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Mit Bierdosen durch die Galaxis
Geniale Satire oder Inszenierung toxischer Männlichkeit? Die Science-Fiction-Serie »Rick and Morty« geht in die fünfte Staffel
Der Science-Fiction fehlt es manchmal an Humor. Wenn es in dem Genre nicht gerade actionmäßig um waffenstarrende Weltraumschlachten oder gleich die Rettung des ganzen Universums geht und endlich mal gesellschaftspolitisch relevante Themen verhandelt werden, kann das unter Umständen etwas trocken daherkommen.
Mit Science-Fiction im Arthouse-Stil, auch wenn das oft Perlen sind, wie etwa die Serie »Tales from the Loop«, tun sich manche einfach schwer. Dabei gibt es eine reichhaltige Tradition satirischer bis grotesker Science-Fiction, von den Romanen Kurt Vonneguts aus den 1950er Jahren, über Douglas Adams auch verfilmte »Per Anhalter durch die Galaxis«-Trilogie, bis hin zur kongenialen Comedy-Serie »Future Man« (2017-2020), um nur einige Beispiele zu nennen.
Als weiteres Highlight der satirischen Science-Fiction wird die mittlerweile schon in die 5. Staffel gehende Animationsserie »Rick and Morty« gehandelt, die sich explizit an ein erwachsenes Publikum richtet. Der 14-jährige Teenager Morty aus einer typisch amerikanischen Suburb-Siedlung und sein versoffener Großvater, ein genialer Wissenschaftler, reisen in den gut 20-minütigen Folgen durch Zeit und Raum und erleben dabei aberwitzige, fantastische Abenteuer.
Eigentlich sind die beiden Charaktere den Figuren aus dem Science-Fiction-Klassiker »Zurück in die Zukunft« entliehen, wo Marty McFly und Doc Brown gemeinsam durch die Zeit reisen. Wobei in der »Rick and Morty«-Serie aus dem strahlenden 1980er-Jahre-Star Marty (Michael J. Fox) der stets verunsicherte High-School-Nerd Morty wird und aus Doc Brown der misanthropische, wahnsinnige Wissenschaftler Rick.
Gleich zu Beginn von Staffel 5 wird ebenfalls fleißig durch die Zeit gereist. Wobei Morty eigentlich nur durch ein Portal den in einer Parallelwelt gelagerten Wein für das Abendessen holen soll, wo er schneller altert, weil dort die Zeit anders verläuft. Dabei löst Morty aber ein Zeitreisedebakel aus, das eine ganze Welt durcheinanderbringt, die schließlich ihre gesamte Kultur, Religion und Politik auf die immer wiederkehrende Ankunft Mortys aufbaut. Denn während Morty kurz mal in die Küche geht und wieder zurück in die Parallelwelt, um noch eine Flasche Wein zu holen, sind dort Jahrzehnte vergangen. Das alles ist eingebettet in die Geschichte um Mortys High-School-Schwarm, der zu Besuch ist, während sein Großvater mit einem Erzfeind ringt, der kein geringerer ist als ein Meeresgott, und Mortys Eltern verstohlen ihre neue sexuelle Freiheit zelebrieren.
»Rick and Morty« ist ebenso bitterböse Satire auf das amerikanische Kleinbürgertum aus der Vorstadt wie ein wilder Ritt durch die Geschichte der Science-Fiction und Fantastik. Von »Matrix« über »Nightmare on Elm Street«, »Krieg der Welten« bis hin zu »Battlestar Galactica« wird hier ein gigantisches intertextuelles Feuerwerk abgebrannt.
Wobei die kurzen Episoden durchaus komplexe Science-Fiction-Szenarien durchspielen und immer wieder, so auch in Folge 2 der neuen Staffel, unendlich viele, ineinander verschachtelte Paralleluniversen existieren und zu paradoxen Situationen führen.
Egal, ob Rick und Morty von riesigen Insekten gejagt oder von Tintenfischen in Raumschiffen verfolgt werden, ob gerade mal wieder eine Supernova explodiert, ein Meteorit einschlägt oder eine Megaparty auf einem Planeten in dieser intergalaktischen Welt voller unterschiedlicher Spezies als queere Sexorgie gefeiert wird: Die Serie bietet eine überbordende Science-Fiction-Welt, neben der »Star Wars« und andere Klassiker fast schon blass aussehen. Insofern nimmt diese animierte Comedy das ganze Science-Fiction-Genre auf die Schippe, wenn Rick und Morty in ihrer fliegenden Untertasse voller leerer Bierdosen durch die Galaxis heizen.
Debatten gab es in den vergangenen Jahren immer wieder um die Frage, wie sehr die Serie eigentlich toxische Männlichkeit vor allem anhand von Großvater Rick karikiert oder letztlich dann doch affirmativ reinszeniert.
Nicht wenige Fans beziehen sich gerade wegen der sexistisch-misanthropischen Haltung des Großvaters Rick positiv auf diese Figur. Als die Macher der Serie einige Drehbuchautoren ersetzten und die Skripts ab Staffel 3 vor allem auch von Frauen geschrieben wurden, kam es überdies zu sexistischen Shitstorms zahlreicher solcher Fans.
Eine Folge davon ist, dass sich viele »Rick and Morty«-Anhänger*innen in Internet-Foren immer wieder von den sexistischen Fans und ihren Anfeindungen distanzieren. Ärger gab es außerdem, als in der ersten Folge von Staffel 3 ein Alien eine bei McDonalds nicht mehr erhältliche Szechuan-Sauce (ein Werbeprodukt für den Disney-Film »Mulan« aus den späten 90ern) begeistert mit Junkfood konsumierte und Fans daraufhin im Herbst 2017 in die USA McDonalds-Filialen stürmten und randalierten, weil sie die seit Jahren aus dem Angebot genommene Sauce nicht bekamen.
So unangenehm einige (aber keineswegs alle) Fans von »Rick and Morty« auch sind, ist es bei dem Erfolg nicht überraschend, dass vom verantwortlichen Sender bereits fünf weitere Staffeln der Kultserie bestellt wurden.
»Rick and Morty« auf TNT bei Sky - wöchentlich jeden Montag eine neue Folge.
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