Drama, Baby!

Gruppe B: Belgien und Dänemark schaffen den Achtelfinaleinzug, Finnland hofft noch. Russland aber ist raus

Am Ende leuchtete das Petersburger Stadion Siegern und Verlieren gleichermaßen heim: In Schwarz-Gelb-Rot strahlten die Außenmauern der Krestowskij-Arena am Montag kurz vor Mitternacht. Ihr Lichtschein fiel auf Tausende enttäuschte Gesichter - russische Fans, die an diesem Abend beim Spiel Finnland gegen Belgien alles gegeben hatten, um ihrer Sbornaja womöglich noch Schützenhilfe zu leisten beim Versuch, das Achtelfinale zu erreichen. Nun trotteten sie brav zwischen den Metallgittern und Polizia-Hundertschaften hinab zu den langen Rolltreppen der Metrostation »Zenit«.

Alles war vergeblich gewesen: Während die Belgier in St. Petersburg unter russischem Jubel ihren Beitrag für den russischen Achtelfinaltraum pflichtgemäß geliefert und die wackeren Finnen standesgemäß mit 2:0 abserviert hatten, war Russlands Nationalelf beim Parallelspiel in Kopenhagen weit hinter den in Russland mal wieder nicht zu klein geratenen Erwartungen zurückgeblieben: 1:4 waren Artjom Dsjuba und Co. gegen die Dänen in Kopenhagen untergegangen. Noch am Abend forderte die Presse erneut einen Rücktritt von Trainer Stanislaw Tschertschessow, Die Kommentatoren ärgerten sich. »Russland verpasst mal wieder die K.o.-Spiele bei einem großen Turnier«, schreibt der »Sportexpress«: »Es ist schon der 13. von 15 Versuchen seit dem Zusammenbruch der UdSSR, aber es ist unmöglich, sich daran zu gewöhnen - es tut jedes Mal weh, als ob es das erste Mal wäre.«

Während die Russen an diesem Montagabend ihre Wunden leckten, feierten Finnlands Fans noch lange im Stadion. Mehr als eine halbe Stunde nach Abpfiff standen noch zweieinhalbtausend von ihnen in der Arena und besangen ihre Helden: »Oi, Suomi, oi!« Beinahe hätte es ja geklappt mit dem Husarenstück: Immerhin 72 Minuten lang hatte sich ihr Team in einer 5-3-2-Abwehrformation ziemlich gut der belgischen Angriffe erwehren können: Vor allem Torwart Lukas Hradecky von Bayer Leverkusen brachte die belgischen Spitzenverdiener Kevin de Bruyne, Eden Hazard und Romelu Lukaku mit schöner Regelmäßigkeit zum Verzweifeln. Er hielt, was zu halten war.

Hradecky selbst war es dann vorbehalten, die Wende hin zum Gewöhnlichen einzuleiten - mit einem Eigentor: Ein Kopfball Thomas Vermaelens prallte vom rechten Innenpfosten an Hradeckys Hand und von dort über die Linie: 0:1, 74. Minute. Das Ende: Der Bann war gebrochen und die Finnen auch, Romelu Lukakus Treffer zum 2:0 nur folgerichtig (81.). »Finnland hat ein großartiges Turnier gespielt, und wir mussten unser Bestes geben, um heute den Sieg zu holen«, so Belgiens Chefcoach Roberto Martínez. Die Belgier sind nun allerdings in Fahrt und ziehen als Gruppensieger in das Achtelfinale von Sevilla ein. Ihr Gegner ergibt sich noch aus dem Feld der vier besten Gruppendritten. Die Finnen bleiben derweil in ihrem Teamquartier in Selenogorsk (etwa 50 Kilometer nordwestlich des Petersburger Stadtzentrums) und warten ab: Sie dürfen noch hoffen, als Dritter weiterzukommen.

Das große Spektakel in Gruppe B bot allerdings die zweite skandinavische Mannschaft. Beim 4:1 gegen die Russen spielten sich die Dänen in einen Rausch und zogen nur neun Tage nach dem Zusammenbruch ihres Spielmachers Christian Eriksen doch noch als Gruppenzweiter ins Achtelfinale gegen Wales am Samstag ein. Drama, Baby! Ein Happy End - nach alldem. Die 24 000 im Stadion waren aus dem Häuschen, in ganz Dänemark wurde bis spät in die Nacht gefeiert.

Eine schöne Geschichte schrieb dabei Mikkel Damsgaard, der in der Startelf steht, seit der herzkranke Inter-Mailand-Star Eriksen nicht mehr mitspielen kann. Mit seinem Treffer zum 1:0 in der 38. Minute gab der 20-jährige Flügelstürmer von Sampdoria Genua den Startschuss zu einer magischen Nacht, zu der auch Yussuf Poulsen (59.), Andreas Christensen (80.) und Joakim Maehle (82.) mit Treffern beitrugen. Das 1:2 von Russlands Angreifer Artjom Dsjuba durch einen Foulelfmeter konnte die Dänen nicht bremsen. »Ich hätte mir nie erträumen können, ein Teil von etwas so Großem zu sein«, so Torschütze Mikkel Damsgaard ungläubig. Mit dem Einzug ins Achtelfinale ist bei den Dänen die Lust auf mehr geweckt. Denn Wales ist wahrlich kein unbezwingbarer Kontrahent. Möglich also, dass das echte Happy End noch zweieinhalb Wochen entfernt liegt.

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