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  • Christopher Street Day

Die Straße ist bunt

Tausende protestieren zum Christopher Street Day für Gleichberechtigung

  • Darius Ossami und Marie Frank
  • Lesedauer: 5 Min.

Die Hauptstadt stand am Wochenende ganz im Zeichen des Regenbogens: Gleich vier Prides zogen am Samstag anlässlich des Christopher Street Day (CSD) durch die Innenstadt, um für die Gleichberechtigung von LGBTQI, also lesbischen, schwulen und bisexuellen, transgender, queeren und intergeschlechtlichen Personen zu protestieren. Neben dem anarchistischen CSD, der mit rund 1500 Menschen vom Friedrichshainer Volkspark bis zum Mariannenplatz in Kreuzberg zog, gab es noch einen Sternmarsch zum Alexanderplatz. An den drei Demonstrationszügen, die aus Neukölln, Kreuzberg und Prenzlauer Berg starteten, nahmen nach Angaben der Veranstalter*innen insgesamt rund 10.000 Menschen teil.

Zum ersten mal fand dabei auch der sogenannte »East Pride Berlin« statt. Zum Auftakt gab es um elf Uhr einen Gottesdienst in der Gethsemanekirche in Prenzlauer Berg. Dort hatte sich in der DDR die Gruppe »Lesben in der Kirche« gegründet und für queere Emanzipation und Teilhabe gekämpft. Die evangelische Kirche habe ihnen Raum gegeben, »der sonst in der DDR nicht existierte«, heißt es im Aufruf. Ganz unkritisch ist das Verhältnis der Organisator*innen zur Kirche deswegen jedoch nicht. So gebe es durchaus »Streit innerhalb der evangelischen Kirche« um den Umgang mit queeren Menschen, sagt Mitorganisator Wolfgang Beyer. Er sehe jedoch einen »großen Veränderungsprozess« in der Institution. Der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Christian Stäblein, rief dazu auf, Homosexualität zu respektieren. Im christlichen Bekenntnis müsse an die Stelle des Satzes »Homosexualität ist Sünde« der Satz »Homophobie ist Sünde« treten, sagte Stäblein in seiner Predigt.

Mit dem East Pride wurde nicht nur an die Anfänge der queeren Bewegung in der DDR erinnert, sondern auch auf die aktuelle Situation in Osteuropa hingewiesen. So stand am Altar das Bild einer Madonna mit einem Heiligenschein in Regenbogenfarben, das danach zum Pride-Sternmarsch getragen wurde. Die Darstellung der Schwarzen Madonna von Tschenstochau mit Regenbogen-Heiligenschein ist ein Symbol der Bewegung gegen die Diskriminierung sexueller Minderheiten in Polen. Im Gottesdienst wurden auch Spenden zur Unterstützung des »Budapest Pride« in Ungarn und für eine Menschenrechtsorganisation in Tschetschenien gesammelt. »Wir haben viel zu lange nur zugesehen, was in Polen, Ungarn, Russland, insbesondere in Tschetschenien und immer mehr Ländern Osteuropas geschieht«, so die Veranstalter*innen.

Bei strahlendem Sonnenschein zogen im Anschluss mehrere Hundert Menschen entspannt und im Schneckentempo zu lauter Musik durch Prenzlauer Berg und Friedrichshain zum Alexanderplatz. »Transphobie ist Sünde« verkündeten zahlreiche Schilder in mehreren Sprachen und: »Keine LGBTI-freien Zonen«. Die Demo stand unter dem transnationalen Motto: »Für eure und unsere Freiheit«, denn wenn queere Menschen nicht frei leben könnten, sei auch die Freiheit der »Heten« gefährdet, wie ein Sprecher betonte.

Die teils sehr persönlichen Wortbeiträge über die Anfänge der Schwulen- und Lesbenbewegung in der DDR wurden ergänzt durch Berichte über die gefährliche Situation in Osteuropa. »In Polen bin ich ein Perverser«, sagte ein Aktivist aus dem gerade einmal 80 Kilometer entfernten Słubice. Schuld daran sei die Propaganda der Regierung und der katholischen Kirche. »Wir erreichen nichts, wenn wir die Stiefel der Täter lecken«, rief er und forderte: »Seien wir laut, unhöflich und radikal!« Er rief dazu auf, Solidarität mit der LGBTIQ-Community in Polen zu zeigen und am 5. September zum Frankfurt-Słubice-Pride zu kommen.

Eine weitere Sprecherin beklagte eine »Hetzjagd« in Polen: »Sie schlagen uns auf offener Straße«, berichtete sie. Ein Aktivist aus der russischen Community in Marzahn wies auf die Verfolgung queerer Menschen in Tschetschenien hin. Diese liefen selbst im Ausland Gefahr, entführt und in ihre Heimat verschleppt zu werden. Er rief dazu auf, am 17. Juli zum Marzahn-Pride zu kommen.

Der Christopher Street Day erinnert an einen Aufstand der Homosexuellen-Community im Umfeld der Bar Stonewall Inn in der Christopher Street im New Yorker Stadtteil Greenwich Village, der am 28. Juni 1969 begann. Auslöser waren Polizeikontrollen, Übergriffe und anhaltende Diskriminierung. Der Berliner CSD hatte in den Vorjahren als Partyparade Hunderttausende Menschen auf die Straßen gelockt, stand wegen seines kommerziellen und unpolitischen Charakters aber immer wieder in der Kritik. Vergangenes Jahr fielen große Veranstaltungen wegen der Corona-Pandemie aus. In diesem Jahr ist eine große Parade am 24. Juli geplant. Die Prides am Wochenende waren von den Veranstalter*innen als bewusste Alternative zum klassischen Berliner CSD mit der großen Parade angekündigt worden.

Entsprechend politischer fielen die Veranstaltungen dann auch aus. Forderungen nach der Abschaffung des Blutspendeverbots für Schwule und Transpersonen waren ebenso zu hören wie Kritik an der Kirche und dass sie die einzige Arbeitgeberin ist, die das Recht hat, wegen Homosexualität Kündigungen auszusprechen. Nicht nur auf dem anarchistischen CSD wurde die Abschaffung des Kapitalismus gefordert. »Ich finde es cool, dass wir heute hier sind und ein starkes Zeichen setzen«, sagte ein Teilnehmer am Rand der Demo und forderte mehr politische Mitbestimmung.

Auch Wolfgang Beyer zeigt sich am Ende der Demo zufrieden. Er hatte nur mit 200 bis 300 Teilnehmer*innen gerechnet. Gekommen waren trotz der großen Konkurrenz knapp Tausend. Mit Blick auf Osteuropa sagte er: »Wenn Menschen nicht frei über ihre Sexualität entscheiden können, verstößt das gegen die Menschenrechte.« Gerade jetzt müsse man solidarisch sein und die Missstände offen ansprechen.

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