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Verfassungsklagen gegen bayerisches Polizeiaufgabengesetz

Mehrheit aus CSU und Freien Wählern stimmte im Landtag für Novelle - Opposition und Zivilgesellschaft beklagen Grundrechtseinschränkungen

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 4 Min.

Schon seit Jahren werden in verschiedenen Bundesländern Polizei- und Versammlungsgesetze massiv verschärft. Großdemonstrationen, Klagen und breite gesellschaftliche Bündnisse konnten in bestimmten Aspekten zwar mitunter Teilerfolge und auch Abschwächungen der Grundrechtseinschränkungen erreichen. Der politische Wille, die Exekutive auf der Straße und vor Gericht zu stärken, ist jedoch ungebrochen.

Zuletzt hat der bayerische Landtag eine Reform des Polizeiaufgabengesetzes des Freistaats beschlossen - trotz massiver Kritik der Opposition und Zivilgesellschaft. Die Mehrheit aus CSU und Freien Wählern stimmte am Dienstag vergangener Woche für die Novelle. Die Opposition, darunter die Grünen, SPD und FDP, votierten mit Nein. Mehr als 2000 Menschen hatten jüngst auf Einladung des »noPAG-Bündnisses« auf der Münchner Theresienwiese gegen die Gesetzesverschärfung protestiert.

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Der SPD-Rechtsexperte Horst Arnold kritisierte nach dem Landtagsbeschluss, die bayerische Polizei bekomme damit mehr Rechte als das Bundeskriminalamt bei der Terrorbekämpfung. Vor allem die zweimonatige Dauer des Polizeigewahrsams sei viel zu lang, die Definition der »drohenden Gefahr«, die bestimmte Kompetenzen regelt, zu schwammig. Mehrere Vorschriften seien letztlich verfassungswidrig. Man werde deshalb vor den Bayerischen Verfassungsgerichtshof ziehen.

Neben der Linkspartei sprachen sich auch die Grünen für diesen Schritt aus. »Erneut werden die Gerichte die CSU in ihre Schranken weisen müssen«, sagte Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze vergangenen Mittwoch. »Wir Grüne werden für ein bürgerrechtsfreundliches Polizeigesetz kämpfen.« Der Grünen-Abgeordnete Martin Runge kritisierte, einige Regelungen seien zwar abgemildert worden, dennoch bleibe es dabei: »Das derzeitige Polizeiaufgabengesetz ist ein bürgerrechtlicher Alptraum.«

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte das Gesetz verteidigt: Man wolle »Straftaten verhüten, Gefahren abwehren und Opfer schützen«. Gegen das Gesetz in seiner bisherigen Fassung liegen bereits seit Jahren mehrere Verfassungsklagen vor. Über diese wurde bislang noch nicht entschieden.

Das Bundesverfassungsgericht hat derweil eine Beschwerde gegen das baden-württembergische Polizeigesetz als unzulässig zurückgewiesen. Im Kern ging es den Beschwerdeführern um die Frage, ob Behörden IT-Sicherheitslücken geheim halten dürfen, um sie für sich zu nutzen. Gegen die Regelung zum sogenannten Staatstrojaner hatten auf Initiative der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) mehrere Verbände geklagt, darunter der Chaos Computer Club Stuttgart.

Die Karlsruher Richter wiesen in einem am 21. Juli veröffentlichten Beschluss die Beschwerde jedoch zurück. Die Beschwerdeführer hätten nicht hinreichend dargelegt, inwieweit sie in ihren Grundrechten verletzt seien, hieß es zur Begründung. Zudem hätten sie zunächst den normalen Rechtsweg beschreiten müssen. Zugleich betonte das Verfassungsgericht die Schutzpflicht des Staates bei IT-Sicherheitslücken. Behörden bräuchten Regeln, wenn sie zur Gefahrenabwehr Sicherheitslücken für eine Überwachungssoftware nutzen. Auch müssten sie deren Ausnutzung gründlich abwägen.

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Aus Sicht der GFF entspricht die Rechtslage in Baden-Württemberg diesen Vorgaben nicht. GFF-Chef Ulf Buermeyer begrüßte dennoch den Richterspruch: »Die Entscheidung ist ein großer Erfolg für die IT-Sicherheit.« Die Politik müsse Vorkehrungen treffen, damit Cyber-Kriminelle und ausländische Geheimdienste nicht von Sicherheitslücken profitieren, die deutsche Behörden bewusst nicht schließen lassen. Die Enthüllungen rund um die Pegasus-Software des israelischen Herstellers NSO zeigten, wie wichtig dies sei, um zum Beispiel Journalisten und Menschenrechtler weltweit zu schützen.

Die GFF hat gegen sieben weitere Gesetze Verfassungsbeschwerde eingelegt, die den Einsatz von Staatstrojanern erlauben. Darüber hinaus plant sie Klagen gegen den Einsatz der Spähsoftware durch Verfassungsschutzämter und den Bundesnachrichtendienst.

Verfassungsbeschwerden stehen darüber hinaus auch zu Polizeigesetzen in anderen Bundesländern aus. Trotz Kritik von Zivilgesellschaft und Sachverständigen beschloss etwa auch die Koalition aus CDU und SPD in Sachsen im Frühjahr 2019 die Verschärfung des dortigen Polizeirechts. Linke und Grüne legten dagegen Verfassungsbeschwerde ein. Auch darüber ist noch keine Entscheidung gefallen. mit Agenturen

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