Ein echter Johnson

Peter Steiniger zum Post-Brexit-Streit über das Nordirland-Protokoll

Wie gewonnen, so zerronnen: Was war das für ein langes Gezerre um das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen Brüssel und der EU, das den Brexit nach dem Ende der Übergangsfrist abfedern soll. Erst zum 1. Mai konnte es endgültig in Kraft treten. Verhindern soll es, dass sich der nunmehrige Drittstaat Großbritannien im Konkurrenzkampf mit der EU unlautere Voreile verschafft. Zumal die Regierung von Boris Johnson nicht unbedingt im Ruf britischer Fairness steht.

Auch die Tinte unter diesem Deal war noch nicht trocken, da machte Johnson bereits klar, dass er für ihn rein empfehlenden Charakter hat. Die Regelungen haben den Handel erschwert, bürokratische Hemmnisse geschaffen. So geht Brexit nun mal. Nun droht der Premier damit, das heikle Nordirland-Protokoll zu kippen. Dabei weiß die britische Seite, dass für Brüssel eine Neuverhandlung nicht zur Debatte steht. Mit der Drohung eines Ausstiegs aus dem Protokoll nach Artikel 16 erhöht London den Druck auf Brüssel, zögert seine Umsetzung hinaus. Innenpolitisch möchte man für die nordirischen Unionisten, die eine irische Wiedervereinigung durch die Hintertür EU fürchten, ein Zeichen setzen.

Johnson spielt mit zwei Feuern. Der Streit um die Handelshemmnisse könnte Großbritannien am Ende Strafzölle bescheren. Vor allem droht eine Wiederbelebung des seit dem Karfreitagsabkommen 1998 eingefrorenen Konflikts zwischen katholischen irischen Nationalisten und protestantischen Unionisten. Denn fallen die Kontrollen von Warenlieferungen zwischen Nordirland und Großbritannien weg, die Irische See als Zollgrenze zum EU-Binnenmarkt, müsste eine solche über die Insel verlaufen. Schließlich kann die Europäische Union eine unkontrollierte Einfuhr von Gütern weder unter wirtschaftlichen noch sicherheitspolitischen Gesichtspunkten dulden. Doch eine harte innerirische Grenze ist weder realisierbar noch wünschenswert. Londons Muskelspiel riskiert den Frieden in Nordirland.

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