Corona ändert das Zusammenwirken von Eigentümern
Immobilienrecht in Zeiten der Pandemie
Auch das Immobilienrecht machte da keine Ausnahme, wie der Infodienstes Recht und Steuern der LBS am Beispiel einiger Gerichtsurteile zeigt. Inzwischen hat sich die Pandemie-Lage zwar entspannt, doch bei einem möglichen erneuten Lockdown könnten viele der Entscheidungen wieder zum Tragen kommen. Bei all diesen Urteilen ist zu bedenken, dass sich die Corona-Rechtsprechung immer noch laufend fortentwickelt. In zahlreichen Fallkonstellationen fehlen noch höchstrichterliche Entscheidungen.
Die Eigentümerversammlungen
Besonders stark betroffen von der Pandemie sind die Eigentümerversammlungen, denn dabei kommt zwangsläufig eine viel größere Zahl von Eigentümern zusammen. Doch trotz aller Vorsichts- und Hygienemaßnahmen darf eines nicht geschehen, wie das Amtsgericht Kassel (Az. 800 C 2563/20) entschied: dass die Teilnehmerzahl im Vorfeld auf weniger Personen als die Mitglieder und den Verwalter beschränkt wird. Alle Eigentümer müssen ohne Beschränkungen eingeladen werden. Geht eine Verwaltung nicht so vor, dann sind alle in der Versammlung gefassten Beschlüsse nichtig.
Der »Massen«-Widerspruch
Eine der Grundregeln der Pandemiebekämpfung lautet bekanntermaßen, dass sich nicht zu viele Menschen in einem geschlossenen Raum aufhalten sollen. Das steht in einem gewissen Widerspruch zum Prinzip der Eigentümerversammlungen, an denen alle Mitglieder das Recht haben, teilnehmen können. Deren Zahl darf also nie eingeschränkt werden, wie im vorstehenden Urteil erwähnt wurde. Allerdings ist es dem Verwalter nach Ansicht des Landgerichts Frankfurt am Main (Az. 2-13 S 108/20) gestattet, unter den Eigentümern Vertretungslösungen zu bewerben, um im gegenseitigen Einvernehmen die Personenzahl zu beschränken.
Die Quadratmeter
Der gewählte Versammlungsraum muss mindestens für die Teilnehmerzahl geeignet sein, die erfahrungsgemäß zu erwarten ist. Ein Verwalter hatte einen 100 Quadratmeter großen Saal ausgewählt, für den nach der geltenden Covid-19-Verordnung nur maximal sieben Personen zugelassen worden waren. In den zurückliegenden drei Jahren waren aber immer mindestens 19 Personen zugegen gewesen. Das Amtsgericht Dortmund (Az. 514 C 88/20) betrachtete diese Ortswahl als einen Ermessensfehler. Selbst dann, wenn tatsächlich nur sieben Teilnehmer erschienen wären, hätten die Beschlüsse auf Anfechtung wegen des schon zum Zeitpunkt der Einladung ungeeigneten Raums für ungültig erklärt werden können.
Das Versammlungsverbot
Wenn das gesamte öffentliche Leben zum Erliegen gekommen ist, weil es ein pandemiebedingtes behördliches Versammlungsverbot gibt, dann sollten keine Eigentümerversammlungen mehr stattfinden und solche nicht einmal für diesen Zeitraum anberaumt werden. Denn durch eine solche Fehlentscheidung können auch Kosten (Saalmiete, Porto) entstehen. So urteilte das Amtsgericht München (Az. 1291 C 2946/21) und stellte fest, dass es einen Anspruch auf Absage der Eigentümerversammlung gebe, wenn diese trotz pandemiebedingten Versammlungsverbots durchgeführt werden soll. Zudem sei die Formulierung der Einladung (»sollten nicht mehr als 2-5 Teilnehmer dabei sein« - was weniger als die Hälfte der Eigentümer darstellte) geeignet gewesen, »einen psychischen Zwang bei den einzelnen Wohnungseigentümern auszulösen, der sie von der Wahrnehmung ihrer Kernrechte abhält«.
Grenzen der Vorsicht
Manche Menschen wollen in diesen Zeiten am liebsten niemanden in ihre Wohnung bzw. in ihr Haus einlassen, um sich keinem erhöhten Infektionsrisiko auszusetzen. Doch diese Vorsichtsmaßnahmen haben ihre Grenzen. So wies das Verwaltungsgericht Hannover (Az. 13 A 4340/20) darauf hin, dass Schornsteinfegerarbeiten aus Gründen des Brandschutzes unverzichtbar sind und die Vertreter dieses Handwerks Zugang erhalten müssen.
Ausweg: die Einzelvermietung
Nahezu alle Fitnessstudios waren über die Monate der Pandemie für ihre Mitglieder nicht mehr zugänglich. Die Behörden betrachteten das Infektionsrisiko als zu hoch. Eine Lösung kann allerdings nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Hannover (Az. 15 B 343/21) möglich sein, und zwar die stundenweise Untervermietung der Räumlichkeiten an Einzelpersonen oder einen Haushalt. Hierbei handle es sich gar nicht mehr um ein Fitnessstudio im klassischen Sinne, stellten die Richter fest. LBS/nd
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