Britischer Geheimdienst schaut weg
Das Attentat der Real IRA in Omagh spielte London beim Nordirland-Konflikt in die Karten
Die Aussage des Höchstrichters Mark Horner hat es in sich: Der britische Geheimdienst hätte vorab ausreichend Informationen über den geplanten Anschlag gehabt. Horner rief nun die Regierungen in London und Dublin auf, einen unabhängigen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Die Regierung in London versucht aber, weiterhin zu blocken - seit zwei Jahrzehnten versuchen Hinterbliebene der Opfer Antworten zu bekommen.
Am 15. August 1998 detonierte in der nordirischen Stadt Omagh eine Autobombe, 29 Menschen starben. Zu dem Anschlag bekannte sich die Real IRA (RIRA), die sich zuvor von der Untergrundorganisation IRA abgespalten hatte. Sie lehnte den Friedensprozess und das im April 1998 unterzeichnete sogenannte Karfreitagsabkommen ab.
Für den Anschlag in Omagh wurde bisher niemand strafrechtlich belangt, doch seit zwei Jahrzehnten versuchen Hinterbliebene der Opfer auf zivilrechtlichem Weg Antworten zu bekommen. Einige hat ihnen nun Mark Horner geliefert.
Im Juli 1997 hatte die IRA einen Waffenstillstand ausgerufen. Die Forderungen der britischen Regierung, die paramilitärische IRA müsse entwaffnet werden, stieß auf herben Widerstand unter Republikanern. Langjährige IRA-Mitglieder um den Quartiermeister Michael McKevitt lehnten eine Entwaffnung der IRA ab, solange die britische Armee in Nordirland stationiert ist. McKevitt und seine Gefolgsleute verließen die IRA und begannen im Frühjahr 1998 eine Anschlagsserie. Die RIRA war zwar klein, aber erfahren und hatte Zugriff auf die IRA-Waffenlager. Sie gewann rasch an Unterstützung unter republikanischen Hardlinern. Das bekannteste Gesicht ihres politischen Flügels war Bernadette Sands, die Schwester des IRA-Hungerstreikenden Bobby Sands.
Die RIRA baute im August eine 230 Kilogramm schwere Autobombe. Das Anschlagsziel war das Gerichtsgebäude in Omagh, doch die Fahrer fanden keinen geeigneten Parkplatz, so stand die Autobombe 400 Meter davon entfernt. Währenddessen gingen drei Warnanrufe ein. Mit dem Kennwort »Marta Pope« erklärte ein RIRA-Mitglied, dass eine Bombe beim Gebäude positioniert wurde. Die Polizei evakuierte die nahe Umgebung des Gebäudes und trieb so Passanten zur eigentlichen Bombe. Als diese detonierte, starben 29 Menschen und 220 Personen wurden verletzt.
Bereits seit Jahren ist aus Gerichtsprotokollen bekannt, dass der Geheimdienst detaillierte Informationen über die RIRA-Aktivitäten am Tag des Anschlags und davor hatte. Sogar das im Auto mitgeführte Mobiltelefon war geortet worden. Der Geheimdienst hatte also nicht nur vorab Informationen über den Anschlagsplan, sondern auch, wo der genaue Standort der Autobombe war.
Dies bestätigte letzte Woche auch der Höchstrichter Horner in einem Zivilverfahren, das Hinterbliebene angestrengt hatten: »Es ist sehr wahrscheinlich«, so Horner, »dass die britischen Behörden bei aktiverem Verhalten den Anschlag verhindern hätten können«. London schweigt zu diesen Vorwürfen.
Aufgrund der Tragödie von Omagh war es der britischen Regierung gelungen, im katholischen Lager jegliche republikanische Opposition gegen das Karfreitagsabkommen mundtot zu machen. Am 20. August rief die RIRA einen einseitigen Waffenstillstand aus, der zwei Jahre hielt. Beobachter vermuten, dass der Geheimdienst die 29 Toten bewusst in Kauf nahm, um bewaffnete Republikaner zu diskreditieren.
Erst Mitte Juli verkündete der britische Staatssekretär für Nordirland, Brendon Lewis, eine Generalamnestie für alle Straftaten während des Nordirlandkonflikts. Diese würde jegliche Aufarbeitung des Konflikts unterbinden. Hinterbliebene befürchten, dass dadurch die Rolle des Geheimdienstes im Anschlag von Omagh für immer ungeklärt bleibt. Es spricht einiges dafür, dass sie recht behalten werden, ohne Recht zu bekommen.
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