Deutsches Leadgut

Klimawandel, Iran, Digitalisierung, Corona - die Liste der globalen Probleme ist lang. Für ihre Lösung brauche die Welt vor allem eins: »Leadership«

Klimawandel, Iran, Digitalisierung, Corona - die Liste der globalen Probleme ist lang. Für ihre Lösung braucht die Welt laut US-Präsident Joe Biden vor allem eins: »Leadership«, und zwar durch ihn persönlich. Mit der gleichen Lösung, eine Problemnummer kleiner, warteten diese Woche die Kanzlerkandidaten von CDU, SPD und Grünen bei ihrem Auftritt am Tag der deutschen Industrie auf: Beim Versuch, den Gegensatz zwischen Unternehmensprofit und Klimaschutz zu lösen, »geht es jetzt ums Machen, ums Hinbekommen, um Leadership«, sagte Olaf Scholz. Und Annalena Baerbock sieht die Lösung in »politischer Leadership«.

Es geht also ums »Führen«. Aber was heißt das genau? Einfach ist es im Fußball, wo der Tabellenführer schlicht der Erste ist, der Gewinner - der, der die anderen am Ende geschlagen hat. Einfach ist das auch in der Werbung, wo »führend« irgendwie für »besser« oder »beliebter« steht (»Deutschlands führende Sektmarke«).

Komplizierter wird es, wenn es darum geht, andere zu führen. Ein Blindenhund oder ein Wanderführer weist schlicht den Weg, den die Geführten nicht kennen oder erkennen. Sie kompensieren eine Wissenslücke. Wenn dagegen ein US-Präsident die Führung für sich reklamiert, dann besteht er damit schlicht darauf, dass die anderen Länder ihm folgen, also das tun, was er will. »Führung« bedeutet hier den Anspruch auf Gefolgschaft, zur Not also auf Unterwerfung.

»Leadership« soll aber noch mehr sein. Sie bezeichnet die Führung und gleichzeitig die Führungsqualitäten der Leader, also ihre Charaktereigenschaften. Laut Psychologin und Trainerin Nora Zeisel besteht »das Leader-Gemisch aus einer charismatischen Persönlichkeit, Talent für das Führen, bestimmten Kompetenzen und Fertigkeiten sowie den eigenen Werten, Charakterstärken und einer Portion Willenskraft«.

Während in der Bundesliga also schlicht der Erstplatzierte der Führende und damit ja auch der Leader ist, gilt in der Politik: Weil jemand ein Leader ist, soll er das Land auch führen. Mit diesem Anspruch werben Baerbock und Scholz für sich - und bei der Industrie um Vertrauen.

Erfolg durch Leadership: Damit wird die Lösung der gesellschaftlichen Probleme und Gegensätze zu einer Frage eines starken Willens und des Geschicks des Führungspersonals gemacht. Es ist die elitengemäße Form des »Man muss nur wollen«: Jeder ist seines Glückes Schmied für die unten, Leadership für die oben.

Auffällig war allerdings: Mit Armin Laschet verzichtete beim Schaulaufen vor der deutschen Industrie ausgerechnet jener Kandidat auf das Wort »Leadership«, der sich die größten Chancen auf den Kanzlerposten ausrechnen kann. Das mag einer Einsicht in die Notwendigkeit geschuldet gewesen sein - schließlich bezeichnete eine Investmentbank Laschet diese Woche als »uncharismatic leader«.

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