Von Schwarzbraun zum Regenbogen

Bayern Für den Machterhalt in Bund und Land verbuntspechtet Markus Söder die CSU

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 5 Min.

Die an diesem Mittwoch beginnende Klausurtagung der Union im Kloster Seeon zeigt, dass das politische Leben derzeit wieder mehr durch körperliche Präsenz geprägt ist - der Vorsitzende Markus Söder ist persönlich anwesend, für Donnerstag wird auch sein CDU-Amtskollege Armin Laschet auf dem Treffen erwartet. Weitere Gäste sollen der kroatische Ministerpräsident Andrej Plenkovic, der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, und die neue Chefin des Pharmakonzerns Merck, Belén Garijo, sein.

Die Chefs der C-Parteien haben ein großes Ziel vor Augen: mit der Bundestagswahl vom 26. September in die Epoche nach der Ära Merkel zu starten und erneut Teil der Bundesregierung zu sein - in welcher Koalition auch immer. Für Söder, den »Unions-Kanzlerkandidaten der Herzen« steht die Aufgabe an, seine Partei zu modernisieren, um den auch in der Gunst der bayerischen Wähler steigenden Grünen Paroli bieten zu können.

Bundespolitisch kann sich der 54-Jährige zunächst zurücklehnen. Aus seiner Alpenfestung heraus steht er als williger Ersatzmann zur Verfügung, sollte in Berlin etwas schiefgehen. Und er ist jung genug, um auch bei der übernächsten Wahl Favorit sein zu können.

Laut den jüngsten Umfragen zur Bundestagswahl könnte die Union wieder die größte Bundestagsfraktion stellen. Ein Grund dafür ist der verbockte Wahlkampfstart der Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Laut aktuellen Umfragen kommen CDU und CSU zusammen auf 28, die Grünen auf 20 Prozent der Stimmen.

Diese Zahlen kann CSU-Chef Söder in Bayern leicht toppen: Auf 36 Prozent käme seine Partei laut der Sonntagsfrage. Das hört sich im Vergleich zum Bund gut an, ist aber in Wahrheit eine kleine Katastrophe - es wäre das zweitschlechteste Ergebnis der CSU bei einer Bundestagswahl. Denn jahrzehntelang waren die Christsozialen Ergebnisse von 50 Prozent und mehr gewöhnt. Eine Ursache für den Sinkflug liegt sicher im Aufstieg der Freien Wähler in Bayern, im Grunde Fleisch vom Fleische der CSU und seit der letzten Landtagswahl Teil der Regierung in München. Dabei hat es Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger in der Pandemie verstanden, sich als Freiheitskämpfer gegenüber dem strengen Lockdown-Meister Söder zu profilieren.

Die Wertschätzung der Wähler im Freistaat für den Ministerpräsidenten bleibt dennoch erhalten: 70 Prozent sind mit seiner Politik zufrieden oder sehr zufrieden, so das Ergebnis des »BayernTrends« des Bayerischen Rundfunks. Demgegenüber sind mit dem Kanzlerkandidaten Armin Laschet nur gut ein Drittel der Wähler in Bayern zufrieden. Er liegt damit hinter Olaf Scholz (SPD), der auf 40 Prozent Zustimmung kommt. Annalena Baerbock findet dagegen nur noch 24 Prozent der bayerischen Wähler Unterstützung. Übrigens befürworten im Freistaat auch 43 Prozent der 18- bis 39-Jährigen eine von der Union geführte Bundesregierung. Dass die Jüngeren in Bayern sich nicht stärker zu den Grünen hinwenden, kann Söder ebenfalls als Erfolg für sich reklamieren. Denn er hat den Modernisierungsprozess der CSU massiv vorangetrieben. Ob Frauenquote, Ökologie oder Klimaschutz: Gegenüber seinem hölzernen Vorgänger im Amt des Parteichefs und Ministerpräsidenten, Horst Seehofer, wirkt Söder wie ein Buntspecht, der eifrig grüne Themen anbohrt.

Tatsächlich ist die CSU-Kandidatenliste für die Bundestagswahl erstmals paritätisch mit Männern und Frauen besetzt. Angeführt wird sie von Bundestags-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, es folgen Digitalstaatsministerin Dorothee Bär, Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und die Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig. Noch beim Parteitag 2019 hatte sich die Basis gegen eine Ausweitung der Frauenquote auf die Kreisvorstände ausgesprochen. Die Landesliste ist freilich vor allem Papier, denn bei der CSU ziehen die Kandidaten in der Regel direkt in den Bundestag ein. 2017 gingen alle 46 Direktmandate in Bayern an die Christsozialen. Und bei den Direktmandaten ist von Geschlechterparität wenig zu sehen: Es kandidieren 36 Männer und 10 Frauen.

Doch es ist ein Signal, wie Söder sie gerne aussendet. Im Stadion trägt er einen regenbogenfarbenen Mundschutz, vor der bayerischen Staatskanzlei weht die Regenbogenfahne. Auf der Zugspitze warnt der CSU-Chef vor dem Schmelzen der Gletscher, und im Murnauer Moos verspricht er die Renaturierung der bayerischen Moore. Söder, der Klimaretter und Bienenfreund, Beschützer der Schwulen und Lesben, Förderer der Frauen: Es ist Modernisierung pur, was er seiner Partei zum Zwecke des Machterhalts verordnet. Das bunte Outfit hat wenige Wochen vor der Bundestagswahl das Bild des strengen, aber fürsorglichen Landesvaters abgelöst, der seine Bürger mit rigider Pandemiepolitik vor dem Coronavirus schützt.

Freilich ploppen zwischendurch immer wieder einmal die eigentlichen »Werte« der CSU auf: sich durch Beziehungen und dubiose Geschäfte kräftig zu bereichern. Die Affäre um die Maskengeschäfte der CSU-Politiker Georg Nüßlein und Alfred Sauter ist ein schmutziger Fleck auf der ansonsten kräftig weiß gewaschenen Parteiweste. Und bei all den bunten Farben ist nicht zu vergessen, dass die CSU noch bei der letzten Bundestagswahl ihr Fähnchen in einen anderen Wind hielt: Damals versuchte sie, die AfD in der Asylpolitik rechts zu überholen, um weggebrochene Wählerstimmen zurückzuerobern - freilich vergebens. Da beeindruckt der Farbwechsel von schwarzbrauner Haselnuss zum Regenbogen schon.

Die Modernisierung zeigt sich auch in den Punkten eines Positionspapiers, das die Partei im Kloster Seeon beschließen will und dessen Forderungen in das CSU-eigene Wahlprogramm fließen sollen, das ihr Vorstand am 23. Juli beschließen wird. Zu diesen gehört nicht nur die nach Verdopplung der Arbeitnehmersparzulage und - entgegen dem, CDU-Chef und Kanzlerkandidat Laschet gerade betont hat - nach deutlichen Steuererleichterungen für die »Mitte«.

Bemerkenswert ist das Bekenntnis der Partei der Familienwerte zu einer besseren Unterstützung der »wachsenden Gruppe der Alleinerziehenden«. Bis 2023 solle der Entlastungsbetrag für sie auf 5000 Euro steigen, sagte Landesgruppenchef Dobrindt der Deutschen Presse-Agentur. Zugleich will die CSU auch ihrem Image als Fürsprecherin der klassischen Rollenverteilung zwischen Müttern und Vätern treu bleiben. Während Grüne und SPD das Ehegattensplitting abschaffen möchten, wolle sich die CSU dafür einsetzen, es mit einem Kindersplitting weiter auszubauen. Dafür solle der Steuerfreibetrag für Kinder so hoch sein wie für Erwachsene, so Dobrindt. Und Söder betonte, Bedingung für eine Beteiligung der CSU an einer Koalition im Bund sei die Umsetzung der dritten Stufe der sogenannten Mütterrente.

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