Die Rechten und ihre reichen Spender
In Österreich steht Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vor Gericht. Ihm wird Korruption vorgeworfen - er sieht sich als Opfer
Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen. Das gilt insbesondere für den Ex- Vizekanzler Österreichs und ehemaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian (»HC«) Strache, der diese Woche in Wien vor Gericht Rede und Antwort stehen musste. Diesmal geht es nicht um Ibiza sondern um Korfu, eine andere Urlaubsdestination des reiselustigen Ex-FPÖ-Politikers. Strache könnte dort 2016 und 2018 seine Dienste gegen Gefälligkeiten dargeboten haben.
Mit Strache angeklagt ist ein »Bigplayer« - in Straches Jargon ein Großspender politischer Parteien, der ihm Gefälligkeiten zukommen lassen haben soll. Es handelt sich um Walter Grubmüller: Ex-Rennfahrer, Unternehmer und Besitzer einer Privatklinik im Wiener Bezirk Währing. Diese Privatklinik soll aufgrund einer Gesetzesänderung in den Genuss von staatlichen Geldern über einen Fonds (PRIKRAF) gekommen sein. Und dieses Gesetz soll - so der Verdacht - von Strache ausgegangen sein. Konkret geht es um einen 2017 gestarteten und gescheiterten Initiativantrag und eine Gesetzesänderung, die 2018 im Zuge der Gesundheitsreform verabschiedet wurde, und in weiterer Folge über 14 Millionen Euro öffentliche Gelder für Privatkrankenhäuser bedeutete. Für Straches Bemühungen um die Gesetzesänderung soll die FPÖ 2017 Spenden in Höhe von 10 000 Euro von Grubmüller erhalten haben. Im Prozess konnte nicht definitiv durch Zeugenaussagen oder Beweismittel aufgedeckt werden, welche Gefälligkeiten Strache persönlich in Anspruch genommen hat. Er erklärte, er sei »Bargeldfetischist« und lasse sich als Mann der einfachen Verhältnisse nichts schenken. Auf eine erneute Einladung von Grubmüller nach Korfu 2018 dürfte Strache per SMS geantwortet haben: »Nichts reden. Still und leise.« Sicher ist, dass Strache 2016 nach Korfu reiste, wo er ein Teil seines Urlaubes auf dem Anwesen von Grubmüller verbrachte und in dessen Privatjet flog.
Aus Sicht von Strache, seinen damaligen Parteikamerad*innen und dem Großunternehmer Grubmüller geht es in erster Linie um eine große Ungerechtigkeit. Sie seien Opfer eines »korrupten Systems«, das Privatkliniken von staatlichen Geldern ausschließe. Die Aussagen von Zeugen kamen dieser Argumentation entgegen. Beate Hartinger-Klein, die damalige Gesundheitsministerin der FPÖ, behauptete am Donnerstag vor Gericht, das ganze Thema sei belanglos. Die Veränderungen im Zugriff auf den Fonds stellten nur ein »Promille« der gesamten Reform, ein Prestigeprojekt der türkis-blauen Regierung, dar. Zusammenfassend lautete ihre Aussage, dass Strache am Thema PRIKRAF interessiert gewesen sei, aber nicht so interessiert, dass es die Verdächtigungen rechtfertige. Straches persönlicher Kampf gegen Ungerechtigkeiten - in diesem Fall die Diskriminierung der Privatkliniken - sei zudem ein Thema für den FPÖ-Wahlkampf 2017 gewesen. FPÖ-Politikerin und Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch-Jenewein erklärte, der Initiativantrag sei »eine reine Willenskundgebung im Wahlkampf gewesen, ohne jegliche Aussicht auf Realisierung«. Wobei es für Beobachter rätselhaft sein mag, wie die FPÖ durch ihren Einsatz für millionenschwere Eigentümer von Privatkliniken neue Wählergruppen für ihren Kampf für den »kleinen Mann« mobilisieren wollte.
Die einzige Überraschung gelang der Staatsanwaltschaft, als sie eine Spende Grubmüllers über 2000 Euro von 2016 entdeckte, die alle anderen Beteiligten scheinbar vergessen hatten. Zunächst erklärte Grubmüller sein Erstaunen über die vergessene Spende, er müsse alkoholisiert gewesen sein als er sie tätigte. Erst am nächsten Verhandlungstag kam er zurück in das alte Narrativ: Er habe damals der FPÖ 2000 Euro gespendet, weil Österreich durch die ÖVP und die Kammern »ein Sumpf« geworden sei. Grubmüller nutzte den Prozess, um seine Enttäuschung über die SPÖ auszudrücken, deren Mitglied er über 40 Jahre lang war.
Grubmüllers Charakterisierung Österreichs als politischer »Sumpf« liefert zwar keine Erkenntnisse für den aktuellen Prozess, gibt aber einen Einblick in die Beziehung zwischen Großspendern und Parteien in Österreich. Strache rühmte sich 2019 im berühmten »Ibiza-Video« seines Pragmatismus gegenüber Spendern und zeichnete sogar eine Ähnlichkeit im geschäftlichen Umgang zwischen »Bigplayern« wie damals bei dem im Video erwähnten Glücksspielunternehmen »Novomatic« und der FPÖ: »Und dann gibt’s noch ein paar Bigplayer, die sagen, wir zahlen allen Dreien. Dann sag ich, na schau. Ist wenigstens pragmatisch. Wir sind pragmatisch. Ist auch in Ordnung.«
Diese Aussagen bilden den Kern des »Systems Strache«, wie man es aus dem Ibiza-Video kennt und das sich auch im aktuellen Prozess abbildet. Es funktioniert nach dem Prinzip, dass eine Hand die andere wäscht und daran nichts Verwerfliches ist, weil es alle so machen. Das mag die Wahrheit sein. Es ist aber trotzdem bezeichnend, dass ein rechtspopulistischer Politiker wie Strache, ein selbsternannter »Korruptionsjäger«, dies nicht nur billigend in Kauf nimmt, sondern selbst forciert.
Zur Eröffnung des Prozesses rief die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer die Bilder von Ibiza in Erinnerung und erklärte, dass kurz nach dem Auftauchen des Videos die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) die Ermittlungen begann, die durch die Komplexität des Sachverhalts zum Teil noch nicht abgeschlossen sind. Grubmüllers Entgegnung auf die Korruptionsvorwürfe - »im PRIKRAF haben sie es sich gerichtet« und er und seine Klinik seien Opfer - zeigt, wie Strache und die Menschen in seinem näheren Umfeld künftig mit Ibiza und den damit verbundenen Assoziationen umgehen wollen: Sie stellen sich als Opfer eines korrupten Systems dar, nicht als Teil desselben. Grubmüller habe bei verschiedenen Politikern versucht, jemanden für seine Causa zu motivieren, aber »alles war vergeblich«, nur Strache habe »ein offenes Ohr« für ihn gehabt.
Am Freitag entschied die Richterin, die Verhandlung bis Ende August zu vertagen. Da sollen mehr Zeugen geladen werden, und die Staatsanwaltschaft dehnt den Strafantrag aus. Denn es gibt Grund zu vermuten, dass auch angekündigte, aber nicht realisierte Spenden seitens Grubmüllers zur Europawahl 2019 eine Rolle in der Affäre spielen.
Dieser Prozess könnte nur der Auftakt von mehreren Unannehmlichkeiten für Strache werden. Denn jetzt werden alle politischen Entscheidungen der FPÖ der letzten Jahre unter seiner Führung auf Korruption abgeklopft. Da wird geschaut, ob es sich bei seinen Aussagen auf Ibiza um pubertäre Angeberei oder um gelebte Korruption und den Gebrauch eines Landes als Selbstbedienungsladen geht. Eines ist klar: Solange Großspender wie Grubmüller Spenden als Denkzettel an politische Parteien benutzen, wird Österreich ein Sumpf bleiben.
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