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Kranke Krankenhäuser
Das duale Finanzierungssystem für Kliniken begünstigt private Betreiber
Das Krankenhaus Hersbruck hat über 100 Jahre Menschen aus Mittelfranken und der Oberpfalz versorgt. Doch nun ist es geschlossen. Das hat schwerwiegende Folgen. Das Magazin »Publik-Forum« berichtet aus der Praxis eines Landarztes, der Notfallpatienten nun in eine Klinik in Nürnberg überweisen muss, die »ohne Blaulicht eine halbe Stunde Autofahrt entfernt« ist.
Kein Einzelfall, sondern ein Trend: Im Jahr 1991 gab es im gerade vereinten Deutschland 2411 Kliniken, die letzte Zählung ergab 1914. Betroffen sind nicht allein ärmere Bundesländer, sondern auch reiche wie Baden-Württemberg. So wurden im Landkreis Lörrach in den vergangenen Jahren mehrere Kliniken im Wiesental geschlossen. Im Juni haben die Erdarbeiten für den Bau eines Zentralklinikums in der 50 000-Einwohner-Stadt Lörrach begonnen. Wie in Hersbruck hatte es auch am Rande des Schwarzwaldes Widerstand aus der Bevölkerung gegeben. Das Krankenhaus vor Ort gilt vielen Menschen als die gesündere Variante.
Begründet werden Schließungen wie Neubauten von riesigen Zentralkliniken üblicherweise mit medizinischen Gründen: Wo viele gleichartige Fälle operiert werden - meist wird von wenigstens 50 Fällen im Jahr ausgegangen -, sei die Qualität der Versorgung besser. Der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, Josef Hecken, spricht sich daher für eine weitere Reduzierung der Zahl der Krankenhäuser aus: 1200 Kliniken wären genug.
Ein anderer Megatrend ist die Privatisierung. So wurden in Hamburg fast alle städtischen Krankenhäuser vom Senat privatisiert. Unter dem Motto »Gesundheit ist keine Ware« wurde dagegen zwar ein Volksentscheid organisiert. Im Februar 2004 stimmten fast 600 000 Menschen gegen den Verkauf an den Sieger einer Ausschreibung - Asklepios, einen bis dahin kaum bekannten Klinikbetreiber aus Hessen. Heute ist er die Nummer eins auf dem Gesundheitsmarkt in Deutschland.
Selbst in der größten Gesundheitskrise des Landes seit dem Zweiten Weltkrieg sterben weiterhin ganze Krankenhäuser aus: 21 waren es, seit Corona das Land im Griff hat. Von 30 weiteren Krankenhäusern ist bekannt, dass ihnen die Schließung droht oder diese bereits beschlossen ist.
Derweil klagen landauf, landab Ärzte über überfüllte Stationen, Operationen werden verschoben, es fehlt an Personal. Beschäftigte der Charité und von Vivantes in Berlin stellten kürzlich ein Ultimatum: Arbeitgeber und Senat sollten für Entlastung sorgen - oder es werde gestreikt. »Entweder wir kämpfen jetzt gemeinsam, oder es bricht alles zusammen«, zitiert die Gewerkschaft Verdi eine Krankenpflegerin.
Finanziert werden die Krankenhäuser in Deutschland hauptsächlich aus zwei Quellen. Krankenkassen sowie private Krankenversicherungen tragen die Betriebskosten. Vor allem für medizinische Leistungen und das Klinikpersonal zahlten sie 2020 über 80 Milliarden Euro, der mit Abstand dickste Brocken im Gesundheitswesen. Für Investitionen in Gebäuderenovierungen und neue OP-Säle zeichnen hingegen die Bundesländer verantwortlich. Aber die sind bekanntlich knapp bei Kasse: Lediglich drei Milliarden Euro stellen die Bundesländer für Investitionen pro Jahr zur Verfügung. Viel zu wenig, kritisiert die Deutsche Krankenhausgesellschaft: Der Investitionsmittelbedarf betrage mindestens sechs Milliarden Euro jährlich.
Damit hinkt ausgerechnet die Gesundheitsbranche der allgemeinen Investitionsquote in der deutschen Wirtschaft weit hinterher. Und es gibt große Unterschiede zwischen den Bundesländern: Während Bayern jährlich 50 Euro pro Bürger in Krankenhäuser investiert, sind es in Sachsen-Anhalt lediglich 22 Euro.
Dieses duale System begünstigt letztlich private Betreiber wie Asklepios, Fresenius oder Rhön. Noch in den 1990er Jahren hatten die teilweise börsennotierten Aktiengesellschaften lediglich ein Nischendasein gefristet.
Dabei werden auch die Investitionen der Privaten vom Staat mitfinanziert. Auch darum sind deren finanzielle Möglichkeiten weit günstiger als die einer Landrätin in Baden-Württemberg. Die Privaten nutzen ihre Größenvorteile und erzielen sogar Gewinne aus den abgerechneten Betriebsmitteln der Kassen. Sie kriegen zudem bei Banken günstige Kredite und können sich an der Börse frisches Kapital besorgen. Außerdem konzentrieren sie sich auf umsatzträchtige Standorte in großen Städten, zahlen Dumpinglöhne an das nichtmedizinische Personal und puschen Leistungen wie Hüftgelenkoperationen, die für die Unternehmen besonders lukrativ sind.
Mittlerweile gehört jedes dritte Krankenhaus einem privaten Unternehmen. Und die tun sich leichter auf dem ökonomisierten Gesundheitsmarkt als das Klinikum in der fränkischen Provinz oder im Schwarzwald. Derweil schreiben viele Krankenhäuser »rote« Zahlen, vor allem freigemeinnützige und öffentliche Häuser. So sind die nächsten Schließungen schon programmiert.
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