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Ein neues »Betriebssystem« für den Sozialstaat
Linke wirbt in ihrem sozialpolitischen Konzept für solidarisches Mindesteinkommen, gute Arbeit für alle und ein Ende des Hartz-IV-Systems
Allen innerparteilichen Unkenrufen zum Trotz: Der sehr weitreichende Ausbau – beziehungsweise Wiederaufbau – des Sozialstaats steht im Wahlprogramm der Linken ganz oben auf der Agenda. Am Montag stellte Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler zudem ein »Konzept für soziale Sicherheit mit Zukunft« vor. In dem Positionspapier mit dem Titel »Existenzangst abschaffen. So geht Sozialstaat« sind wesentliche Forderungen des Wahlprogramms wie jene nach einem sanktions- und steuerfreien Existenzminimum von 1200 Euro monatlich und einer kompletten Abschaffung der mit dem Hartz-IV-System verbundenen Gängelei und Demütigung zusammengefasst.
Verbunden ist das Ganze mit einer Polemik insbesondere gegen Union und FDP. CDU, CSU und Liberale machten »weiter Politik für die Reichen, hoffen aber, dass das niemand merkt«. Ihre Wahlprogramme zeigten, so Schindler bei der Präsentation des Konzepts, dass mit ihnen »keine Zukunft zu gestalten sei«. Er verwies darauf, dass die Parteien unter anderem den Solidaritätszuschlag »für Superreiche« abschaffen und damit für die Wohlhabenden weiter Steuern senken wollen.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat kürzlich errechnet, dass eine Umsetzung der Forderungen der Linken das meiste Geld in die öffentlichen Kassen spülen und zugleich die Abgabenlast sowohl ärmere Menschen als auch Personen mit sehr guten Einkommen von bis zu 78 000 Euro brutto jährlich sehr deutlich senken würde. Die Entlastungen bei Besserverdienenden würden ihrerseits wieder die Konjunktur durch mehr Konsum und Investitionen fördern, zeigte sich Schindler überzeugt.
Er verwies darauf, dass die Ungleichheit in den 16 Jahren der Koalitionen unter Kanzlerin Angela Merkel »deutlich gewachsen« ist. Die 2005 in Kraft getretenen, noch von der rot-grünen Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) beschlossenen Arbeitsmarktreformen hätten dafür gesorgt, dass bereits 2015 zwei Drittel der Erwerbslosen in Armut lebten. Dagegen seien es 1995 nur 15 Prozent gewesen. Darüber hinaus seien heute 13 Millionen Menschen in Deutschland armutsgefährdet, so Schindler.
Ziel der Linken sei »die Abschaffung der Armut und eine Gesellschaft ohne Existenzangst«, sagte Schindler. Kleinere »Updates« reichten dafür nicht aus, der Sozialstaat brauche »ein neues Betriebssystem«. Die »solidarische Mindestsicherung« von 1200 Euro inklusive Wohnkosten sollen nach Meinung der Linken alle erhalten, die sie benötigen: Erwerbslose und Rentner*innen, Studierende und Auszubildende. Und sie sollen auch die Untergrenze für das in wirtschaftlichen Notlagen von Unternehmen gezahlte Kurzarbeitergeld sein, das zugleich nicht unter 90 Prozent des Nettoentgelts fallen soll. Außerdem solle diese Summe allen unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus zustehen, betonte Schindler. Die Linke wolle »das entwürdigende, angstmachende Hartz-IV-System abschaffen«. Das werde dafür sorgen, dass man in einer Notlage Anträge auf Sozialleistungen wieder »erhobenen Hauptes« stellen könne. Man sei dann kein »Bittsteller« mehr, denn die Zahlungen seien Teil der sozialen Rechte jedes Menschen.
Zum Linke-Konzept gehört die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 13 Euro pro Stunde. Dieser sei das nötige Minimum, damit niemand trotz Arbeit mit Sozialleistungen aufstocken müsse oder im Alter ergänzende Zahlungen beantragen müsse, betonte Schindler. Zugleich wolle man die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen stärken. Denn: Der beste Sozialstaat sei der, den man angesichts guter Löhne nicht brauche.
Jeder solle »von Anfang an« kostenfreien Zugang zu »bester Gesundheitsversorgung, Kinderbetreuung, Bildung, öffentlicher Nahverkehr und anderen Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge« haben, sagte Schindler. Ein »Gefühl von Freiheit« könne auch dadurch entstehen, dass bezahlbare Wohnungen in der Nähe des Arbeitsortes zur Verfügung stünden, »so dass man nicht auf ein Auto angewiesen« sei.
Im Sozialstaatspapier weist die Linke darauf hin, dass »Wohlstand, Wissen und Reichtum« jedes Jahr anwachsen. Folglich wäre ein »besseres Leben für alle« hierzulande längst möglich. Dies sei nur deshalb nicht Wirklichkeit, weil jeder soziale Fortschritt immer noch »dem Kapital abgetrotzt werden« müsse. Dabei beruhten Einkommen und Vermögen von Superreichen und der Konzerne nicht auf eigener Leistung, sondern »auf Aneignung fremder Arbeit«. Daher müsse einem echten Leistungsprinzip zu neuer Geltung verholfen werden.
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