Aus dem Paradies auf die Bühne
Demis Roussos: »Forever and ever«
Irgendwann, nach zu vielen Schlager- und Bad-Taste-Partys, verschmelzen alle Lieder zu einem klebrigen, zähen Fondue. »Die Biene Maja«, »das Mädchen Carina«, »Michaela«, »Anita«, »Anuschka«, »Babička«, »Marleen« - alles Käse, der Gehörgänge und Herzbahnen verstopft. Man hat sich sattgehört.
Dann stirbt der Grieche Demis Roussos (1946-2015) - den hatte man auch unter »Schlagerzombies« abgelegt - und aus Chronistenpflicht heraus klickt man sich ein wenig durch alte Aufnahmen, wundert sich, dass so einer mehrfach in der ZDF-Popsendung »Disco« auftreten durfte, und bleibt schließlich an »Forever and ever« hängen.
Schlagersänger waren früher multilingual. Roussos’ Landsmännin Vicky Leandros veröffentlichte Lieder in acht verschiedenen Sprachen. Auch Roussos selbst versuchte sich an englischen Songs. Doch auffälliger als sein Akzent war seine Aura. Sofort macht es Klick. Man sieht das Leuchten in den Augen - der Mann strahlt von innen heraus - und der Funke springt über. Man ist ergriffen, fassungslos, sprachlos, noch bevor er auch nur eine Silbe gesungen hat. So viel Freude, Lebenslust, Glück. Es ist zu viel. Man kapituliert.
Mit einem Mal versteht man, warum ihn die Menschen dieser chronisch schlecht gelaunten Nörglerrepublik damals geliebt haben: Demis Roussos war ein Versprechen. Eine Verheißung. Er vermittelte den Eindruck, als wäre er auf direktem Weg vom Paradies auf die Bühne gekommen.
Also musste es das Paradies auch geben - »nichts wie hin, dort will ich auch sein!« Und plötzlich sieht man Griechenland mit ganz anderen Augen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.