Ausbeutung zum Flex-Tarif

Proteste in Griechenland gegen ausgehöhltes Arbeitsrecht. Kommunisten: »Kriegserklärung an Arbeiter«

  • Elisabeth Heinze, Thessaloniki
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Mitte Juni verabschiedete Gesetzespaket zum Arbeitsrecht mit gravierenden Folgen für die Beschäftigten ist in Griechenland weiter ein zentrales Thema. 158 von 300 Parlamentariern hatten Mitte Juni in der Athener Vouli für eine Novelle des Arbeitsrechts gestimmt. Gegenüber Medien nannte Premierminister Kyriakos Mitsotakis von der rechtskonservativen Nea Dimokratia (ND) die Reform »philanthropisch« und »zutiefst entwicklungsfördernd«. Das Land passe sich damit an EU-Standards an, hieß es.

Um Schritte gegen die prekären Löhne im Land ging es den Reformern allerdings nicht. Bei einem gesetzlichen Mindestlohn von weniger als vier Euro pro Stunde kommen Beschäftigte in Griechenland mit einer Vollzeit-Festanstellung inklusive Weihnachts-, Oster- und Urlaubsgeld gerade mal auf ein Jahreseinkommen von etwa 9100 Euro. Der Mindestlohn liegt 2021 in Griechenland als einzigem EU-Staat niedriger als im Jahr 2010, wie Nasos Iliopoulos, Sprecher der linken Syriza als größter Oppositionspartei, betont.

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Von einer »Monstrosität« spricht angesichts der neuen Arbeitsgesetze ihr auf dem 21. Parteitag der kommunistischen KKE am vergangenen Wochenende in einer Athener Sporthalle wiedergewählte Generalsekretär Dimitris Koutsoumbas. Den Menschen werde ein »erpresserisches Regime ständigen Drucks« aufgezwungen, dass ihnen keine andere Wahl lassen wolle, als »die modernen Formen der Ausbeutung zu akzeptieren«. Für diese »Allmacht der Unternehmer« trügen auch die Vorgängerregierungen von sozialdemokratischer Pasok und Syriza Verantwortung. Sie hätten Grundlagen für Regelungen geschaffen, die ND nun umsetze. Das bezog sich insbesondere auf die Digitalisierung. Deren Möglichkeiten würden nun genutzt, um »den Ausbeutungsgrad zu erhöhen,« betonte Koutsoumbas auf dem Kongress. Die KKE fordert allgemeine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden.

Was von den Regierenden als »Flexibilisierung« des Arbeitsmarkts verkauft wird, bedeutet nichts anderes als private statt staatliche Regulierung von Arbeitsverhältnisse. Das beschneidet die Macht der Gewerkschaften, für ihre Mitglieder etwas bessere Konditionen auszuhandeln. Konkret sind nun mehr Überstunden zulässig, die, genau wie die flexiblen Arbeitszeiten, elektronisch vom Finanzamt erfasst werden. Geregelt wird die Arbeitszeit nicht mehr durch Tarif-, sondern direkt in Einzelverträgen. Darüber hinaus wurde der Kündigungsschutz geschwächt. So führt nun eine erfolgreiche Klage gegen eine unzulässige Entlassung nicht mehr zur Wiedereinstellung, vielmehr können sich Unternehmen durch eine Entschädigungszahlung »freikaufen«.

Besonders einschneidend sind Neuregelungen im Streikrecht. Generalstreiks wie zuletzt am 17. Juni, bei dem der Nahverkehr in Athen und Thessaloniki sowie der landesweite Fährverkehr lahmgelegt wurden, sollen damit unmöglich gemacht werden. Von einem Drittel der Beschäftigten soll während einer Arbeitsniederlegung der Betrieb aufrechterhalten müssen.

Dass die Lohnkosten mit dem neuen Arbeitsrecht weiter gedrückt werden und die davon Betroffenen weniger hörbar sein könnten, stößt bei der linken Opposition auf Gegenwehr. »Die ND stimmte für die völlige Katastrophe im Leben der Beschäftigten«, erklärte Syriza. Allerdings gelang es Premier Mitsotakis, die Regierungspartei der Jahre 2015 bis 2019 in den griechischen Medien vorzuführen. Die Syriza-Arbeitsministerin Efi Achtsioglou habe die EU-Richtlinie unterzeichnet, gegen die sich die Partei nun ausspreche. Janis Varoufakis, Generalsekretär der linken MeRa25 kritisiert, dass die ohnehin geringe Verhandlungsmacht der Lohnabhängigen »durch personalisierte Arbeitsverträge im Grunde zerstört« würden.

Einigen Punkten im Gesetzespaket (wie Regelungen gegen Belästigung am Arbeitsplatz) stimmten Syriza und Kinal (ehemals Pasok) im Parlament zu. Nicht so die KKE, die in der Reform nichts anderes als eine »Kriegserklärung an Arbeiter« sieht. Die individuellen Verträge und der Angriff auf das Streikrecht zielten auf die »Auflösung der Einheit der Arbeiterklasse«. Angesichts der Pandemie und einer Arbeitslosenquote von 16 Prozent (EU-Durchschnitt sieben Prozent) sind der Mobilisierungsfähigkeit Grenzen gesetzt.

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