Alle Macht dem Klimaschutzminister

Die Grünen stellen ihr Sofortprogramm für die Zeit nach der Bundestagswahl vor

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Biesenthaler Becken wird der Klimawandel bekämpft. Hier, nördlich von Berlin, werden die ehemaligen Moore und Fließgewässer ökologisch saniert. Moore sind unter anderem als klimafreundliche CO2-Speicher nützlich. Die beiden Parteivorsitzenden der Grünen haben diese Gegend ausgewählt, um hier am Dienstag vor Journalisten ihr Klimaschutz-Sofortprogramm vorzustellen. Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock erklärt angesichts der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands und der Brände in Südeuropa, dass man nun die »Klimakrise in den Griff bekommen muss«. Das Programm soll in den ersten 100 Tagen von der neuen Bundesregierung auf den Weg gebracht werden.

Die Grünen wollen dann Teil der Koalition werden und nach der Wahl im September einiges anders machen als die bisherige schwarz-rote Bundesregierung. Die Pläne sehen ein Klimaschutzministerium vor, das auch ein Vetorecht haben soll. Dieses Recht soll zum Einsatz kommen, wenn ein anderes Ministerium ein Gesetz plant, das nicht konform mit dem Pariser Klimaabkommen ist. Nach diesem Abkommen soll die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf deutlich unter zwei Grad begrenzt und alles daran gesetzt werden, den Temperaturanstieg bereits bei 1,5 Grad zu stoppen.

»Wir wollen auch den Abstimmungsprozess zwischen den Ministerien verschlanken. Im Wochenrhythmus wird dann eine Taskforce zum Thema Klimaschutz tagen«, sagt Baerbock. Die Federführung hierfür solle im Klimaschutzministerium liegen. Konkret soll etwa der Ausbau der erneuerbaren Energien schnell verdreifacht werden. Der Kohleausstieg müsse auf 2030 vorgezogen werden.

Zudem versprechen die Grünen, dass ihr Programm für mehr Klimaschutz sozial verträglich ist. In diesem Zusammenhang verweist der Parteivorsitzende Robert Habeck auf das Energiegeld, das die Grünen einführen und das den steigenden CO2-Preis ausgleichen soll. Allerdings hatte Finanzminister Olaf Scholz, der für die SPD als Kanzlerkandidat ins Rennen geht, den Grünen kürzlich vorgeworfen, sie wüssten keinen Weg, »wie sie das Energiegeld zeitnah auszahlen können«.

Scholz und Laschet geben sich als Klimaschützer

Nun ist Scholz am Dienstag im nordrhein-westfälischen Stolberg unterwegs, das wie viele andere Orte in der Region stark vom Hochwasser betroffen gewesen ist. Während bei den Grünen die Sonne scheint, steht der Sozialdemokrat im Regen. Er erklärt, dass für die Beseitigung der durch das letzte große Hochwasser in Deutschland verursachten Schäden bis heute sechs Milliarden Euro ausgegeben worden seien. »Es ist sehr gut möglich, dass der Wiederaufbau nach der aktuellen Flutkatastrophe allein in den beiden am meisten zerstörten Ländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz mehr kosten wird«, prognostiziert Scholz. »Das, was wir mit Geld in Ordnung bringen können, werden wir in Ordnung bringen«, verspricht er. Das Bundeskabinett werde am Mittwoch über Erleichterungen für Unternehmen in der Region entscheiden, kündigt Scholz an.

Neben dem Finanzminister steht sein Konkurrent im Kampf um das Kanzleramt, der CDU-Vorsitzende und nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet. Ihm war am Montag bei einem Ortsbesuch im Hochwassergebiet von Swisttal bei Bonn viel Wut der Anwohner entgegengeschlagen. Während Laschet durch die zerstörten Straßen ging, wurde er von vielen Menschen wegen fehlender Hilfe vor Ort beschimpft.

Trotzdem gibt sich der Kanzlerkandidat der Union bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz in Stolberg optimistisch. »Bund und Land werden das zusammen stemmen«, sagt der Ministerpräsident. »Aber es wird trotzdem danach ein anderes Land werden in diesen Städten.« Hochwassergefahr werde auch in Zukunft bestehen. Deswegen müssten die Städte »hochwasserresilient« wieder aufgebaut werden, mahnt Laschet. Er will sich bei der Ministerpräsidentenkonferenz am 10. August für einen Wiederaufbaufonds per Bundesgesetz für die von der Unwetterkatastrophe betroffenen Gebiete einsetzen.

Auf Nachfragen von Journalisten beteuern Scholz und Laschet trotz der dürftigen Bilanzen ihrer Regierungen, sich für mehr Klimaschutz einsetzen zu wollen. »In 25 Jahren wollen wir CO2-neutral wirtschaften«, sagt Scholz. Dies sei ein ehrgeiziges Projekt. Laschet lobt das nordrhein-westfälische Klimaanpassungsgesetz seiner schwarz-gelben Regierung, das auch Überschneidungen mit den Vorhaben der Grünen habe. Dann stapfen die beiden Männer durch den Regen davon. Etwa zeitgleich ist in Brandenburg auch die Pressekonferenz der Grünen zu Ende. Sie laden im Anschluss die anwesenden Journalisten zu einer Kurzwanderung durch das Biesenthaler Becken ein.

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