Drei Optionen für Haseloff

Nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt beraten die Parteien der Mitte über die Bildung einer neuen Regierung

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 4 Min.

Diese Meldung sorgte bundesweit für Erstaunen und Gelächter: »Reiner Haseloff bringt zu Hause den Müll raus.« Der alte und bald neue Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt habe sogar – man höre und staune! – kürzlich die Garage aufgeräumt, sagte seine Frau Gabriele. Die Agenturmeldung wurde von zahlreichen Medien aufgegriffen – offenbar sind häusliche Männer auch im Jahre 2021 noch keine Selbstverständlichkeit.

Spannender ist vielleicht, ob Haseloff auch in dieser Woche seinen häuslichen Pflichten wie gewohnt nachkommen kann. Nach seinem grandiosen Wahlsieg – 37,1 Prozent für die CDU bei der Landtagswahl am 6. Juni – standen nun die ersten Sondierungstermine an. Es ging Schlag auf Schlag: Montag SPD, Dienstag FDP, Mittwoch Grüne, Donnerstag wieder SPD. Drei Koalitionsoptionen hat Haseloff: Er könnte mit den Sozialdemokraten ein knappes Zweierbündnis mit einer Stimme Mehrheit bilden, mit SPD und FDP eine – den Farben nach – Deutschland-Koalition sowie mit FDP und Grünen eine Jamaika-Koalition. Eine Fortsetzung der Kenia-Koalition mit SPD und Grünen gilt aufgrund des Votums der Grünen, nur dann zu koalieren, wenn man rechnerisch dafür gebraucht wird, als unwahrscheinlich.

Jeweils mehrere Stunden tagten die Delegationen in den Räumen der Investitionsbank Sachsen-Anhalt am Domplatz in Magdeburg. Über den Inhalt der Gespräche wurde Stillschweigen vereinbart. Die Stimmung sei jedoch gut gewesen, berichten Teilnehmer – auch zwischen CDU und Grünen, die in den letzten Jahren immer wieder aneinandergeraten waren. Hauptstreitpunkt zwischen beiden Parteien ist die Umwelt- und Agrarpolitik: Während die Grünen auf mehr Tempo bei Klimaschutz, Energiewende und der ökologischen Umgestaltung der Landwirtschaft pochen, wettert die CDU beispielsweise gegen »eine Verteufelung des Autos« und »neue Einschränkungen für die konventionelle Forst- und Landwirtschaft«. Ebenso wollen die Christdemokraten das Umweltministerium von Grünen-Ressortleiterin Claudia Dalbert zurückerobern.

Am wahrscheinlichsten: Deutschland

Für die CDU nahmen neben Haseloff Landeschef Sven Schulze, Fraktionschef Siegfried Borgwardt, Finanz- und Innenminister Michael Richter, die bisherige Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch sowie der Harzer Landrat Thomas Balcerowski an den Treffen teil.

Am wahrscheinlichsten erscheint derzeit eine Deutschland-Koalition mit SPD und FDP – aus zwei Gründen. Erstens: Haseloff könnte sich einer stabilen Mehrheit sicher sein und müsste sich nicht vor Überläufern aus den eigenen Reihen fürchten. Bei einem bloßen Zweierbündnis mit der SPD würde ein einziger Querulant reichen, um das Konstrukt zum Einsturz zu bringen.

Gibt es Abweichler in der CDU?

Und vor Abweichlern, das haben die brüchigen politischen Verhältnisse in den letzten Jahren gezeigt, ist man in Sachsen-Anhalt nicht gefeit. Eine mögliche Gefahr für Haseloff sind beispielsweise die CDU-Abgeordneten Lars-Jörn Zimmer und Ulrich Thomas, die in der vergangenen Legislaturperiode mit einer Denkschrift, in der sie »das Soziale mit dem Nationalen zu versöhnen« forderten, auf sich aufmerksam machten. Die zwei ehemaligen stellvertretenden Fraktionschefs sind nicht erneut für diese Posten angetreten.

Auch Ex-Innenminister Holger Stahlknecht könnte ein Unruheherd sein. Der bekennende Pfeifenraucher verbrannte sich die Finger, als er im Zuge des Koalitionsstreits um die Erhöhung des Rundfunkbeitrages um 86 Cent in einem Zeitungsinterview über eine Minderheitsregierung schwadronierte. Umgehend wurde er von Haseloff als Innenminister entlassen.

Die Folge: Stahlknecht, der ursprünglich als Nachfolger von Haseloff gehandelt wurde, trat auch als Parteichef zurück und kündigte an, bei der Landtagswahl nicht auf der Landesliste zu kandidieren, sondern seinen sicheren Listenplatz zwei hinter dem Ministerpräsidenten für eine Frau frei zu machen. Allerdings gewann er seinen Wahlkreis in Wolmirstedt und sitzt nun wieder im Magdeburger Parlament.

Die Schwäche sozialer Parteien - Warum Linkspartei und SPD in Sachsen-Anhalt und anderswo an Bindungskraft verlieren

Zweiter Grund: Die CDU könnte mit einer Deutschland-Koalition ohne die verhassten Grünen regieren – obwohl die sich durchaus noch Hoffnung zu machen scheinen. »Wir führen konstruktive Gespräche«, sagte Landeschef Sebastian Striegel. »Sachsen-Anhalt wird grün«, ergänzten weitere Teilnehmer vor Beginn des Treffens mit der CDU am Mittwoch. Kurz vor der Wahl hatte Haseloff die Grünen noch gelobt: Der Bündnispartner habe sich als pragmatisch und koalitionstreu erwiesen. Dennoch dürften die Chancen für die Grünen auf eine Regierungsbeteiligung eher gering sein; die CDU-Basis würde diesen Umstand wohl nur mit sehr viel Bauchschmerzen ertragen.

Wie Striegel dem »nd« sagte, herrsche unter den beiden Sondierungspartnern zumindest Einigkeit darüber, dass rund um die konstituierende Sitzung des Landtags am 6. Juli Klarheit bestehen müsse, mit wem die CDU in Koalitionsverhandlungen geht.

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