Eine Ikone des Antifaschismus

Die Künstlerin und Holocaust-Überlebende Esther Bejarano ist gestorben

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. »Die Musik hat mir das Leben gerettet«, pflegte Esther Bejarano zu sagen. Tatsächlich entkam sie dem vernichtenden Antisemitismus deutscher Faschisten, weil sie in deren Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz dem »Mädchenorchester« angehörte. Das musste die SS unterhalten und sollte zugleich - so die zynische Logik der Mörder - die aus allen deutsch-okkupierten europäischen Ländern deportierten Millionen Juden unterschiedlicher Herkunft und Nationalität über das Schicksal hinwegtäuschen, das sie erwartete.

Esther Bejarano ist am Samstag verstorben. Sie war und bleibt eine Ikone des deutschen Antifaschismus. Im Holocaust, dem industriell betriebenen Völkermord der Nazis, verlor sie ihre Eltern und zahlreiche weitere Familienangehörigen. Nach der Befreiung 1945 kehrte sie dem Land der Täter verständlicherweise den Rücken. Sie entschied sich jedoch zur Rückkehr, um das Land ihrer Ahnen nicht alten und neuen Nazis zu überlassen - eine Entscheidung, die höchsten Respekt und Dankbarkeit verdient. Mehr als ein halbes Jahrhundert war Esther Bejarano als beredte Zeitzeugin und unbeirrbare Streiterin gegen Faschismus, Militarismus und Neonazismus, für Frieden, Humanität und Solidarität unterwegs. Sie erhob ihre Stimme nicht nur, wenn die Demokratie unmittelbar gefährdet war, etwa als die NPD in den 1960er/70er Jahren in sieben Länderparlamente der Bundesrepublik einzog und 2017 dann die AfD gar in den Bundestag - eine Partei, die für Esther Bejarano eine Neuauflage neonazistischen Strebens zur Ergreifung der Regierungsgewalt in Deutschland darstellt.

Umso unverschämter und verantwortungsloser empfand es die Tochter eines aus Berlin stammenden jüdischen Sängers und einer in Thüringen geborenen Lehrerin, als vor drei Jahren eine Berliner Finanzbehörde der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) die Gemeinnützigkeit entzog. In einem Protestbrief an Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) beklagte die VVN-BdA-Ehrenvorsitzende: »Das Haus brennt - und Sie sperren die Feuerwehr aus!« ves Seite 12

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.