Auflösungserscheinungen in der Werte-Union

Immer mehr Mitglieder sind mit dem neuen Vorsitzenden Max Otte unzufrieden. Nun ziehen einige Landesvorstände Konsequenzen

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Werte-Union war gegründet worden, um weit rechts stehende Mitglieder von CDU und CSU in der Partei zu halten, die mit dem Gedanken spielten, zur AfD zu wechseln. In dem Verein, der im März 2017 aus der Taufe gehoben wurde, konnten sich alle austauschen, die wütend auf die Parteiführung um Kanzlerin Angela Merkel wegen der Aufnahme von Geflüchteten, der Europapolitik oder auch der Zugeständnisse gegenüber der SPD in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik waren.

Was aber für einige in der Werte-Union nicht geht, ist Fahnenflucht. Nachdem der Ökonom Max Otte Ende Mai mit knapper Mehrheit zum neuen Vorsitzenden gewählt wurde, geht es bei den Konservativen drunter und drüber. Denn der Fondsmanager war noch bis Januar 2021 Kuratoriumsvorsitzender der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung. Anfang Juni sagte Otte, dass er vor vier Jahren verkündet habe, er persönlich wähle die AfD. Das habe daran gelegen, dass er Merkel nicht habe wählen können. Das sei aber vier Jahre her und die Kanzlerin trete nicht mehr an. Somit sei das Thema abgeschlossen.

Was ebenfalls für viele nicht in das Bild eines rechten Vereins passt, der sich ein bürgerliches Image geben will, waren die Äußerungen von Otte nach dem Mord am hessischen CDU-Politiker Walter Lübcke am 1. Juni 2019. Er twitterte damals: »Endlich hat der Mainstream eine neue NSU-Affäre und kann hetzen. Es sieht alles so aus, dass der Mörder ein minderbemittelter Einzeltäter war, aber die Medien hetzen schon jetzt gegen die ›rechte Szene‹, was auch immer das ist.«

Nun gibt es in einigen Landesverbänden der Werte-Union erste Auflösungserscheinungen. In Rheinland-Pfalz hat der Vorstand im Juni seine Ämter niedergelegt. Auch in Baden-Württemberg kündigte der Landesvorstand fast geschlossen seinen Rücktritt an. In einem Schreiben an den Bundesvorstand hieß es, es sei eine »Annäherung an völkische und nationalistische Themen« zu beobachten. Das laufe dem wertkonservativen und wirtschaftsliberalen Kurs der Landesvorstandsmitglieder zuwider.

Die bayerische Werte-Union trat am Samstag aus dem Bundesverband aus. In Bayern nennt sich die Gruppe nun – wie bei ihrer Gründung 2014 – wieder »Konservativer Aufbruch für Werte und Freiheit«. »Wir wollen uns wieder auf die CSU konzentrieren«, sagte Landeschefin Juliane Ried der dpa.

Die Werte-Union hatte parteiintern kaum Einfluss auf Personal und Programmatik. Der Verbund ist keine offizielle Gliederung der Partei. Die Organisation hat etwa 3700 Mitglieder. Die CDU hat insgesamt rund 400 000 Mitglieder, rund 140 000 sind es bei der CSU.

Das prominenteste Mitglied der Werte-Union, der frühere Geheimdienstchef Hans-Georg Maaßen, hatte Ende Mai erklärt, dass er wegen der Wahl Ottes seine Mitgliedschaft ruhen lasse. Dass auch Kritiker des Werte-Union-Chefs kein rechtsstaatliches Bewusstsein haben, wurde aber kürzlich bei einem Interview deutlich, das Maaßen dem Sender TV Berlin gab. Darin verbreitete der Thüringer CDU-Bundestagskandidat eine Verschwörungstheorie, wonach es Verbindungen zwischen Mitarbeitern der Tagesschau und der »linken und linksextremen Szene« gebe. Aus seiner Sicht sei es eine »Untersuchung wert, dass auch die Biografie von einigen Redakteuren auf den Prüfstand gestellt wird«, sagte Maaßen.

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Was sich der CDU-Mann unter »Linksradikalen« vorstellt, hatte er bei seiner Abschiedsrede vor europäischen Geheimdienstleuten im Oktober 2018 in Warschau erklärt. Darin verteidigte er seine verharmlosenden Aussagen zu den rechtsradikalen Hetzjagden in Chemnitz im Sommer 2018 und sprach von »linksradikalen Kräften in der SPD«. In der Union hat Maaßen prominente Freunde. So hatte Innenminister Horst Seehofer (CSU) lange an ihm festgehalten. Er sah sich erst im Herbst 2018 gezwungen, den Geheimdienstchef, der sich immer öfter wie ein rechter Verschwörungstheoretiker äußerte, in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen.

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