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Verblassende Bilder
Menschengemachter Klimawandel radiert älteste Felsenkunst der Menschheit aus
Die Gefahren des Klimawandels sind gut erforscht und dokumentiert. Es mangelt nicht an wissenschaftlich fundierten Ratschlägen, die Katastrophe noch zu stoppen, wohl aber am politischen Willen, die Wissenschaft beim Wort zu nehmen. Jetzt droht der Klimawandel sogar, die Urgeschichte der Menschheit auszulöschen, die vor zehntausenden Jahren Grundstein für die Entwicklung von Kultur, Kunst und Religion legte.
In elf Kalksteinhöhlen in Maros-Pangkep auf der indonesischen Insel Sulawesi hatten Wissenschaftler Malereien entdeckt, die bis zu 45 000 Jahre alt und damit die ältesten der Welt sind. Doch um diese Malereien ist es wegen des Klimawandels schlecht bestellt.
Dieser Text stammt aus unser Wochenendausgabe. nd.Die Woche nimmt Geschehnisse in Politik und Gesellschaft hintergründig unter die Lupe. Politische und wirtschaftliche Analysen, Interviews, Reportagen und Features, immer ab Samstag am Kiosk oder gleich mit einem Wochenendabo linken Journalismus unterstützen.
»Diese Kunstwerke befinden sich in der atmosphärisch dynamischsten Region der Welt, dem australasiatischen Monsungebiet. Die zunehmende Häufigkeit und Schwere von El-Niño-induzierten Dürren aufgrund des anthropogenen Klimawandels, kombiniert mit der durch Monsunregen bedingten saisonalen Feuchtigkeit, bietet zunehmend ideale Bedingungen für Verdunstung und Haloklastik (Salzkristallisation), was den Verfall der Felskunst beschleunigt«, heißt es in einer Studie von Archäologen der australischen Griffith Universität. »Unsere Analysen zeigen, dass die Haloklastik nicht nur chemisch die Oberflächen der Höhlen schwächt, sondern durch das Wachstum der Salzkristalle hinter der uralten Felsenkunst blättert die Malerei von den Wänden - sie verschwindet vor unseren Augen«, sagt Jillian Huntley, Chefautorin der im Fachblatt »Nature« veröffentlichten Studie. Dieser Trend werde sich durch die wärmer werdende Umgebungstemperatur und zunehmend schwereren El Niños noch beschleunigen, befürchten die Wissenschaftler.
Auch die berühmten europäischen Höhlenmalereien von Lascaux in Frankreich oder Altamira in Spanien, die erst zwischen 20 000 und 25 000 Jahre nach der Kunst in Sulawesi entstanden, sind gefährdet. Die Bandbreite der Probleme, die zum Verfall von Felsenkunst durch den Klimawandel führten, sei global, betont Huntley, deren Auswirkungen lokal aber unterschiedlich.
Hinzu kommen in vielen Fällen Touristen, die zum Beispiel durch ihre Ausdünstungen für einen Schimmelbefall der urzeitlichen Malereien in Lascaux sorgten. Deshalb wurde die Höhle schon 1963 für den Publikumsverkehr geschlossen und mit einem aufwendigen Belüftungs- und Klimaregulierungssystem versehen. Zu besichtigen ist seither nur noch eine getreue Nachbildung.
Die Höhlenkunst auf Sulawesi, in Europa, in Australien, Afrika und Südamerika ist aber nicht nur wegen ihres schieren Alters erhaltenswert. Wissenschaftler auf der ganzen Welt versuchen zu ergründen, was unsere Vorfahren plötzlich dazu brachte, Bilder zu malen, welchem Zweck sie dienten und warum gerade Höhlenwände als steinerne Leinwände dienten.
Auf letztere Frage gibt der israelische Archäologe Yafit Kedar in der Ende März 2021 im »Journal of Archaeology« veröffentlichten Studie eine Antwort. Salopp ausgedrückt waren die frühzeitlichen Künstler durch Sauerstoffmangel in den Tiefen der Höhlen, der durch das Feuer von Fackeln zusätzlich reduziert wurde, einfach high.
»Ich glaube, dass die frühen Menschen vorsätzlich in diese sauerstoffreduzierten Höhlen vordrangen, weil sie eine Verbindung mit den Wesen der Unterwelt suchten«, schreibt Kedar. Diese Wesen seien vermutlich nach der damaligen Vorstellung für den Zusammenhalt der Welt zuständig gewesen. Diese »Kosmologie« sei bei den frühen Menschen auf der ganzen Welt ähnlich gewesen, so der Wissenschaftler von der Universität Tel Aviv, und habe daher zum weltweit fast zeitgleichen Aufkommen von Höhlen- und Felszeichnungen geführt.
Der Mangel an Sauerstoff ist vermutlich auch die Ursache der bis heute praktizierten abstrakten Malerei. Schon in den 1990er Jahren stellte der südafrikanische Archäologe David Lewis-Williams in seinen Publikationen die These auf, die frühen Menschen hätten Dank ihrer rauschartigen Visionen nicht mehr nur bildliche Darstellungen ihrer Realität an Höhlenwände gemalt, sondern auch geometrische Figuren.
Adam Brumm glaubt, dass auch die Malereien in den Höhlen auf Sulawesi eine religiöse Bedeutung haben. »Wir wissen nicht, warum die Frühmenschen die Felsenkunst machten«, sagt Brumm, einer der Autoren der Sulawesi-Studie, dem »nd«. Aber die Darstellung von Therianthropen - Mensch-Tier-Mischwesen - in der Höhle Leang Bulu’ Sipong 4 »lässt die Vermutung zu, dass die Kunst eine irgendwie geartete spirituelle oder religiöse Bedeutung hatte.«
Die Rettung der Malereien in den Höhlen von Maros-Pangkep stellt eine große Herausforderung dar. »Unsere indonesischen Partner haben ein Überwachungsprogramm der am stärksten betroffenen Stellen gestartet. Das ist ein Anfang, aber wir brauchen mehr Ressourcen«, sagt Jillian Huntley. »Langfristig hilft nur eine Reduzierung der Treibhausgase gegen den schweren und rapiden Verfall von Felsenkunst in den Tropen.«
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