Armeniens samtener Revolutionär gewinnt

Nikol Paschinjan siegt bei den Wahlen und wird weiter die Regierungsgeschäfte führen

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 4 Min.

Damit hatte der armenische Regierungschef Nikol Paschinjan wohl selbst nicht gerechnet: Aus der vorgezogenen Parlamentswahl ist seine Partei Bürgervertrag als Siegerin hervorgegangen. Sie erzielte laut dem vorläufigen Endergebnis vom Montagmorgen 53,9 Prozent der Stimmen. Paschinjan wartete dieses nicht mal ab, sondern erklärte sich noch in der Nacht zum Sieger. Das Wahlbündnis Block Armenien seines Herausforderers, Ex-Präsident Robert Kotscharjan, kam demnach auf 21 Prozent und machte Andeutungen von Wahlbetrug. Robert Kotscharjan zog den Sieg von Regierungschef Nikol Paschinjan offen in Zweifel. Es gebe »Hunderte Hinweise« aus den Wahllokalen, die auf »organisierte und geplante Fälschungen« hindeuteten, erklärte das Bündnis des früheren Präsidenten in der Nacht zum Montag. Das Wahlergebnis werde nicht anerkannt, bis diese »Verstöße« überprüft seien.

Inzwischen haben jedoch Internationale Beobachter die vorgezogene Parlamentswahl als demokratisch eingestuft. Der Wahlkampf sei fair und frei gewesen. Es seien in einer polarisierten Umgebung die freiheitlichen Grundrechte der Wähler geachtet worden, sagte die norwegische Beobachterin Kari Henriksen von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) am Montag in der armenischen Hauptstadt Eriwan. Die OSZE-Beobachter betonten, die Behörden hätten die Abstimmung am Sonntag professionell im Einklang mit internationalen Recht gemanagt.

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Der Grieche George Katrougalos forderte die Opposition auf, die Ergebnisse anzuerkennen. Kritisch merkten die Experten an, dass Frauen in der Politik in Armenien ausgegrenzt würden und es noch rechtliche Änderungen gegeben habe kurz vor der Wahl. Zudem sei der Zugang für Menschen mit Behinderungen in einigen Wahllokalen schwierig und der Wahlkampf von Aggressivität sowie Konfrontation geprägt gewesen.

Gestärkt durch diesen Wahlerfolg wird Paschinjan weiter die Regierungsgeschäfte führen in dem kleinen Land im Südkaukasus. Dabei war er vergangenen Herbst in Ungnade gefallen, nachdem der sechswöchige Krieg gegen Aserbaidschan um Berg-Karabach verloren ging. Politisch hatten Beobachter ihn schon für tot erklärt. Paschinjan wollte jedoch nicht von der Macht lassen, die er 2018 in einer friedlichen (»samtenen«) Revolution mit dem Versprechen errang, korrupte Eliten in der kleinen ehemaligen Sowjetrepublik zu Fall zu bringen. Die militärische Niederlage gegen Aserbaidschan hatte sein Ansehen massiv beschädigt, bei vielen seiner Landsleute galt er fortan sogar als »Vaterlandsverräter«, weil er die Niederlage eingestand und einem Waffenstillstand mit Aserbaidschan zustimmte. Dieser trat am 9. November in Kraft und wird von 2000 russischen Friedenssoldaten überwacht. Die Zahl der Toten in diesem Krieg wurde von beiden Seiten mit mehr als 6500 angegeben. Armenien musste große Gebiete aufgeben, die seit den 90er Jahren unter seiner Kontrolle standen. Daraufhin kam es zu heftigen Protesten, Paschinjan rief daher im Herbst vorgezogene Neuwahlen aus.

Auf den Wahlsieger warten nun enorme Aufgaben. Zunächst muss er das Vertrauen der Mehrheit der Bevölkerung zurückgewinnen, denn die Zustimmung bei den Wahlen relativiert sich, wenn man die geringe Wahlbeteiligung von rund 50 Prozent ins Kalkül miteinbezieht. Diese lag bei den vorherigen Parlamentswahlen 2018 zwar nicht höher, aber damals erreichte das Parteienbündnis Paschinjans 70 Prozent Zustimmung.

Neben den zahlreichen innenpolitischen Problemen, angefangen bei der weitverbreiteten Korruption, muss er sich außenpolitisch vorrangig um eine tragfähige Lösung bemühen im Konflikt mit Aserbaidschan um die Region Berg-Karabach. Der Waffenstillstand bleibt fragil, immer wieder wirft die eine Seite der anderen den Bruch der Waffenruhe vor. Der Krieg hat die nationalistische Stimmung in beiden Ländern zusätzliche angefacht, eine fatale Entwicklung für das Zusammenleben in Gebieten, wo Armenier und Aserbaidschaner miteinander auskommen müssen. Begriffe wie »national« oder »armenisch« begleiteten auch den Wahlkampf.

Außerdem öffnete der Krieg externen Mächten wie der Türkei sperrangelweit die Tore im Südkaukasus. Ohne die militärische Unterstützung durch die türkische Regierung hätte Aserbaidschan wohl nicht so leichtes Spiel gehabt und den Krieg für sich entscheiden können. Ankara schwingt sich zum offiziellen Schutzpatron Aserbaidschan auf. Das verheißt nichts Gutes für die Zukunft, zumal Russland aufgrund der langen gemeinsamen Geschichte im Kaukasus »angestammte« Interessen geltend macht.

Derzeit handelt die Regierung in Moskau aber äußerst pragmatisch, pflegt sie doch zu beiden Ländern ein entspanntes Verhältnis. Auf armenischem Boden unterhält Russland auch eine Militärbasis. Moskaus Interesse ist das Ende der politischen Krise in Armenien. »Wir möchten, dass diese Wahl dazu beiträgt, dass die Schwierigkeiten, die das Land derzeit erlebt, bewältigt werden können«, sagte laut Interfax Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag in Moskau. Der Wahlsieg Paschinjans gilt aus russischer Sicht als Garant dafür, dass das unter russischer Vermittlung mit Aserbaidschan geschlossene Waffenstillstandsabkommen um die Konfliktregion Berg-Karabach hält. Mit Agenturen

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