Toyota und Panasonic machen sich zum Spieleverderber
Der Rückzug des japanischen Autobauers und das Fernbleiben des Elektronikriesen treffen andere Olympia-Sponsoren hart
Toyota Deutschland will von einem Olympia-Boykott offiziell nichts wissen. Lieber weist der Konzern hierzulande auf seine Unterstützung der Hochwasseropfer an Aar und Ruhr hin: Kunden könnten sich an ihren Händler vor Ort wenden und kostenlos einen Ersatzwagen erhalten, wenn das eigene Auto fahruntüchtig ist. Doch kurz vor Beginn der Olympischen Spiele hat die Firmenzentrale in der japanischen Stadt Toyota ihre geplante Reklamekampagne überraschend gestoppt. Vorbereitete Spots mit Bezug auf das Sportereignis landen nun ungesendet im Archiv, teilte der Großsponsor der Spiele am Montag mit. Außerdem werde Toyota-Chef Akio Toyoda nicht an der Eröffnungszeremonie am Freitag teilnehmen.
»Wir werden keine kommerziellen Aktivitäten im Rahmen der Spiele in Japan unternehmen«, wird ein Konzernsprecher von Nachrichtenagenturen zitiert. Bei diesen Spielen in Corona-Zeiten werde vieles auf Unverständnis stoßen, hieß es zur Begründung. Offenbar fürchtet der neben Volkswagen weltweit größte Autoproduzent um sein Image. »Tokio 2020«, das weitgehend ohne Zuschauer stattfinden soll, könnte schnell den Ruf von Geisterspielen bekommen. Ohnehin ist in Japan laut Umfragen wegen Corona eine Mehrheit gegen die Eröffnung.
Nach dem Autoriesen gehen nun auch andere führende Vertreter der japanischen Wirtschaft auf Distanz. Der Elektronikriese Panasonic, ebenfalls Top-Sponsor, gab am Dienstag bekannt, Konzernchef Yuki Kusumi werde der Eröffnungszeremonie fernbleiben. So äußerten sich auch die Vorsitzenden des mächtigen Wirtschaftsdachverbandes Keidanren, des Unternehmerverbandes sowie der Industrie- und Handelskammer.
Dass mit Toyota und Panasonic die wohl wichtigsten Geldgeber auf Distanz gehen, ist eine bittere Nachricht für alle anderen Förderer. Nahezu 70 japanische Unternehmen haben umgerechnet rund 3,3 Milliarden US-Dollar (fast drei Milliarden Euro) für ihre Sponsorenschaft an das Internationale Olympische Komitee (IOC) unter seinem deutschen Präsidenten Thomas Bach überwiesen. Das schien lange gut angelegtes Geld zu sein. »Die Sponsoren und Partner haben als einzige Marken das Recht, die berühmten olympischen Ringe sowie die olympische Flamme in ihren Marketing-Aktivitäten zu nutzen«, erklärt das Sportmagazin »Ispo«.
Doch was sind die Exklusivrechte noch wert angesichts der Kritik im Land und ausbleibender Zuschauer, fragen Marketingexperten. Ursprünglich waren von den Veranstaltern 40 Millionen Touristen aus aller Welt erwartet worden. Das sollte neben zusätzlichen Einnahmen für die Wirtschaft auch das Prestige des Landes und seiner in anderen Regionen oft wenig bekannten Firmen aufpolieren. »Die Ausrichtung der Spiele soll ausstrahlen, dass mit Mut und Begeisterung alles erreicht werden kann«, hatte Japans Generalkonsulin in Deutschland, Kikuko Kato, kurz vor dem Rückzug Toyotas geworben.
Japan hat wegen der Coronakrise 2020 einen starken Wachstumseinbruch von 4,8 Prozent erlebt. Mit seinen 126 Millionen Einwohnern bleibt das Land dennoch hinter den USA und China die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Japan liegt zwar bei den Exporten im internationalen Ranking auf vorderen Plätzen, »jedoch anders als viele der asiatischen Nachbarn ist die japanische Wirtschaft weit weniger auf Ausfuhren angewiesen«, analysiert die deutsche Gesellschaft für Außenwirtschaft.
Bis Herbst soll die Bevölkerung auf dem Archipel durchgeimpft sein, verspricht der nationalkonservative Premierminister Yoshihide Suga, sodass sich die Wirtschaftsaktivitäten normalisieren dürften. Der Binnenkonsum und die hohe Kaufkraft sind - weit stärker als in Deutschland - wichtige Pfeiler der Volkswirtschaft. Hierauf hatten die meisten der japanischen Olympia-Sponsoren gesetzt, die wie Post oder Tokyo Gas überwiegend im Heimatland Geschäfte machen.
Irritationen dürfte der Toyota-Rückzug auch bei anderen Großsponsoren erzeugt haben. Die versuchen zwar, kein Öl ins Feuer zu gießen, und halten sich mit öffentlichen Äußerungen zurück. Doch auch ihr Engagement verliert durch Toyotas Alleingang faktisch an Wert. Neben TV-Verträgen sind die Sponsoren Haupteinnahmequellen des IOC: Zwei Milliarden Dollar nimmt der Olympia-Ausrichter allein durch seine 14 globalen Top-Sponsoren ein, darunter Weltmarken wie Alibaba, Coca-Cola oder Visa. Einzelne Sponsoren wie Toyota sollen bis zu 300 Millionen Dollar pro Vierjahreszyklus zahlen, der die Winterspiele von Pyeongchang und die Sommerspiele »Tokio 2020« umfasst. Deutsche Firmen finden sich unter den Olympia-Mäzenen nicht.
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