Viva la Defa (5): »Spur der Steine«

  • jha
  • Lesedauer: 3 Min.

Über dem aufgerissenen Erdboden liegen ein paar Bretter, ringsum Baumaterialien; das junge Paar geht trotz der improvisierten Lage sicheren Schritts voran; im Hintergrund erheben sich, noch von Kränen umgeben, die Neubauten - so zeigt es Juri Pimenows Gemälde »Hochzeit auf der Straße von morgen« aus den 60er Jahren. Realität und Metapher gaben sich die Hand, die Großbaustelle des Sozialismus war zugleich die Verkörperung des großen Gesellschaftsentwurfs - dankbares Material für die Künste. Erik Neutschs Roman »Spur der Steine« inspirierte nicht nur Heiner Müllers zutiefst skeptisches Drama »Der Bau«, vor allem diente er einer gleichnamigen Verfilmung als Vorlage. Das Drehbuch verfassten Karl Georg Egel und Frank Beyer, Letzterer führte auch die Regie. 1966 kam »Spur der Steine« in die Kinos - für kurze Zeit.

»Spur der Steine« lässt sich mit einer engen Auffassung von Genre kaum einordnen. Anleihen des Western unterstreichen den Auftritt der von Manfred Krug angeführten Brigade Balla. Die sind keine netten Jungs - sie saufen viel, keilen gern, treiben ihre Späße mit der sozialistischen Staatsmacht und gehen den »Miezen vom Konsum« an die Wäsche. Sie malochen aber auch. Und selbst der Rüpel Balla kann auch anders, sobald Krystyna Stypułkowska als Ingenieurin Klee - die Stimme gibt Jutta Hoffmann dazu - ihn anlächelt. Ist es also auch eine Bildungsgeschichte, wenn ebenjener Balla als charmanter Flegel gar dem von Eberhard Esche gespielten Parteisekretär Horrath beispringt, wenn der sich wieder einmal gegen Widerstände durchsetzen muss?

Jedenfalls ist es auch eine Liebesgeschichte, eine tragische Ménage-à-trois, die zugleich das ebenfalls nicht von Spannungen freie Verhältnis von Partei, technischer Intelligenz und Arbeiterklasse zum Gegenstand macht. Und komisch ist es dann auch noch oft genug.

Und noch eines kann man »Spur der Steine« zugutehalten: Indem der Film recht schonungslos auf die Probleme zwischen den Klassen und den Einzelmenschen fokussiert, kommt er zu einer universalen Moral. Er zeigt die schuldhaften Aspekte des Handelns als solches; er zeigt auch, dass Erfolg in der sozialistischen Politik nicht dadurch erreicht wird, sich immer nur gegenseitig zu bestätigen - das heißt: zu belügen -, sondern dadurch, der Realität ins Gesicht zu schauen, sie zu benennen, sei’s auch auf die Gefahr hin, dass es die angepasste Mehrheit ungern hört oder die schon zynisch gewordene Minderheit sich abwendet. Die schwierige Aufgabe lautet, die guten und unabhängigen Leute in die eigenen Reihen zu bekommen, die sich von Problemen angezogen fühlen. Ohne Konflikte geht das kaum. »Spur der Steine« selbst wurde nach kurzer Laufzeit abgesetzt und verboten.

Es sind eben nicht die »schönen Seelen«, die den Sozialismus aufbauen. Bloß keine »naive Geradeaus-Gerechtigkeit«! Auch nicht in der Kunst, besser ist Realismus. Das lässt Balla, mit Blick auf die DDR-Filmproduktion, zu Klee sagen: »Mit Ihnen würde ich mir sogar ’nen Defa-Film anschauen.« Bitte diesen! jha

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