Die Kunst der Großen

Alexander Zverev scheitert im Achtelfinale von Wimbledon an sich selbst. Das nächste Ziel ist Tokio

  • Robert Semmler, London
  • Lesedauer: 3 Min.

Alexander Zverev saß da und rätselte. Und er stand offen zu seiner eigenen Ratlosigkeit: »Um ehrlich zu sein, ich würde es gern selbst wissen«, sagte der Hamburger nach seinen sage und schreibe 20 Doppelfehlern im verlorenen Achtelfinale von Wimbledon am Montagabend. Schon lange nicht mehr kostete ihn der zuletzt so gute Aufschlag ein Match, und dann gleich so ein wichtiges.

Deutschlands bester Tennisprofi jagt also weiter diesen ersten Grand-Slam-Titel, von dem er im Finale der US-Open im vorigen September nur läppische zwei Punkte entfernt war. Die Bilanz seitdem bei den vier wichtigsten Tennisturnieren: Knappes Viertelfinalaus in Australien nach ungenutzten Chancen gegen Überflieger Novak Djokovic, knappes Halbfinalaus bei den French Open nach schwachem Start gegen den Griechen Stefanos Tsitsipas. »Ich bin auf einer Stufe, wo ich Grand Slams gewinnen will. Achtelfinale ist da meiner Meinung nach ziemlich früh. Aber dafür muss ich letztlich besser spielen«, sagte Zverev selbstkritisch nach der Niederlage gegen den 20-jährigen Kanadier Felix Auger-Aliassime, einem der Aufsteiger, die Zverev zunehmend Konkurrenz machen. Im Match zuvor gegen den Amerikaner Taylor Fritz sei Zverev noch zu vielen freien Punkten mit seinem Aufschlag gekommen, stellte der Tennischef der deutschen Männer, Michael Kohlmann, am Dienstag fest. Dieses Gefühl habe ihm gegen Auger-Aliassime womöglich gefehlt und ihn verunsichert. Trotzdem hätte Zverev die Partie noch gewinnen können.

Flucht von Platz eins

Geknickt und so schnell es ging hatte Zverev den Platz Nummer eins am Montagabend verlassen. Vor dem Start in Wimbledon hatte der Weltranglistensechste noch Zuversicht ausgestrahlt und betont, er fühle sich so wohl wie lange nicht. In sein Leben, in das durch seine Vaterschaft, die Trennung von seinem Ex-Manager und Vorwürfe einer früheren Freundin viel Aufregung gekommen war, sei Ruhe eingekehrt.

Kohlmann verwies darauf, dass sich in den rund drei Wochen, die ein Grand-Slam-Turnier samt Vorbereitung dauere, auch immer schlechte Tage mischen könnten. Der deutsche Davis-Cup-Kapitän erinnerte an dieser Stelle an Djokovic, Roger Federer, die beide am Mittwoch ihre Viertelfinalspiele bestreiten, und den diesmal fehlenden Rafael Nadal. Die großen Drei zeichne es aus, dass sie ihre Leistung über einen so langen Zeitraum konservieren könnten. »Das ist halt die Kunst, die es zu beherrschen gilt«, sagte Kohlmann. Die Stars gewinnen eben auch ihre schwächeren Matches.

Kohlmann wird Zverev nun bald in Tokio betreuen und hofft, dass ihm die ersten Olympischen Spiele gut tun werden. Die deutsche Nummer eins sei gern im Team dabei. »Gerade im Kreis dieser Mannschaft ist er in der Lage, etwas Besonderes zu vollbringen«, meint Kohlmann. Zur deutschen Männermannschaft für das olympische Tennisturnier in Tokio vom 24. Juli bis zum 1. August zählen außerdem Jan-Lennard Struff, Dominik Koepfer, Routinier Philipp Kohlschreiber sowie die Doppelspezialisten Kevin Krawietz und Tim Pütz.

Neue Inspiration

Insgesamt bescheinigte Michael Kohlmann dem geknickten Zverev gute vergangene Monate, von denen sich sein Topspieler nun ein paar Tage erholen will. Möglicherweise wird er zunächst in Deutschland noch einige nicht näher erläuterte Dinge machen und sich dann in der Wahlheimat Monte Carlo auf die Olympischen Sommerspiele einstimmen - es wird der erste Japan-Trip für den Weltreisenden Zverev. Eine Medaille könnte neue Inspiration vor den US-Open geben, wo der Grand-Slam-Titel ja schon zum Greifen nah war.dpa/nd

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