Unzulässig bei angeordneter häuslicher Quarantäne
Kündigungen in Corona-Zeiten
Die Antwort vorweg: nein. Kündigt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer wegen einer behördlich angeordneten häuslichen Quarantäne während einer Virus-Pandemie, so ist die Kündigung unwirksam. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber wegen des verzögerten Zugangs der schriftlichen Quarantäne-Anordnung Zweifel hat und vom Arbeitnehmer die Arbeitsleistung fordert. Dies entschied das Arbeitsgericht Köln (Az. 8 Ca 7334/20) mit Urteil vom 15. April 2021.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein bei einem Dachdeckerbetrieb angestellter Monteur erhielt im Oktober 2020 einen Anruf vom Gesundheitsamt, durch den ihm gegenüber eine häusliche Quarantäne angeordnet wurde. Der Monteur hatte Kontakt zu einer mit dem Corona-Virus infizierten Person.
Da sich die Zusendung der schriftlichen Bestätigung der Quarantäne-Anordnung wegen der Vielzahl der vom Gesundheitsamt zu bearbeitenden Fälle verzögerte, zweifelte der Arbeitgeber die Quarantäne-Anordnung an und verlangte vom Monteur zur Arbeit zu erscheinen. Da sich dieser weigerte, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. Dagegen richtete sich die Kündigungsschutzklage des Monteurs.
Das Arbeitsgericht Köln entschied zu Gunsten des Klägers. Zwar komme das Kündigungsschutzgesetz nicht zur Anwendung, da es sich bei dem Betrieb des Beklagten um einen Kleinbetreib handelte. Dies führe aber nicht zur grenzenlosen Zulässigkeit von Kündigungen. Der Arbeitnehmer sei jedenfalls von willkürlichen Kündigungen geschützt. So lag der Fall hier.
Warum unwirksame Kündigung?
Nach Auffassung des Arbeitsgerichts erweise sich eine Kündigung im unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer behördlich angeordneten häuslichen Quarantäne jedenfalls dann als willkürlich, wenn der Arbeitgeber aufgrund des verzögerten Eingangs einer schriftlichen behördlichen Bestätigung der Quarantäne diese bezweifelt und den Arbeitnehmer insofern der Drucksituation aussetzt, entweder gegen die behördliche Quarantäne zu verstoßen oder aber seinen Arbeitsplatz zu verlieren.
Zudem sei der Arbeitgeber ausreichend geschützt, so das Arbeitsgericht. Er könne nämlich nach § 56 Abs. 5 Satz 3 IfSchG die an den Arbeitnehmer ausgezahlte Vergütung während der behördlich angeordneten Quarantäne vollständig erstattet verlangen. Es wäre paradox, wenn dem Arbeitnehmer in dieser Konstellation noch zusätzlich ein Sonderopfer abverlangt würde, dass dieser aufgrund der Quarantäne auch noch seinen Arbeitsplatz verliert, während der Arbeitgeber privilegiert wird. Er könne sich bei einer Quarantäne sofort vom Arbeitnehmer trennen und einen sofort einsetzbaren Arbeitnehmer einstellen.
Fristlose Kündigung trotz »Rotzlappenbefreiung«
Ein Servicetechniker hat wegen seiner Weigerung zum Tragen einer Mund-Nasen-Maske nach Auffassung eines Gerichts eine wirksame Kündigung erhalten.
Der Fall war am Arbeitsgericht Köln (Az. 12 Ca 450/2) mit Urteil vom 17. Juni 2021 verhandelt worden. Der Kläger sei als Techniker im Außendienst beschäftigt gewesen. Wegen der Corona-Pandemie habe ihm sein Arbeitgeber - wie allen Technikern - die Anweisung erteilt, bei Kunden eine Maske zu tragen.
Im Dezember 2020 habe sich der Mann dann geweigert, einen Auftrag bei einem Kunden auszuführen, der ausdrücklich auf einen Mund-Nasen-Schutz bestanden habe. Dafür reichte er den Angaben zufolge unter dem Betreff »Rotzlappenbefreiung« ein Attest vom Juni 2020 ein, in dem gestanden habe, eine Maske sei für ihn »unzumutbar«.
Erst abgemahnt, dann gekündigt
Der Arbeitgeber erkannte das Attest, das auf Blankopapier ausgestellt gewesen sein soll, nicht an. Da der Mann den Auftrag weiterhin abgelehnt habe, sei er zunächst abgemahnt worden, so das Gericht. Nachdem er erklärt habe, nur dann in der Sache arbeiten zu wollen, wenn er keine Maske tragen müsse, sei ihm gekündigt worden.
Das Gericht wies die Kündigungsschutzklage des Mannes nun ab. Mit seiner Weigerung habe er wiederholt gegen seine Verpflichtungen verstoßen. Das Attest sei zudem nicht aktuell und ohne konkrete Diagnose gewesen. Darüber hinaus bestünden Zweifel an der Ernsthaftigkeit der behaupteten medizinischen Einschränkungen, da der Mann den Schutz selbst als »Rotzlappen« bezeichnet habe. Gegen das Urteil ist Berufung möglich.
Die Drohung mit der Krankschreibung
Die Drohung mit einer Krankschreibung, um damit die Änderung des Dienstplanes zu erzwingen, stellt eine erhebliche Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten dar.
Das rechtfertigt an sich eine fristlose Kündigung. So hat das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (Az. 5 Sa 319/20) mit Urteil vom 20. Mai 2021 entschieden.
Im Juni 2020 drohte eine in einer Bäckereifiliale in Mecklenburg-Vorpommern angestellte Verkäuferin mit einer Krankschreibung, sollte der Dienstplan nicht wie von ihr gewünscht geändert werden. Hintergrund waren Spannungen unter den Mitarbeitern der Filiale. Wegen der angedrohten Krankschreibung erklärte die Arbeitgeberin die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Der Verkäuferin war schon kurz zuvot eine ordentliche Kündigung mit Wirkung Ende Juli 2020 ausgesprochen worden. Gegen die fristlose Kündigung erhob die Verkäuferin Klage.
Pflichtverletzung nicht erwiesen
Das Arbeitsgericht Schwerin gab der Klage statt. Eine Pflichtverletzung sei nach Ansicht des Gerichts nicht erwiesen. Es sei nicht auszuschließen, dass die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen an einer Tätigkeit in der Spätschicht gehindert war. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Berufung der Beklagten.
Das Landesarbeitsgericht entschied, dass das Verhalten der Klägerin an sich einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstellt. Die Klägerin habe ihre arbeitsvertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme erheblich verletzt, indem sie mit einer Krankschreibung drohte. Damit habe sie die Beklagte in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt. Die Pflichtwidrigkeit der Ankündigung einer Krankschreibung bei nicht bestehender Erkrankung im Zeitpunkt der Ankündigung liege darin, dass der Arbeitnehmer mit einer solchen Erklärung zum Ausdruck bringt. Er sei notfalls bereit, seine Rechte aus dem Entgeltfortzahlungsrecht zu missbrauchen, um sich einen unberechtigten Vorteil zu verschaffen. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer später (zufällig) tatsächlich erkrankt.
Letztlich hielt aber auch das Landesarbeitsgericht die fristlose Kündigung für unwirksam. Denn es sei der Beklagten unter Abwägung der Interessen zumutbar gewesen, das Arbeitsverhältnis noch einen Monat bis zur Eigenkündigung fortzusetzen. Es sei zu beachten, dass es sich bei der Androhung um eine spontane Reaktion gehandelt habe, in der sich letztlich die schon längere Spannungen entluden. kostenlose-urteile.de/nd
Koch tritt aus Kirche aus - Kündigung nicht rechtens
Die Arbeit eines Kochs ist nicht mit dem Verkündigungsauftrag der Kirche verbunden. Eine evangelische Gemeinde darf ihrem Mitarbeiter in der Küche daher nicht kündigen, wenn er aus der Kirche austritt.
Das berichtet die AG Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) über eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (Az. 4 Sa 27/20) vom 10. Februar 2021.
Der Mann arbeitet als Koch bei einer evangelischen Gesamtkirchengemeinde, zuletzt in einer Kita. Die Gemeinde betreibt rund 50 Kindertageseinrichtungen. Als sie erfuhr, dass der Mitarbeiter aus der Kirche ausgetreten war, kündigte sie ihm fristlos.
Kein Erziehungsauftrag für Kirche
Die Kündigungsschutzklage des Mannes hatte Erfolg. Die Tätigkeit eines Kochs in einer Kita sei nicht mit dem Verkündigungsauftrag der Kirche verbunden, erläuterte das Landesarbeitsgericht. Der Mann leiste keinerlei unmittelbaren Beitrag zum Erziehungsauftrag der religiösen Bildung für die betreuten Kinder. Die Kündigung sei daher nicht gerechtfertigt - sie stelle eine »unzulässige Benachteiligung« dar, so das LAG weiter.
Die Küchenmitarbeiter hätten zu den Kindern im Wesentlichen nur dann Kontakt, wenn sie Getränke ausgäben. Der Mitarbeiter nehme an Teamsitzungen mit dem pädagogischen Personal nur etwa alle zwei Wochen teil, wenn es um organisatorische Fragestellungen gehe. Weder im Hinblick auf die Tätigkeit des Klägers als Koch noch im Hinblick auf die Umstände der Tätigkeit stelle die Loyalitätserwartung des Arbeitgebers, nicht aus der Kirche auszutreten, eine wesentliche und berechtigte Anforderung dar. DAV/nd
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