Die Häufung der Weckrufe

Christian Mihatsch über die globalen Folgen der Klimaerwärmung

  • Christian Mihatsch
  • Lesedauer: 4 Min.

Dutzende Tote und Vermisste, eingestürzte Häuser, schwimmende Autos. Solche Nachrichten und Bilder kennt man eher aus anderen Erdteilen. Entsprechend groß ist die Bestürzung angesichts der Überschwemmungen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Ganz unerwartet kamen die Ereignisse allerdings nicht. »Starkniederschläge nehmen mit dem Klimawandel zu«, folglich seien »Situationen wie jetzt zu erwarten«, sagt der Schweizer Klimaforscher Reto Knutti. Wenn sich die Luft um ein Grad erwärmt, kann sie rund sieben Prozent mehr Feuchtigkeit speichern. Knutti schränkt allerdings ein: »Man kann nicht ein spezifisches Regenereignis dem Klimawandel in einem deterministisch kausalen Sinn zuordnen, aber man kann eine klare Aussage über den Einfluss des Klimawandels auf die Häufigkeit machen.«

Stark- und Dauerregen hat es schon immer gegeben, doch solche Ereignisse sind wahrscheinlicher geworden. Noch klarer ist der Zusammenhang zwischen Extremwetter und der Klimaerwärmung allerdings bei Hitzewellen wie derzeit in den USA, Skandinavien und Russland. Die Rekordtemperaturen im Westen der USA vor drei Wochen wären ohne die Erwärmung, die bereits stattgefunden hat, nahezu unmöglich gewesen. Das ergab eine Schnellstudie von mehreren Attributionsforschern rund um die Welt. Diese ermittelten erst mit Hilfe von Klimacomputermodellen, wie wahrscheinlich ein Ereignis in der vorindustriellen Zeit gewesen wäre, als die Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre und damit die Temperaturen noch niedriger waren. Anschließend berechnen sie das Gleiche mit den aktuellen Daten. So lässt sich zwar nicht ein einzelnes Ereignis dem Klimawandel zuschreiben, aber die Wahrscheinlichkeit ermitteln, dass ein bestimmtes Ereignis eintritt. Dabei zeigt sich, dass Hitzewellen am direktesten eine Folge der Klimaerwärmung sind.

Dieser Zusammenhang ist fatal, denn Hitzewellen sind die tödlichsten Extremwetterereignisse. Der menschliche Körper ist sehr gut darin, seine Temperatur nach oben zu regulieren, aber weniger nach unten. Die Hitzewelle Anfang Juli hat allein in der kanadischen Provinz British Columbia rund 500 Menschen das Leben gekostet. Die wirtschaftlich teuersten Extremwetterereignisse sind allerdings Stürme. Dies gilt insbesondere für kleine Inselstaaten. Dominica in der Karibik hatte im Jahr 2017 wegen Hurrikan »Maria« Schäden im Gegenwert von 250 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu bewältigen. Dabei war die Insel bereits zwei Jahr zuvor verwüstet worden, als Hurrikan »Erika« Schäden im Wert von 90 Prozent des BIPs angerichtet hatte.

Die UN-Entwicklungsorganisation UNDP hat ausgerechnet: Wenn ein kleiner Inselstaat in der Karibik von einem Hurrikan getroffen wird, entstehen in Relation zum BIP Schäden, die in Deutschland einem Wert von 560 Milliarden Euro entspräche. Ein solches Ausmaß ist hier nicht zu erwarten. Dennoch werden die Zahl der Hitzetoten und Opfer anderer Extremwetterereignisse sowie die Schäden mit weiter steigenden Temperaturen zunehmen. Das Ausmaß hängt aber auch davon ab, wie gut sich Deutschland auf den Klimawandel vorbereitet. Klimaanlagen in Krankenhäusern und Altenheimen etwa können viele Hitzetote verhindern. Mit der Entsiegelung von Flächen und der Schaffung von natürlichen Überschwemmungsgebieten lässt sich Hochwassern die Spitze nehmen. Und falls es dennoch zur Katastrophe kommt, hängt viel von den Rettungsdiensten ab. Doch deren Strukturen sind bisher nicht richtig darauf ausgerichtet. Und Fachleute sind mit Blick auf die Zukunft des Bevölkerungs- und Katastrophenschutzes in Deutschland eher ratlos.

Letztlich ist jedes Extremwetterereignis ein Weckruf, der nicht überhört werden darf. Einerseits muss die Menschheit ihre Emissionen so schnell wie möglich auf Null reduzieren, um die Klimaerwärmung zu stoppen und so zu verhindern, dass diese Ereignisse noch häufiger auftreten. Andererseits müssen sich jedes Land und jede Stadt auf diese Ereignisse vorbereiten. Dass daran immer noch erinnert werden muss, ist tragisch, denn Warnungen der Wissenschaft gibt es seit Jahrzehnten, ohne dass viel passiert wäre. »Wir bringen nach und nach unseren Planeten um«, konstatierte UN-Chef António Guterres vor einigen Monaten. Dass das eine schlechte Idee ist, zeigt sich nun auch in einem zerstörten Dorf in der Eifel namens Schuld.

Christian Mihatsch ist Ökonom und Fachredakteur für globale Klimathemen.

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