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  • École nationale d‘administration

Bemühen um mehr Chancengleichheit

Emmanuel Macron setzt sein Versprechen um und schließt Frankreichs Elitekaderschmiede ENA

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.

Unter den vielen Abkürzungen, die tagtäglich in den Medien auftauchen, kennt wohl fast jeder Franzose von einer die Bedeutung: das Kürzel ENA steht für École nationale d‘administration, also Nationale Verwaltungsschule. Doch der bescheidene Titel täuscht, tatsächlich handelt es sich um die ranghöchste unter den französischen Elitehochschulen. Sie wurde 1945 von Charles de Gaulle gegründet und aus ihr sind vier spätere Staatspräsidenten, acht Regierungschefs, Dutzende Minister und viele hundert Spitzenbeamte hervorgegangen. Doch wer von den Absolventen einige Jahre im höheren Staatsapparat gearbeitet hatte, konnte auch - mitsamt seinem wertvollen Netz von Beziehungen - in noch besser bezahlte Positionen in der Privatwirtschaft wechseln.

Jetzt hat ENA-Absolvent Emmanuel Macron entschieden, diese Hochschule zu schließen und an ihrer Stelle ein Institut des Öffentlichen Dienstes zu bilden, dem 13 Fachhochschulen im ganzen Land angeschlossen sind. Angekündigt hatte der Präsident das schon 2019 als eine der Schlussfolgerungen aus dem Unmutsaufruhr der »Gelben Westen«, der sich diffus gegen den Staat und »die da oben« richtete. Doch der jetzige Zeitpunkt hängt mit der Präsidentschaftswahl 2022 zusammen.

Macron ist klar, dass viele der traditionellen Linkswähler, die ihm 2017 durch ihr Hoffnungs-Votum den Weg ins Elysée geebnet haben, von seiner eher rechtslastigen und unternehmerfreundlichen Wirtschafts- und Sozialpolitik enttäuscht sind. Ihnen will der Präsident ein positives Zeichen senden, denn die ENA ist nicht nur der absolute Gipfel dessen, was man im französischen Bildungswesen erreichen kann, sondern auch ein Symbol für die damit verbundene extreme Chancenungleichheit und den tiefen Graben zwischen Elite und Volk.

An der ENA studierten fast nie Kinder aus Arbeiterfamilien, sondern durchweg von bessergestellten und beruflich erfolgreichen Eltern, bei denen es sich oft um Intellektuelle handelt oder die zumindest selbst auch studiert hatten. In solcher Umgebung fanden die Kinder die nötige Motivation und Unterstützung, um nicht nur das Abitur als einer der Besten abzulegen, sondern anschließend auch noch zwei Jahre lang eine Vorbereitungsklasse für eine der Elitehochschulen zu absolvieren. Unter denen galt die Politikhochschule Sciences Po als Vorstufe für die ENA, aber dort bestand nur jeder Fünfte die Aufnahmeprüfung und wenn man dieses Studium erfolgreich absolviert hatte, kam noch die extrem scharfe Aufnahmeprüfung zur ENA. Hier kamen 2020 auf 83 Studienplätze 1775 Bewerber.

Auf diesem steilen Weg nach oben wurde alle Zeit und Energie fürs Studium gebraucht. Wer nebenbei noch für den Lebensunterhalt arbeiten musste, wie der größte Teil der Studenten an den »gewöhnlichen« Universitäten, hatte da keine Chance.

Das Programm an der ENA hatte höchstes Niveau und hier unterrichteten Gastdozenten, die zu den besten Fachleuten des jeweiligen Gebiets gehörten. Bei der Abschlussprüfung entschied dann die Punktezahl über den Berufsweg. Beginnend mit dem Jahrgangsbesten konnten die Absolventen ihr »Corps« wählen, also die Beamtenkategorie, zu der sie ihr ganzes Leben gehören würden, mit dem entsprechend hohen Gehalt. Besonders prestigereich und daher am begehrtesten waren die wenigen vakanten Posten als Generalfinanzinspektor - zu denen übrigens auch Macron gehört -, gefolgt von den Richtern des Obersten Verwaltungsgerichts und Führungsbeamten anderer Staatsbehörden. Dann kam als Angebot die Diplomatenlaufbahn und am Schluss Jobs als »einfache« höhere Beamte, die ihre Karriere immerhin meistens als Berater in einem Ministerkabinett beginnen konnten.

Künftig soll es einen »flacheren« Einstieg in den Ausbildungsweg zum Beamten geben und Kinder aus allen Schichten sollen Zugang finden. Für Kinder aus sozialen Problemvierteln wird es eine »positive Diskriminierung« geben und bei Bedarf ein Stipendium, sodass sich jeder ganz auf das Studium konzentrieren kann.

Vor allem soll der Weg an die Spitze über praktische Arbeit als Beamter führen, und nur wer sich hier bewährt hat, kann eine entsprechende Weiterbildung absolvieren und zur nächsthöheren Stufe im Staatsapparat aufsteigen. In diesem Zusammenhang werden auch die »Corps« mit ihrer lebenslangen Privilegiengarantie abgeschafft, und es wird eine Pflicht zur Mobilität zwischen verschiedenen Zweigen des Staatsapparats geben.

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