei Mitglieder Nikolaus Schneider, Bernd Knobloch und Birgit Galley zurücktraten.
Offenbar war sowohl Schneider als auch Knobloch das Amt in Aussicht gestellt worden. Schneider wurde dann aber nicht zugelassen und Knobloch nicht gewählt. »Das lasse ich nicht mit mir machen, dass die mich wie eine Schachfigur hin- und herschieben«, sagte Schneider. Derweil erhob Knobloch schwere Demontage-Vorwürfe gegenüber Interimspräsident Rainer Koch und Schatzmeister Stephan Osnabrügge. Da nur noch Kummert übrig ist, fehlt dem Gremium offiziell die Handlungsfähigkeit. Dabei soll sie Medienberichten zufolge gerade ein angebliches Fehlverhalten von Rainer Koch untersuchen.
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