Für Total in den Krieg

Die Europäische Union beschließt für Wirtschaftsinteressen eine eigene Militärmission in Mosambik

  • Christian Selz, Kapstadt
  • Lesedauer: 3 Min.

Noch reichen die fünf Finger einer Hand. Bald wird die Militärmission der Europäischen Union das fünfte ausländische Kontingent im Norden Mosambiks sein. Die ehemalige Kolonialmacht Portugal, die künftig auch die EU-Mission in dem gasreichen Gebiet anführen soll, hat bereits 140 »Militärausbilder« in Mosambik vor Ort, auch die USA bilden mit einem kleinen Kontingent Spezialkräfte aus. Ab Herbst will die EU direkt militärisch in den Konflikt in Mosambiks nördlichster Provinz Cabo Delgado eingreifen. Das beschloss der Europäische Rat am 12. Juli. Ruanda hat in der vorvergangenen Woche 1000 Soldaten und Polizisten entsandt. Zudem bereitet die Staatengemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC), dieser Tage die bereits beschlossene Entsendung einer Eingreiftruppe vor.

Alle Missionen eint dasselbe vorgebliche Ziel: der Kampf gegen die Islamistenmiliz Ansar Al-Sunna. Die Gruppe, der eine Verbindung zum »Islamischen Staat« (IS) nachgesagt wird, hat in Cabo Delgado seit 2017 Attacken auf staatliche Institutionen verübt, seit dem vergangenen Jahr einige strategisch wichtige Städte überrannt und dabei auch Zivilisten getötet. Etwa 2500 Menschen sind in dem Konflikt bisher umgekommen, mehr als 700 000 nach Schätzungen der Vereinten Nationen auf der Flucht. Entsprechend erklärte die EU, ihre Truppe solle »den einheimischen bewaffneten Kräften helfen, die Zivilbevölkerung zu schützen und die Sicherheit in Cabo Delgado wiederherzustellen«.

Nichtregierungsorganisationen (NRO) vor Ort glauben allerdings nicht, dass ein rein militärischer Ansatz zielführend ist. Bereits Ende April hatten 30 von ihnen einen offenen Brief an die SADC gerichtet, die zu diesem Zeitpunkt noch über Entsendung und Gestaltung einer Mission debattierte. Darinmahnten die NRO, »die Lektionen aus ähnlichen Konflikten in Afrika zu berücksichtigen«. Mit Verweis auf die Sahelzone, Somalia und das Niger-Delta prognostizierten sie, »dass eine allein militärische Lösung (ohne Maßnahmen zur Behebung der Ursachen des Aufstands) die Wahrscheinlichkeit ihrer Ausweglosigkeit« erhöhe. Zudem sei es »unwahrscheinlich, dass sie den Weg zu einem nachhaltigen Frieden« ebneten. Dies gilt umso mehr, da dem mosambikanischen Militär wiederholt schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen wurden. Kritische Journalisten werden immer wieder verfolgt und bedroht. Selbst Menschenrechtsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen (MSF) klagen, dass ihre Arbeit durch die mosambikanischen Behörden behindert wird.

Die Regierung in Maputo will offensichtlich verhindern, dass über die grassierende Armut, das Versagen korrupter staatlicher Institutionen und die Vertreibungen von Einheimischen durch die Rohstoffkonzerne als mögliche Konfliktursachen berichtet wird. »Der derzeitige Fokus auf ›Terrorismus‹ dient ganz klar den politischen und ökonomischen Interessen derer, die in Mosambik intervenieren«, erklärte MSF-Analyse-Direktor Jonathan Whittall bereits im Mai.

Inzwischen ist ein förmliches Wettrennen um militärische Präsenz ausgebrochen. Mosambiks Regierung scheint dabei den SADC-Einsatz zugunsten des Engagements der EU und Ruandas auszubremsen. So weigerte sich Maputo bis in die vergangene Woche, der SADC die offizielle Anfrage für die Truppen zukommen zu lassen, sodass das ruandische Kontingent zuerst zum Einsatz kommen konnte. Ruanda wiederum handelt im Interesse Frankreichs, das innerhalb der EU am stärksten auf den Militäreinsatz drängte. Paris geht es vor allem um den Schutz des Rohstoffkonzerns Total, der - ebenso wie die italienische ENI und der US-Konzern ExxonMobil - ein gigantisches Gasvorkommen vor der Küste Cabo Delgados ausbeuten will. Allein für Total steht dort eine Investition von 20 Milliarden US-Dollar auf dem Spiel, Ende April jedoch stellte der Konzern seine Arbeit wegen des Vorrückens der Islamisten vorerst ein.

»Sobald in Cabo Delgado wieder Frieden herrscht, kehrt Total zurück«, erklärte Konzernchef Patrick Pouyanné dann am 17. Mai, einen Tag vor dem Staatsbesuch des mosambikanischen Präsidenten Filipe Nyusi in Paris. Anderthalb Wochen später flog sein Amtskollege Emmanuel Macron zuerst nach Ruanda und dann weiter nach Südafrika. In Pretoria versprach Macron noch, sich im Rahmen der SADC-Mission engagieren zu wollen. Der jetzige Alleingang der EU bedeutet das Gegenteil, der Einsatz des ruandischen Kontingents schürt gar regionale Interessenskonflikte. Die Prioritätensetzung der EU ist damit klar: Es geht ums Geschäft, nicht um Kooperation.

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