Wirkungsloser Klima-Zoll

UN-Organisation kritisiert geplante EU-Abgabe wegen der Folgen für arme Länder

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Europäische Union erwägt im Rahmen des »Green Deal« die Einführung eines sogenannten CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM), eine Art Zoll, die auf kohlenstoffintensive Importe aus Drittstaaten erhoben wird. Er soll als klimapolitischer Hebel wirken und verhindern, dass eine künftig strenger regulierte Wirtschaft in der EU gegenüber der Konkurrenz aus dem Ausland ins Hintertreffen gerät.

Der Teufel steckt aber mal wieder im Detail. Die Europäische Union hat sich bekanntlich ambitioniertere Klimaziele gesetzt. »Um diese zu erreichen, soll wie bisher der Emissionshandel als wichtiges Instrument genutzt werden«, schreibt Susanne Dröge von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in einer Studie zum Klima-Zoll. Im Europäischen Emissionshandelssystem sind seit 2005 alle großen Anlagen zur Erzeugung von Strom und Wärme zur Teilnahme verpflichtet. Außerdem müssen große Industrieanlagen wie Stahlwerke, Raffinerien und Zementfabriken sowie künftig die Luftfahrt CO2-Zertifikate für ihre Treibhausgasemissionen vorweisen. Anfangs wurden die meisten Papiere kostenlos verteilt. Doch über die Jahre wird dieser Anteil immer mehr reduziert; ebenso sinkt die jährlich verfügbare Gesamtmenge. Daher müssen immer mehr Firmen Zertifikate zukaufen. »Der CO2-Preis aus dem Handel mit Emissionsberechtigungen wird daher steigen«, erwartet Dröge. Tatsächlich kostete im Durchschnitt des vergangenen Jahres ein Zertifikat für eine Tonne Kohlenstoff knapp 25 Euro, im Januar stieg der Preis auf über 33 Euro und im Juni auf mehr als 52 Euro. Davon seien vor allem Unternehmen aus energieintensiven Industriesektoren betroffen, so die Expertin. »Da sie im internationalen Wettbewerb stehen, besteht das Risiko, dass sie ihre Produktion und damit die CO2-Emissionen in Nicht-EU-Länder verlagern.«

Um eine solche »Carbon Leakage« zu verhindern, will die EU-Kommission den CO2-Grenzausgleichsmechanismus einführen. Die Höhe der Abgabe auf Importe soll dem Preis des EU-Emissionshandels entsprechen. Der CBAM würde vor allem Importe aus Staaten mit laxen Umweltstandards verteuern.

International findet dieser Plan viel Aufmerksamkeit, denn es geht um ein neues Instrument im Welthandel. Manche Länder erwägen ein ähnliches Vorgehen, andere werfen der EU Abschottung ihrer Märkte vor. Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) spricht von einem »schwierigen Dossier«, könnte doch der Klima-Zoll international als Protektionismus verstanden werden, was zu Handelsstreitigkeiten etwa mit China und den USA führen würde.

Auch könnte der Klima-Zoll gegen die Regeln der Welthandelsorganisation verstoßen. Eine WTO-gemäße Ausgestaltung könnte allerdings gelingen, ist Dröge überzeugt. Dazu müssten die Einnahmen aus dem CBAM »konsequent« für klimapolitische Maßnahmen im In- und Ausland ausgegeben werden.

Die Kommission solle den Klima-Zoll »überdenken«, fordert hingegen Götz Reichert vom stark wirtschaftsliberal orientierten Centrum für Europäische Politik (CEP) in Freiburg. Der Jurist hat mit der Pariser Kollegin Marion Jousseaume und dem Volkswirt Martin Menner eine Studie verfasst, in der sie kritisieren, dass die Kommission zugunsten von EU-Exporteuren keinen CO²-Grenzausgleich plant. Die Folge: Europäische Unternehmen würden nur im EU-Binnenmarkt, nicht jedoch auf dem Weltmarkt vor billigen Klimasündern geschützt. »Sie erleiden dadurch erhebliche Wettbewerbsnachteile«, sagt Menner. Wandern die Firmen in Länder mit niedrigeren Klimaschutzauflagen ab, drohe sowohl ein Verlust an Wertschöpfung und Arbeitsplätzen als auch ein Anstieg der globalen CO2-Emissionen.

»Die Auswirkungen auf Entwicklungsländer müssen ebenfalls berücksichtigt werden«, fordert zudem Isabelle Durant, Generalsekretärin der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (Unctad). Die Exporte von armen Ländern aus kohlenstoffintensiven Sektoren würden um 1,4 Prozent reduziert, wenn der Preis für eine Tonne CO2 44 Dollar beträgt, heißt es in einer aktuellen Unctad-Studie. Bei einem Preis von 88 Dollar wären es 2,4 Prozent – zurzeit kostet ein Zertifikat etwa 60 Dollar. Die Auswirkungen würden je nach Exportstruktur und CO2-Produktionsintensität von Land zu Land stark variieren, aber die Industriestaaten als Gruppe würden keine Exportrückgänge erleiden.

Außerdem wäre laut der UN-Organisation die Wirkung bei der Eindämmung des Klimawandels begrenzt. Ein Klima-Zoll der EU würde die weltweiten CO2-Emissionen lediglich um 0,1 Prozent reduzieren. Die Unctad hält mit Blick auf eine klimaverträglichere Wirtschaft etwas anderes für wirkungsvoller: »Um die Emissionen wirksam zu reduzieren, sind effizientere Produktions- und Transportverfahren erforderlich.«

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