»Puddings« Spendenspaziergang nach Triest

Ein Grimmaer Sozialarbeiter sammelt Geld für ein alternatives Jugendprojekt in der sächsischen Provinz

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Hiobsbotschaft kam zwischen Alpen und Dolomiten. In Meran erreichte Tobias »Pudding« Burdukat die Nachricht, dass im heimischen Grimma ein Traum für junge Menschen endgültig geplatzt ist. Der Skaterpark im »Dorf der Jugend« wurde geräumt. In dem selbst verwalteten Jugendzentrum in der sächsischen Kleinstadt bläst man Trübsal. Es bleibe, heißt es auf der Homepage, »nichts als eine leere Asphaltfläche und die traurige Erkenntnis, dass dem nicht entgegen gewirkt werden konnte«.

Um so dringlicher ist es, dass sich Burdukat wieder auf die Socken macht und weitere Berge bezwingt. Der Sozialarbeiter im »Dorf der Jugend« ist derzeit auf Spendensammeltour. Mit einer 40-tägigen Wanderung von Oberstdorf bis nach Triest begleitet er eine Kampagne namens »#hikefor«, die Geld für zwei Sozialarbeiterstellen einspielen und die Finanzierung des Bauantrags für eine Skaterhalle im »Dorf der Jugend« ermöglichen soll. Ziel ist es, bis zum 2. August 70 000 Euro auf der Plattform Startnext einzuwerben. Bis zum gestrigen Montagmittag hatten 267 Unterstützer 18 065 Euro zugesagt.

Die Wanderung des 38-Jährigen mit dem Spitznamen »Pudding« erinnert an die Tour eines einstigen Nachbarn: des Schriftstellers Johann Gottfried Seume, der 1802 eine lakonisch als »Spaziergang nach Syrakus« bezeichnete Wanderung von Sachsen nach Sizilien absolvierte. Er brach dazu im Haus seines Verlegers Göschen auf, das in Grimma oberhalb der Mulde steht und heute ein Museum beherbergt. Nur zwei Kilometer entfernt steht die »Alten Spitzenfabrik«, in der das »Dorf der Jugend« sein Domizil hat. Dort finden sich ein Containercafé und eine Fahrradwerkstatt, Gärten und der Skaterpark. In dem Haus sollen sich »die Jugendlichen, die hier noch leben, mit ihren Ideen einbringen können«, sagt Burdukat, der dafür das Konzept der »emanzipatorischen Jugendarbeit« entwickelt hat. In ländlichen Regionen Sachsens »gibt es nicht viel Vergleichbares«, sagt er im Video zur Spendenkampagne. Dabei sind derlei Angebote wichtig, um zu verhindern, dass junge Menschen abwandern oder von Nazis rekrutiert werden.

Mancherorts wird diese Arbeit honoriert: Im Jahr 2019 wurde das »Dorf der Jugend« mit dem Sächsischen Förderpreis für Demokratie ausgezeichnet. Im Ort gibt es aber viele Schwierigkeiten: Hickhack mit der Verwaltung, Ärger mit Nachbarn, die sich über Lärm beklagten und ein Sonntagsfahrverbot im Skaterpark durchsetzten. Auch die Finanzierung von derlei alternativen Projekten ist im ländlichen Sachsen notorisch schwierig. Teils sorgt dafür ein politischer Rechtsruck. Im nicht weit von Grimma entfernten Döbeln musste der »Treibhaus e.V.« zeitweise um Fördergelder bangen, weil eine Mehrheit von CDU und AfD den von ihnen in die Nähe des Linksextremismus gerückten Verein nicht mehr unterstützen wollte. Selbst dort, wo es derlei Allianzen nicht gibt, ist die Situation schwierig. Dem Verein »Bon Courage« in Borna, der sich um Geflüchtete kümmert, wurden die Landeszuschüsse gestrichen. Generell müssen Fördermittel jährlich neu beantragt werden; zudem legten staatliche Stellen den Trägern mit inhaltlichen Vorgaben »Fesseln« an, wie Burdukat formuliert – was fatal sei bei Projekten, die eigentlich auf eine freie Entfaltung zielten.

Mit der »#hikefor«-Kampagne soll die Arbeit für Jugendliche und Geflüchtete »unabhängig von staatlicher Förderung« werden, heißt es im Aufruf. Mit 40 000 Euro aus dem Fundraising sollen ab kommendem Jahr je zwei 20-Stunden-Stellen für Sozialarbeiter finanziert werden, die mit Jugendlichen und mit Geflüchteten arbeiten. Ziel ist es auch, eine GmbH zu gründen, die selbstständig weitere Finanzmittel für Projekte im »Dorf der Jugend« einwerben kann.

Weitere 30 000 Euro sollen helfen, ein festes Domizil für die jugendlichen Skateboardfahrer zu errichten. Bis vor einigen Jahren stand diesen eine Fläche im Stadtinneren zur Verfügung. Als diese weichen musste, zogen die Skater in das »Dorf der Jugend« um. Die Stadt ließ dafür eine eigene Fläche neben der alten Fabrik asphaltieren. Allerdings stellte sich später heraus, dass es dafür keine Baugenehmigung gegeben hatte. Seither gibt es ein ermüdendes Tauziehen um die Nutzung. Mit der Räumung ist nun der Tiefpunkt erreicht. Im Dorf der Jugend träumt man davon, eine Skaterhalle in den Räumen der Fabrik selbst zu errichten – mit einer Solaranlage auf dem Dach, deren Erträge das Jugendprojekt finanziell stützen könnten.

Für diesen Traum wandert »Pudding« weiter durch die Berge – trotz Blasen an den Füßen und einiger sehr heikler Momente im Hochgebirge. Die einst geplanten 160 Gipfel und damit 47 000 Höhenmeter werden es wohl nicht werden, aber »bis Triest schaffe ich es, komme was wolle«, schrieb Burdukat auf Twitter. In 27 Tagen soll die Stadt an der Adria erreicht sein. Für Unterstützer bleiben dann noch weitere knapp zwei Wochen, um ihm und dem »Dorf der Jugend« mit einer Spende zu helfen. Wer will, kann sich für 240 Euro sogar einen Vortrag über seine Alpentour und seine Arbeit in Grimma sichern.

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