Frankreich erhöht den Druck
Präsident Macron verhängt Impfpflicht für das Gesundheitswesen
Der Ministerrat wird Anfang kommender Woche einen Gesetzentwurf verabschieden und dem Parlament zur Verabschiedung zuleiten, mit dem die Anti-Corona-Maßnahmen im Kraft gesetzt werden, die Präsident Emmanuel Macron in dieser Woche in einer Fernsehansprache verkündet hat. Damit soll der nahenden vierten Welle der Covid-Epidemie begegnet und ein dadurch erneut drohender Lockdown mit den entsprechenden Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft abgewendet werden. Die wieder steigende Zahl von Neuerkrankungen und die Ausbreitung der besonders ansteckenden Delta-Variante des Coronavirus mache es nötig, die entsprechenden Vorkehrungen zu verschärfen, hatte Macron festgestellt.
Der einschneidendste der angekündigten Schritte ist die ab Mitte September geltende Impfpflicht für alle Beschäftigten im Gesundheitswesen, in den Pflegeheimen und in der häuslichen Altenbetreuung. Wer sich dem weiter widersetzt, riskiert seinen Arbeitsplatz. Eine Impfpflicht für alle Franzosen hat Macron »für den aktuellen Moment« ausgeschlossen und damit eine Drohung im Raum stehen gelassen. Zunächst appellierte er weiter an die Vernunft seiner Landsleute, durch Vorsicht ihre eigene Gesundheit und die ihrer Mitbürger zu schützen.
Um die Impfbereitschaft derjenigen Franzosen zu erhöhen, die diesen Schritt bislang umgehen, indem sie sich in kurzer Folge immer wieder testen lassen, werden die Tests - mit Ausnahme von ärztlich verordneten - ab Anfang Oktober nicht mehr wie bisher voll erstattet, sondern sollen je nach Art 30 oder 50 Euro kosten. Ab September soll bereits geimpften älteren oder gesundheitlich besonders gefährdeten Personen Gelegenheit gegeben werden, durch eine dritte Impfung ihre Immunität noch zu verbessern.
Ab dem kommenden Montag gilt für alle Freizeit- und Kultureinrichtungen, aber auch für Hotels, Restaurants, Cafés, Diskotheken, Sportklubs oder Religionseinrichtungen die Verpflichtung, sich von allen Besuchern, die älter als 12 Jahre sind, den Sanitärpass zeigen zu lassen, aus dem hervorgeht, dass sie entweder geimpft sind oder dass bei einem erst kurz zuvor erfolgten Test der Befund negativ war. Dasselbe gilt für Reisende in Fernzügen, Überlandbussen oder Flugzeugen. Macron kündigte ferner an, dass die Kontrolle von Reisenden, die aus »Risikoländern« kommen, verschärft wird und dass sie sich, wenn Bedenken bestehen, in einem Hotel in eine kontrollierte Quarantäne begeben müssen. Eine Liste dieser »Risikoländer« steht allerdings noch aus.
Die Reaktionen auf die Maßnahmen waren überwiegend positiv. Noch während der Ansprache des Präsidenten setzte im Internet eine Welle von Anmeldungen zur Impfung ein und innerhalb von 24 Stunden hatten sich 1,7 Millionen Menschen registriert. An die Adresse des medizinischen Personals, von dem 10 bis 20 Prozent der Impfung weiter reserviert bis ablehnend gegenübersteht, haben namhafte Ärzte appelliert, der moralischen Verpflichtung gerecht zu werden, sich selbst und damit auch ihre Patienten zu schützen. Martin Hirsch, der Direktor des Verbunds der öffentlichen Krankenhäuser der Pariser Region, verglich das mit der Verpflichtung für Piloten, sich regelmäßig untersuchen zu lassen, was niemand in Frage stelle.
Fast alle Parteien und ihre Abgeordneten stehen hinter den Maßnahmen, mit Ausnahme des rechtsextremen Rassemblement national und der linken Bewegung La France Insoumise, die von einer nicht hinnehmbaren Einschränkung der persönlichen Entscheidungsfreiheit sprechen. In diesem Sinne gab es am Mittwoch Demonstrationen, an denen sich insgesamt rund 19 000 Menschen beteiligten, obwohl sie nicht genehmigt waren, und die zum Teil von der Polizei unter Einsatz von Tränengas gewaltsam aufgelöst wurden. Neben Paris sahen unter anderem Lyon, Bordeaux und Straßburg Proteste gegen Macrons Corona-Regeln.
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