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Auf der Durststrecke
Mit dem Fahrrad von Bierfranken nach Weinfranken - ein Getränkemix der besonderen Art
Wein auf Bier, das rat ich dir.« Das ist das Motto unserer Radtour durch Franken. Wir begeben uns auf die Spur des Bieres und schlängeln uns hinein in die Weinregion: von Bierfranken nach Weinfranken. Vom Brauer zum Winzer, rein in den Biergarten, rauf zum Braukessel, runter in den Keller, ab in die Weinstube. Wer mit dem Velo unterwegs ist, kann die Tour voll auskosten.
In der Tat sind wir nicht neidisch auf die beiden Wanderer, die spätnachmittags in den Hof von Hubert Dinkel in Bad Staffelstein stolpern. Sie machen jene Bierwanderung, die eine doppelte Herausforderung ist: zehn Brauereien, zehn Bier, zig Kilometer. Ihren Krug bei Hubert kriegen sie kaum mehr leer, aber nun haben sie ihr Bierdiplom in der Tasche. Wir hingegen haben ein paar Braustätten mit dem Radl abgeklappert. So bleibt noch Zeit, um Hubert über die Schulter zu schauen. Er führt uns in den ersten Stock, wo sein Braukessel vor sich hin kocht. Die Technik hilft, aber der Franke muss alles stetig überwachen. Dabei steht noch eine Auslieferung an, der Abfülltermin rückt näher und der Papierkram stapelt sich. Hubert betreibt eine Ein-Mann-Brauerei - keine Seltenheit in der Region.
Der Großraum Bamberg nennt sich offiziell Bierfranken. Noch immer gibt es rund 160 historische Brauereien, die produzieren und an Gaststätten liefern oder sogar abfüllen. Auf 1000 Einwohner kommt in Bad Staffelstein eine Brauerei. Angesagt ist vor allem Kellerbier, unfiltriert und untergärig: »Wir machen nichts, was nach Kokosnuss oder Maracuja schmeckt.« Dabei steht Hubert mit der Craft-Beer-Bewegung keinesfalls auf Kriegsfuß. »Das hat uns allen Aufschwung gebracht.« Und noch etwas will Hubert loswerden: »Alles, was Wein kann, kann Bier auch.« Hopfen wirke beruhigend, Bier sei ein perfekter Begleiter zum Essen und biete eine große Geschmacksvielfalt. Helles, Dunkles, Weizen und Pils sind nur die offiziellen Bezeichnungen. Jeder Brauer in Franken verpasst dem Bier eine spezielle Note. Ein Wein verändert sich ja auch mit dem Boden, mit dem Klima, mit der Arbeit und Sorgfalt des Winzers.
Nun lässt sich die Tour nicht einfach in Bier- und Weinfranken einteilen, denn als Nächstes landet man in Unterfranken, das so etwas wie das Schlaraffenland für süffelnde Velofahrer ist. Bier und Wein existieren gleichberechtigt. Es gibt Weinfeste, auf denen die Winzer Pilsfässer anstechen, und Bierfeiern, wo man ebenso die Weingläser anfüllt.
Das Örtchen Zeil hat mit der Hexenverbrennung im Mittelalter zwar eine düstere Vergangenheit, aber eine güldene Gegenwart. Der Main fließt träge an den Weinhängen vorbei, die Werbeschilder offerieren den heimischen Silvaner, und hinter der hohen Stadtmauer versteckt sich die Brauerei Göller. Der Fahrrad-Parkplatz ist schon vormittags voll, und das liegt nicht daran, dass heute die Bierprinzessin ihre Aufwartung macht. Sie vertritt sechs Brauereien aus der Region, verbreitet auf Facebook Kochrezepte mit Gerstensaft und freut sich besonders auf gemeinsame Auftritte mit der hiesigen Weinkönigin. Man kann nicht nur von einer friedlichen Koexistenz der beiden Alkoholika sprechen, sondern sogar von einem Getränkemix wie der »Wein- und Bierhybrid« unter Beweis stellt. Gäste dürfen sich bei Events in bestimmten Gasthäusern sogar über Degustationsmenüs freuen, bei denen der Kellner zu jedem Gang Bier und Wein gleichzeitig reicht. Am Ende sitzen wir gemeinsam mit der »Bierprinzessin« im größten Biergarten des Abt-Degen-Weintals und stemmen Rotbier gegen die untergehende Sonne.
Wer sich bis Zeil vorgetrunken hat, ist dann auch auf dem Main-Veloweg unterwegs, der zu den besten Deutschlands zählt. Routenführung, Ausschilderung und Infrastruktur sind vorbildlich. Neben Biergärten und Weingütern sollte man auch die kleinen Städte wie Schweinfurt besuchen. Da der Ort seinen historischen Kern im Bombenhagel des Krieges verloren hat, setzt man heute auf Kunst und Kultur - angesehene Museen verbreiten Großstadt-Flair. Man muss sich ein wenig Zeit nehmen, um die charmanten Ecken zu entdecken. Sicherlich lohnt sich ein Besuch in der Kaffeerösterei. »Kaffee ist wie Wein«, sagt Besitzerin Elke Hofmann. Anbau, Bodenbeschaffenheit, Klima geben den Bohnen den Geschmack. Eine Bohnenmischung ist mit einer Cuvée zu vergleichen: Säure gilt es abzufedern oder auszugleichen. Man braucht weiche und milde Aromen neben Röstnoten.
Eine Tasse Muntermacher-Kaffee ist in jedem Fall zu empfehlen, bevor man zur finalen Tour aufbricht, die mitten hinein ins fränkische Weinherz führt. Der Kreis Kitzingen gilt als Zentrum des bayerischen Weinbaus, der sich fast vollständig auf Franken konzentriert, wo immerhin rund 3000 Winzer auf 6200 Hektar 60 Sorten anbauen. Das Landschaftsbild an der Mainschleife bei Volkach offenbart nur noch zwei Farben: Blau und Grün. Wasser und Weinstöcke haben alles andere verschluckt. Selbst die Velowege sind hier schwerer zu finden, weil der Wein bis an die Straße wuchert.
In Volkach angekommen, ist allerdings nicht an Erholung zu denken. Wer sich durch die Stadt süffeln will, braucht Ausdauer. Es gibt einen Weinpass, der es dem Gast zur Aufgabe macht, die 13 Vinotheken der 6000-Einwohner-Stadt zu besuchen, um je einen Silvaner und einen weiteren Wein zu verkosten. Mal landet man beim Winzer, der einen gleich mitnimmt in den Keller. Dann wieder sitzt man im durchgestylten Weinshop, nascht spanische Tapas und hat Spaß im Glas in Form exotischer Sorten und neuer Weine, die sich nach Franken vorgetastet haben.
»Hier passiert gerade ganz viel Neues. Die Nachwuchswinzer sind sehr experimentierfreudig«, sagt Lukas Herrmann, den wir in Kitzingen treffen. Er zählt zu den jungen Wilden, ist erst 32 Jahre alt, war in Neuseeland und leitet seit zwei Jahren einen Weinbaubetrieb mitten in jener Stadt, in der es früher mehr als 100 Weinhändler gab. Er hat komplett auf bio umgestellt, macht Sekt nach der Champagner-Methode und konzentriert sich auf Silvaner, das fränkische Aushängeschild. Im Lager hat er sein Rennrad geparkt. »Wein und Rad passen gut zusammen: Genuss und Lebensfreude.«
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