- Kommentare
- LGBTIQ
Von Schwulen und Homosexuellen
Um die LGBTQ-Community zu schützen dürfen Transpersonen nicht vergessen werden, findet Jeja Klein
Ende Juni taumelte Deutschland kollektiv im Regenbogenfieber. Damals ging es gegen die Ungar*innen, und wenn man »Ausländer*innen« deren Rückschrittlichkeit vorhalten kann, sind viele Deutsche gern bereit, die innere Grünenwählerin in sich hervorzukramen. Viktor Orbán ließ sich die Ansagen aus dem Westen nicht bieten und möchte nun, ganz Rechtspopulist, sein Volk über einige queerfeindliche Suggestivfragen abstimmen lassen. Doch wer die liest, darf sich wundern, worüber in Deutschland eigentlich diskutiert worden ist: Von fünf Fragen drehen sich drei um Transgeschlechtlichkeit und zwei um sexuelle Aufklärung. Beliebte Buzzwords wie »Homosexualität« oder »Schwule« finden sich im Katalog hingegen nicht.
Auslöser war ein Gesetz, das die »Propaganda« für Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit gegenüber Minderjährigen verbietet. Doch in der deutschen Mediendarstellung wurde daraus häufig ein homophobes, manchmal auch einfach »schwulenfeindliches« Gesetz. Die »Rheinische Post« titelte auf ihrem Online-Portal am 24. Juni etwa: »Gesetz zu Homosexualität in Kraft getreten«.
Um Geschlossenheit zu demonstrieren, mit der die Ungar*innen hinter ihrem »Gesetz zu Homosexualität« stehen, möchte Orbán sie unter anderem fragen, ob sie dafür seien, dass bei Kindern für »Geschlechtsumwandlungen« geworben werden dürfe, ob sie dafür seien, dass bei Kindern »Geschlechtsumwandlungen« durchgeführt würden und ob Kindern Medienberichte über »Geschlechtsumwandlungen« zugänglich sein sollten.
Doch dem liegen keine Übersetzungsfehler in Agenturen zugrunde. Bei ihrer Regierungsbefragung Ende Juni sagte Angela Merkel, von Beatrix »Kristel Mett« von Storch auf die »Einmischung« der EU in die Angelegenheiten Ungarns befragt, sie halte das ungarische Gesetz für falsch und mit ihren Vorstellungen von Politik nicht vereinbar. Dann folgte der Satz: »Wenn man homosexuelle, gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften erlaubt, aber die Aufklärung darüber an anderer Stelle einschränkt, dann hat das auch mit Freiheit von Bildung und ähnlichem zu tun.«
In den USA beobachten Antifaschist*innen, dass die radikale Rechte in den vergangenen Jahren einen Strategiewechsel vorgenommen hat. Deren teilweise öffentlich geäußerte Analyse: Kampagnen gegen die Gleichstellung von Homosexuellen, wie sie noch unter Bush prima funktionierten, erzeugen keine Spaltung und Verwerfung mehr. Doch wenn man transgeschlechtliche Menschen aus dem LGBTIQ-Akronym abspaltet, könne man polarisierende Mobilisierung erzeugen, ohne dabei die Mitte zu verschrecken.
Das ist unter anderem ein Grund dafür, warum nach der Abwahl Trumps der durch die republikanische Partei umgesetzte Ausgrenzungseifer gegenüber Trans weiter zugenommen hat. So wurden Gesetze verabschiedet, die transgeschlechtliche Kinder auf den Schulsport ihres Zuweisungsgeschlechts verweisen und solche, die es generell verbieten, medizinische Maßnahmen zur Transition bei Jugendlichen einzuleiten. In Los Angeles kommt es seit Wochen zu transfeindlichen Ausschreitungen. Die LGBTIQ-Organisation Human Rights Campaign stellte bereits im Herbst 2020 fest, dass sich die Zahl der Morde an transgeschlechtlichen Personen in den USA auf einem Allzeit-Hoch befindet. Und in Ungarn findet die politische Entrechtung von Trans ebenfalls seit Jahren statt.
Es ist heuchlerisch, auf diese Politiken mit einem Schulterschluss mit Homosexuellen, im schlimmsten Fall sogar mit »Schwulen«, zu reagieren. Denn dem Ziel der Auslöschung von Informationen über die transgeschlechtliche Bevölkerung, von Trans-Rechten und damit der Trans-Bevölkerung selbst, widerspricht dieser Gestus in keiner Weise. Wenn es selbst Politiker*innen und Journalist*innen, die sich sonst der Gleichstellung verschreiben, unangenehm ist, das Wörtchen »trans« in den Mund zu nehmen, zeigt das nur: Die Strategie dieser globalen Rechten ist gefährlich, weil sie Erfolg versprechend ist. Dagegen hilft nur eins: transgeschlechtliche Menschen demonstrativ öffentlich anzuerkennen und zu unterstützen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.