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- Klimakrise Ahrweiler
Langfristige Schäden nach der Flut
Neben den Menschen leiden auch Natur- und Tierwelt nach den Überschwemmungen in Westdeutschland
Der Kreis Ahrweiler hätte seine Bevölkerung früher warnen können und müssen. Dieser Vorwurf steht im Raum. Nach Medienberichten gab es konkrete Hochwasserwarnungen des rheinland-pfälzischen Landesamts für Umwelt. Schon am Nachmittag des 14. Juli wurde ein erhöhter Pegelstand prognostiziert, am frühen Abend gab es eine Korrektur nach unten, die jedoch schnell aufgehoben wurde. Um 21:26 Uhr wurde die Kreisverwaltung von Ahrweiler über einen prognostizierten Pegelstand von 6,9 Metern informiert, fast doppelt so hoch wie der bisherige Rekordstand von 2016.
Die Kreisverwaltung reagierte allerdings erst um 23:15 Uhr und ordnete eine Teilevakuierung an. Zu spät, zu diesem Zeitpunkt stand das Wasser zu hoch, einzelne Häuser waren schon weggerissen worden. Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) versprach gegenüber der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«, dass der Flutabend »exakt aufgearbeitet« werde. Gleichzeitig erklärte er, dass die Ahrweiler Kreisverwaltung für die Einsatzleitung vor Ort zuständig gewesen sei. Der zuständige Landrat Jürgen Pföhler (CDU) weist bisher jede Verantwortung für eine zu späte Warnung zurück. Warn- und Alarmierungssysteme seien für die Katastrophe nicht vorbereitet gewesen.
Die Staatsanwaltschaft prüft die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung. Dabei gehe es um möglicherweise unterlassene oder verspätete Warnungen oder Evakuierungen der Bevölkerung, teilte die Koblenzer Behörde am Montag mit.
Gut zweieinhalb Wochen nach der Flut ist die Lage im Ahrtal weiterhin prekär. Zwar gibt es gute Meldungen, dass am Samstag eine vom THW gebaute Behelfsbrücke eröffnet werden konnte, aber von Normalität ist die Region noch weit entfernt. Amtsärzte haben erhebliche Mängel in der medizinischen Grundversorgung in den Hochwassergebieten kritisiert. Die Situation sei »nach wie vor erschreckend« und in den betroffenen Regionen herrsche Seuchengefahr, sagte die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes, Ute Teichert, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Der Flutabend soll exakt aufgearbeitet werden
Es gebe keine Hinweise auf eine solche Gefahr, sagte dagegen der Präsident der Landesärztekammer, Günther Matheis, auch nicht von der Kassenärztlichen Vereinigung. Natürlich seien Arztpraxen geschlossen, doch es seien etwa von Apotheken Notdienste eingerichtet worden und mobile Arztpraxen im Einsatz, um die Versorgung der Menschen zu sichern. Die Gesundheit der Bevölkerung in den Katastrophengebieten sei »massiv bedroht, weil die Infrastruktur nicht funktioniert«, hatte Teichert kritisiert. Unter anderem seien in einigen Orten Krankenhäuser und Praxen zerstört worden. Teichert, die bis 2012 das Gesundheitsamt im flutbetroffenen Landkreis Ahrweiler leitete, erklärte, dass viele Menschen ohne dringend benötigte Medikamente auskommen müssten. Das sei besonders für Menschen mit Krankheiten wie Diabetes oder Herzleiden ein großes Problem, hieß es. Nun sei es wichtig, mobile Arzteinheiten zu organisieren und in die Orte zu bringen.
Natur- und Tierwelt haben massive Schäden genommen. In den Flutgebieten wurden Autos und Heizöltanks zerstört. Benzin und Öl konnten sich ungehindert ausbreiten. Auch Reinigungsmittel, die etwa in Kellern lagerten, haben sich verteilt. Im Ahrtal wurden zudem fast alle Kläranlagen zerstört oder schwer beschädigt. Wo es schon wieder Wasser gibt, gelangt es ungefiltert in den Fluss. Die Ahr, die ein sehr sauberer Fluss war, gleiche einer Kloake, berichten Anwohner.
Monika Hachtel ist Diplom-Biologin und Mitglied im Landesvorstand des nordrhein-westfälischen Naturschutzbunds Deutschland (Nabu). In den vergangenen Wochen war sie zum Helfen im Ahrtal und in Bad Münstereifel. Bevor sie mit dem »nd« über die Folgen für die Pflanzen- und Tierwelt spricht, erzählt sie vom menschlichen Leid, das sie in den Hochwassergebieten gesehen hat. Viele Existenzen seien vernichtet worden. Das sei die schlimmste Folge des Hochwassers, so Hachtel. Sie sagt, dass es sich beim Hochwasser auch um eine »Umweltkatastrophe« handele, und kann dafür zahlreiche Beispiele aufzählen. Etwa die Müllberge, die jetzt in den betroffenen Gebieten aufgetürmt werden. »Recycling ist jetzt in der Katastrophe nicht möglich, andere Sachen sind gerade wichtiger«, trotzdem sei das besorgniserregend.
Es werde zwar darauf geachtet, dass etwa Kühlschränke nicht mit dem normalen Müll zusammengetragen werden, bei vielen anderen Materialien sei das aber nicht so. Auch die Landwirtschaft sieht Hachtel bedroht, »Weiden, Wiesen und Äcker sind mit Schlamm überflutet. Man weiß nicht, inwieweit dieser kontaminiert ist.« Auf manchen Feldern sei möglicherweise über Jahre keine Tierhaltung oder der Anbau von Nutzpflanzen möglich. Als konkretes Beispiel nennt sie die Gegend um Kall und Mechernich im Kreis Euskirchen. Wegen des Erzbergbaus gibt es hier schon seit langem Bleibelastungsgebiete, in denen besondere Schutzmaßnahmen für den Gemüseanbau gelten. Dort müsse »untersucht werden, welche Folgen das Hochwasser für die Umwelt hat«, erklärt die Biologin.
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