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Polizeiproblem überschattet Wahlkampf
Giffey und Geisel besuchen die »Alex-Wache«, Linke und Grüne haben Fragen zu internen rechten Chats
Der junge blonde Mann mit Basecap und Sonnenbrille, der neben dem Eingang der »Alex-Wache« der Polizei auf dem Berliner Alexanderplatz steht, ist ganz euphorisch. »Ich finde, das ist eine sehr gute Wache, die den nahe gelegenen Polizeiabschnitt 57 entlaste«, sagt er auf Nachfrage zu »nd«. Zu seinem Beruf möchte er sich nicht äußern, aber es ist offenbar, dass es sich um einen Polizisten in Zivil handelt. Bevor die mutmaßliche Zivilstreife ihren Weg fortsetzt, sagt der Mann noch: Er würde sich mehr solcher stationären Polizeiwachen wünschen.
Giffey und Geisel auf Wahlkampftour
Das fordert auch die SPD-Spitzenkandidatin und -Landesvorsitzende Franziska Giffey, die am Donnerstag gemeinsam mit Innensenator Andreas Geisel (SPD) die Wache und den Alexanderplatz besucht. Es gibt den Wunsch nach einer »Kotti-Wache«, sagt Giffey in Anspielung auf das Kottbusser Tor in Kreuzberg, wo es wie auf dem Alexanderplatz in der Vergangenheit viele kriminelle Vorfälle gab. Die innere Sicherheit ist ein Schwerpunkt des Wahlprogramms der SPD und Giffeys. »Jeder und jede, die in Berlin lebt, soll sich sicher fühlen«, sagt die Sozialdemokratin in die Kameras der zahlreich erschienenen Medien. Als Politikerin will Giffey dafür sorgen, dass Sicherheit durchgesetzt wird.
Dass die Polizei und die Beamten vom Abschnitt 57 vor Ort offenkundig in den laufenden Wahlkampf der SPD eingespannt werden, ficht Innensenator Geisel unterdessen nicht an. »Ich finde nicht, dass wir irgendjemanden missbrauchen«, sagt Geisel auf Nachfrage einer Journalistin. Man könne ja auch mal aussprechen, was gut funktioniere. Zwar sei der Alexanderplatz weiterhin ein »kriminalitätsbelasteter Ort«, so der Innensenator, die Wache habe die Situation vor Ort jedoch verändert. »2015, 2016 zum Ende der vergangenen Legislatur hatten wir hier eine sehr schwierige, gewalttätige Situation«, so Geisel. Das sei seit 2017 mit der Wache anders geworden, soll das wohl heißen. Der Innensenator lobt auch die gute Zusammenarbeit von Berliner Polizei, Bundespolizei und Ordnungsamt des Bezirks, die gemeinsam in der »Alex-Wache« arbeiten. Dass der eine oder andere die Station als Touristeninformation nutzt, gehöre dazu, sagt Geisel.
Dann geht es gemeinsam mit den Kontaktbereichsbeamtinnen und -beamten des Abschnitts weiter über den Alexanderplatz. Thema ist die »städtebauliche Kriminalprävention«. Der Versuch also, über Maßnahmen im öffentlichen Raum Kriminalität zu vermeiden. Mit neuen Straßenlampen beispielsweise soll die Unterführung unter der S-Bahn-Strecke nachts nicht mehr so bedrohlich und dunkel wirken. Während sich der Tross der Politiker samt Medien über den Alexanderplatz schiebt, bleibt ein weiteres Dunkelfeld bis zu diesem Zeitpunkt unbeleuchtet: Zu den neuesten Informationen zu rechten Chatgruppen bei der Berliner Polizei, bei denen es offenbar auch eine Verbindung zur unaufgeklärten rechten Terrorserie in Neukölln gibt, äußern sich die SPD-Politikerin und der Innensenator zunächst nicht.
Grüne und Linke fordern Aufklärung
»Wir sagen seit Jahren, dass gegen rechtsextreme Inhalte in der Berliner Polizei schnell und umfassend ermittelt werden muss«, erklärten dagegen die Abgeordneten der Grünen-Fraktion June Tomiak und Benedikt Lux. Die Grünen, die in Berlin zusammen mit SPD und Linkspartei die Regierung stellen, übermittelten am Donnerstag einen ganzen Fragenkatalog zu den Vorwürfen, bei der Polizei habe es eine weitere rechte Chatgruppe gegeben, wobei gegen fünf Polizisten unter anderem wegen Volksverhetzung ermittelt werde. Laut Medienberichten spielt hier auch ein Polizist eine Rolle, der bereits früher Interna an AfD-Politiker durchgestochen haben soll.
Dass die Informationen dazu auf dem Handy des Beschuldigten übersehen worden sein sollen, kann der Innenexperte der Linksfraktion, Niklas Schrader, nicht glauben. »Wenn das ›Aufklärung von allerhöchster Priorität‹ sein soll, dann ist das ein schlechter Witz. Wir müssen da gründlich parlamentarisch aufklären, auch wenn das nicht ohne Widerstände gehen wird!«, so Schrader.
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