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Herr der Ringe
Max Kruse will die deutschen Fußballer zu Olympiagold führen
Max Kruse hat selbst ein bisschen schmunzeln müssen, ob die Bekleidung mit dem Bundesadler bei ihm noch sitzt. Nach sechs Jahren Abstinenz vom deutschen Nationalteam habe sich einiges geändert. »M passt mir nicht mehr, ich müsste eigentlich L tragen«, scherzte der Anführer der deutschen Olympiafußballer. Spaß beiseite: »Es ist natürlich ein geiles Gefühl, wieder dabei zu sein.« Der mit 33 Jahren mit Abstand älteste Akteur soll in den Gruppenspielen am 22. Juli gegen Brasilien, drei Tage später gegen Saudi-Arabien und am 28. Juli gegen die Elfenbeinküste vorangehen, um eine olympische Erfolgsgeschichte wie 2016 zu orchestrieren, als sich Deutschland erst im Finale vom Gastgeber Brasilien besiegen ließ. Kruse, der von der Landung in Tokio bis zum Bezug der Zimmer im Trainingslager in Wakayama sofort auf den Social-Media-Kanälen seine ersten Olympia-Eindrücke geteilt hat, träumt jetzt von mehr. Ihn hätte man als Pokerface bei den Prämienverhandlungen gar nicht einbinden müssen: »Wir fahren da hin, um die Goldmedaille zu holen - die ist mehr wert als jedes Geld.«
Über ihn passt nicht die DFB-Schablone vom veganen Musterprofi, der jeden Abend um 22 Uhr das Licht ausknipst, aber Feuer und Flamme fürs Fußballturnier im Zeichen der Ringe ist der Freigeist Kruse allemal. Seine Begründung: »Viele von uns haben Olympia schon geschaut, als sie noch klein waren. Deshalb ist es eine Ehre, dabei sein zu dürfen.« Da begeistert sich einer eben doch für mehr als nur Nutella-Brötchen, PS-Monster oder Pokerturniere.
Der Alleskönner von Union Berlin kann die kleinkarierte Blockadehaltung vieler Vereine und Spieler nicht verstehen. Die Frage müsse eher lauten, sagt er, »was einem an Olympischen Spielen nicht reizen kann: Für viele Sportler ist es das Größte auf der Welt, eine solche Medaille in den Händen zu halten. Das sollte für uns Fußballer genauso sein.« Wenn es jetzt so ist, dass das »Team D Fußball« nach einer Flut an Absagen lediglich mit 18 statt 22 Akteuren antritt, müsse man halt das Beste draus machen: »Solange wir elf Leute zusammenbekommen, werden wir alles versuchen, Gold zu holen.«
Nationaltrainer Stefan Kuntz hatte sich bewusst für den 14-fachen A-Nationalspieler entschieden, den Bundestrainer Joachim Löw wegen privater Eskapaden im Frühjahr 2016 aus dem Kader strich - und nie mehr begnadigte. Kuntz spürte in persönlichen Gespräche jedoch schnell, dass Kruse zu jenen Fußballern gehörte, »die von Anfang an gesagt haben, sie möchten unbedingt mit zu Olympia, die sich aus Eigeninteresse immer wieder mal gemeldet haben.« Wo Löw den bequemen Weg ging, holt Kuntz unbequeme Typen ins Boot, um mit ihrer Integration einen Mehrwert für die Gruppe zu erzeugen. Der 272-fache Bundesligaspieler (85 Tore), der als hängende Spitze hinter Vereinskollege Cedric Teuchert eingeplant ist, sei »ein bisschen unangepasster, auf dem Platz unberechenbarer, aber auch abgezockter«.
Der 58-Jährige ist überzeugt, dass Kruse als durchaus eigenwillige Führungsfigur das große Ganze zusammenhalten kann, zumal nur noch vier der aktuellen U21-Europameister dabei sind: »Eine gewisse Lockerheit und ein guter Teamspirit müssen wieder da sein.« Durch die Corona-Restriktionen werde man »verdammt viel aufeinanderhängen: Wenn da intern etwas nicht stimmt, bekommst du nur ein laues Lüftchen raus und kein Power-Gebläse«. Kruse verspricht Kuntz: »Ich werde im Hotel für die gute Stimmung sorgen.« Und wenn dafür Spielkarten und Spielekonsole herhalten müssen.
Es ist natürlich vermessen, dass die deutsche Olympiaauswahl den Ansehensverlust der bei der Europameisterschaft erneut enttäuschenden A-Nationalmannschaft repariert. Aber Kruse möchte jetzt schon helfen, »dass der deutsche Fußball auf der Welt wieder zur Elite gehört.« Gerade Olympische Spiele seien ja ein Ereignis, bei dem Sportinteressierte aus aller Welt draufschauen würde. »Deshalb versuchen wir, jeden Deutschen stolz zu machen.« Er selbst würde sich übrigens gerne die Basketballer ansehen. Auch beim Fechten oder Tennis vorbeizuschauen, kann sich der Sportfan in Tokio gut vorstellen. Was voraussetzt, dass Kruse und Co. es bis in die Finalspiele schaffen, denn sonst bleibt die Tür ins Olympische Dorf verschlossen.
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