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Kämpfen können

In der Außenpolitik liegen SPD, Grüne und Linke teils weit auseinander. Konflikte sind unausweichlich, auch in der Linken

  • Uwe Kalbe und Rene Heilig
  • Lesedauer: 15 Min.
Außenpolitik von SPD, Grüne und Linke – Kämpfen können

Der 26. September ist der Internationale Tag für die vollständige Abschaffung der Atomwaffen. Zu vermuten ist, dass dieser Anlass in sieben Wochen weithin unbemerkt bleibt. Denn an diesem Tag wird auch der Bundestag gewählt.

Sicherheitscheck

Das DIW hat Menschen gefragt, was für sie Lebensqualität ausmacht. Am häufigsten genannt wurden Sicherheit und Frieden. Wir schauen daher in einer Serie vor der Bundestagswahl nach, wie es um soziale Sicherheit steht und was Parteien versprechen. Und wir erkunden, wie mit einem weiteren zentralen Anliegen der Menschen umgegangen wird, das manchen als naiv gilt: dem Wunsch nach Frieden.

Ein Blick in die Wahlprogramme der Parteien zeigt, dass selbst von einem Mitte-links-Bündnis hier nicht viel Fortschritt zu erwarten wäre. Und ein Blick in die aktuellen Einsatzgebiete der Bundeswehr zeigt, dass Militäreinsätze eben doch keine Lösung sind.

Das Ziel einer atomwaffenfreien Welt, das die UNO erstmals kurz nach ihrer Gründung 1946 formulierte und 2013 mit der Ausrufung des Aktionstages am 26. September bekräftigte, ist weder erreicht noch in Sicht. Deutschlands nukleare Teilhabe an den Atomsprengköpfen, die die USA in Büchel in der Eifel horten, wird bis heute nicht preisgegeben. Stattdessen wird der Fliegerhorst mit 259 Millionen Euro für neue Trägerflugzeuge umgebaut.

Dennoch rangiert das Atomwaffenthema im öffentlichen Interesse weit hinter anderen, als dringlicher empfundenen. Sicherheit ist das erste Interesse der Bundesbürger. Aber Sicherheit bedeutet vieles, den Schutz vor Hochwasser zum Beispiel oder die Sicherheit des Arbeitsplatzes und eines geregelten Einkommens. Die größte Angst haben die Deutschen davor, im Alter hilflos und pflegebedürftig zu werden. So zeigen es die Befragungen. Und der Klimawandel rückt auf der Sorgen-Skala immer weiter nach oben.

Kriege schienen in den letzten Jahrzehnten weit entfernt zu sein, und die Einsätze der Bundeswehr berührten das Sicherheitsgefühl der Bundesbürger höchstens indirekt. Das ändert sich allerdings gerade. 2014 fürchteten laut einer Forsa-Umfrage noch knapp acht Prozent einen neuen Krieg in Europa, 53 Prozent machten sich überhaupt keine Sorgen darum. Inzwischen hat die Angst vor Kriegen, in die Deutschland verwickelt werden könnte, zugenommen: Sie stieg allein von 2019 bis 2020 von 15 auf 25 Prozent, jedem vierten Befragten bereitete dieser Gedanke mithin Sorge.

Das ist sicher kein Zufall. Seit den 2000er Jahren, nachdem der Westen in unbegrenzter Solidarität mit den USA seinen Krieg gegen den Terror erklärte, wurden Länder und ganze Regionen zerstört, dem Chaos preisgegeben und unregierbar gemacht, sind Anschläge und Attentate islamistischer Gruppen und Täter zur ständigen Gefahr geworden.

Die Wahlbürger können nur hilflos mitansehen, wie sich die Bundeswehr von ihrem ursprünglichen Auftrag, der Landesverteidigung, immer weiter entfernt. Die Bundeswehr müsse aus der «Komfortzone» geholt werden, mit diesen Worten munitionierte Marineinspekteur Kay-Achim Schönbach dieser Tage die Fregatte «Bayern» auf, als sie mit Kurs auf den Indopazifik ablegte. Ihren Bündnisverpflichtungen gerecht zu werden, heißt für den Admiral, China die Zähne zu zeigen. Einer «Ausrichtung auf Bedrohungen» redet er schwammig, aber verantwortungslos das Wort. «Es geht um das Thema Kämpfen und Kämpfen-können.» Schönbach will wohl nicht gleich einen Krieg anzetteln; doch er senkt die Schwelle, ihn vorstellbar werden zu lassen. Und damit folgt er den Kampfansagen aus der Politik.

Rot-Rot-Grün: Kein Ende militärischer Interventionen

Allein einem Mitte-links-Bündnis aus SPD, Grünen und Linkspartei wird die Potenz zugerechnet, einen Politikwechsel zu bewirken. Ob solche internationalen Konfrontationen damit ausgeschlossen wären, ist schon ungewiss. Die Grünen haben sich einen martialischen Ton angewöhnt, wenn sie über Russland und China sprechen. Wie aussichtsreich ein außenpolitischer Kurswechsel tatsächlich wäre, hinge auch von den Kräfteverhältnissen in einem solchen Mitte-links-Bündnis ab, für das derzeit weder die notwendige Mehrheit in den Umfragen erkennbar ist noch der Willen aller Beteiligten.

Die Vertreter der Friedensbewegung schauen jedenfalls mit Argusaugen auf die Aspiranten für den Bundestag. Vier Themen sind es, mit denen sie die Parteien konfrontieren - neben der atomaren Gefahr sind dies die Bewaffnung von Drohnen, auf die sich die Bundeswehr bereits vorbereitet, die Erhöhung der Rüstungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sowie die Rüstungsexporte.

Schnell werden hier Unterschiede deutlich, wie das Beispiel der Drohnenbewaffnung zeigt. Die Grünen wollen diese «unberechenbare Bedrohung» erst einmal genau verifizieren und dann international verbindlich regulieren. «Anwendungen, die gegen ethische und völkerrechtliche Grundsätze verstoßen», wollen sie «international verbindlich ächten und verbieten». Und andere erlauben?

Die SPD betrachtet Drohnen sowieso als «bestmöglichen Schutz der Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten», will eine politische und gesellschaftliche Debatte über ihre Bewaffnung führen, spricht aber dennoch vom Ziel, autonome tödliche Waffensysteme zu ächten. Auch sie will ein internationales Regelwerk für bewaffnete Drohnen, kein Verbot. Zumindest eine Einigung mit den Grünen dürfte leichtfallen. Die Linke lehnt - als einzige aller Parteien im Bundestag - eine Drohnenbewaffnung rundheraus ab und will auch die US-Drohneneinsätze über die Luftwaffenbasis in Ramstein beenden.

Ähnlich gravierend sind die Unterschiede in den Wahlprogrammen zum Rüstungsexport, den allein die Linke verbieten will, während SPD und Grüne nur Kontrolle anstreben, am besten EU-weit wie die Grünen, restriktiv natürlich, unter Ausschluss von Lieferungen an Diktaturen. Schwer vorstellbar ist auch eine Einigung der drei Partner auf eine gemeinsame geostrategische Orientierung, die den bisherigen Kurs der Nato auf Konfrontation mit Russland und China aufgibt. Die Grünen wollen eine EU-Sicherheitsunion vorantreiben, um militärische Fähigkeiten zu bündeln und Parallelstrukturen abzubauen. Für sie und die SPD ist die Nato unverzichtbar, während die Linke deren Auflösung anstrebt und eine Europäische Sicherheitsordnung unter Einschluss Russlands anstrebt.

Auch eine Mitte-links-Regierung würde die Nato nicht abschaffen

Den besten Willen aller Beteiligten unterstellt und die nötigen Wahlergebnisse vorausgesetzt: Auch eine Mitte-links-Regierung sähe sich realen Bedingungen gegenüber, unter denen sie agieren muss. Die EU organisiert sich seit Jahren als sogenannter globaler Player und verbindet das mit einem militärischen Machtanspruch. Schon kurz nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Welt formulierte sie diesen 1992 in der Planung einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Kritik äußerte sich in den vergangenen 30 Jahren meist nur, wenn diese nicht effektiv genug durchgesetzt wurde.

Doch vieles ist umgesetzt. Es gibt eine Rüstungs- und Verteidigungsagentur und eine EU-Eingreiftruppe, in mehreren Verträgen haben sich die Mitgliedsländer zur abgestimmten Entwicklung von Waffen und Ausrüstung verpflichtet, zur Vernetzung ihrer logistischen Strukturen und zur Erhöhung ihrer Rüstungshaushalte. Seit 2019 gibt es sogar ein gemeinsames Rüstungsbudget, bis 2017 sollen knapp 20 Milliarden Euro dafür aufgewendet werden. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie die Vertreter dreier Mitte-links-Parteien in Sondierungsgesprächen erbleichen, wenn jemand in der Runde mit dem Vorschlag kommt, doch in den nächsten Ratssitzungen der Staats- und Regierungschefs ein wenig an diesem militärischen Pfeiler der EU zu sägen.

Grünen-Parteichef Robert Habeck hatte kürzlich von der Linken, der man einen solchen Vorschlag noch am ehesten zutraut, vorsorglich ein Bekenntnis zur Nato verlangt. Der Parteitag der Grünen, der das Programm zur Bundestagswahl beschloss, hatte zuvor Änderungsanträge abgelehnt, die eine klare Absage an die nukleare Teilhabe Deutschlands durchsetzen wollten, die Anschaffung neuer nuklearer Trägersysteme ausschlossen und sich gegen die Bewaffnung von Drohnen aussprachen.

Die Nato wie auch die wachsende «internationale Verantwortung Europas», also ihre damit angeblich notwendige militärische Handlungsfähigkeit, steht für Habeck und seine Partei so wenig zur Debatte wie für die SPD. Und eigentlich sind auch all die Pläne der Linken nicht mit der blauäugigen Vorstellung verbunden, diese könnten so mir nichts, dir nichts umgesetzt werden, wenn man nur endlich Juniorpartner in einer Bundesregierung würde.

Gregor Gysi, Obmann der Linken im Außenpolitischen Ausschuss des Bundestages, versucht im Wissen um die Diskrepanz zwischen der eigenen Programmatik und den politischen Realitäten mit der Formel zu beruhigen: Man müsse als Regierungspartei nicht gleich alles erreichen wollen, aber die Richtung müsse stimmen. Es ist unschwer zu erkennen, dass dies in der Praxis schwierig wird. Um den Drohnenkrieg der USA zu beenden, reicht es kaum, die Forderungen der Friedensbewegung nach einer Schließung von Ramstein oder den Verzicht auf Drohnenbewaffnung nur ein wenig umzusetzen.

Kaum vorauszusagen ist, welche Spannungen die folgenschwersten wären - die zwischen den Koalitionspartnern einer Mitte-links-Koalition oder die innerhalb der Linkspartei. Mit Matthias Höhn hatte sich zu Jahresbeginn ein prominenter Politiker der Linken bereits Ärger in den eigenen Reihen eingehandelt, weil er «linke Antworten auf der Höhe der Zeit» in einer sich verändernden Welt diskutieren wollte. Dass er damit auch meinte, Bundeswehreinsätzen bei UNO-Missionen im Einzelfall zuzustimmen, stieß einem Großteil seiner Genossen übel auf. Die Linke lehnte Auslandseinsätze bisher in allen Bundestagsabstimmungen ab.

Die Auslandseinsätze der Bundeswehr könnten es durchaus sein, an denen sich beweisen wird, ob die Linke ihrer Linie treu bleibt oder zu Kompromissen, also Einzelfallprüfungen, bereit ist. Bei den Grünen jedenfalls war der Afghanistaneinsatz der Türöffner für eine Neuorientierung der Partei in der Außenpolitik. Es dauerte ein paar Jahre, aber das Ergebnis ist bekannt.

Mehr Misserfolg geht nicht

Rene Heilig

Außenpolitik von SPD, Grüne und Linke – Kämpfen können

Alles begann mit einem Satz, den der damalige Kanzler Gerhard Schröder (SPD) für Geschichtsbücher formulierte. Er habe, so verkündete der Chef der rot-grünen Bundesregierung, dem US-Präsidenten «die uneingeschränkte - ich betone: die uneingeschränkte - Solidarität Deutschlands» zugesichert.

Das war am 12. September 2001, einen Tag nach den islamistisch motivierten Flugzeugattentaten, bei denen in den USA annähernd 3000 Menschen umgebracht worden waren. Die Spuren der Terroristen führten auch nach Deutschland, die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit schienen zu verschwimmen. Erstmals in ihrer Geschichte rief die Nato den Bündnisfall aus, deutsche Soldaten wurden nach Afghanistan verlegt, kämpften dort gegen die Taliban. Verteidigungsminister Peter Struck, gleichfalls SPD, verkündete im Dezember 2002, dass Deutschlands Sicherheit auch am Hindukusch-Gebirge verteidigt werde. Unser Land sei sicherer, «wenn wir zusammen mit Verbündeten und Partnern den internationalen Terrorismus dort bekämpfen, wo er zu Hause ist, auch mit militärischen Mitteln».

Nun hat die Bundesregierung die deutschen Soldaten aus Afghanistan heimgeholt. Es musste schnell gehen, denn die USA wollten den von ihnen angezettelten Krieg nicht länger fortführen. Die unmittelbare deutsche Bilanz ist verheerend. Rund 160 000 deutsche Soldaten dienten in Afghanistan. Im Park, der das Einsatzführungskommando bei Potsdam umgibt, stehen die Denkmale, die deutsche Soldaten für ihre toten Kameraden gebaut haben. 59 Angehörige der Bundeswehr starben in Afghanistan, 35 durch «Feindeinwirkung». Der Militäreinsatz kostete zwischen 2001 und 2020 rund zwölf Milliarden Euro. Hätte Deutschland diese Steuermittel nicht sinnvoller und effektiver ausgeben können? Auch diese Frage sollten jene Abgeordneten vor allem der Union der SPD, von den Grünen und der SPD beantworten, die den Kriegseinsatz Jahr um Jahr per Gewissensentscheidung verlängerten.

Die von der westlichen Allianz angestrebten Ziele wurden nicht erreicht. Das Land ist weit entfernt von Frieden, Wohlstand und Demokratie. Zehntausende Zivilisten kamen zwischen den Fronten um oder flüchteten aus dem Land. Die Terrorgefahr, die in Afghanistan mit Taliban-Hilfe zunächst von Al-Qaida, dann auch von Gruppierungen des Islamischen Staates gezüchtet wurde, ist nicht gebannt. Gewalt bringt Gewalt hervor. Auch wenn jetzt in Deutschland eine Analyse des Waffengangs gefordert wird - die Verfolgung von Kriegsverbrechen, die von allen Seiten in Afghanistan begangen wurden, ist damit nur selten gemeint. Beschämend ist auch der deutsche Umgang mit Asylsuchenden aus den Kriegsgebieten. Noch immer werden Menschen in das zerfallende Land abgeschoben.

Der Krieg wurde zwar fernab deutscher Grenzen geführt. Er trug jedoch wesentlich dazu bei, dass sich unsere von deutscher Schuld an zwei verheerenden Weltkriegen geprägte Gesellschaft immer mehr von einst als unumstößlich bezeichneten humanistischen Werte entfernt.


Erneut Deutsche in Litauen

Rene Heilig

Sicherheit bedeutet keineswegs immer Abwesenheit von Gefahr. Im Gegenteil. Der gesamte Kalte Krieg beruhte darauf, dass die politischen Blöcke sich gegenseitig und dem Rest der Welt mit Vernichtung drohten. Die «Friedenszeit», die sich durch die Auflösung des östlichen Bündnisses in Europa andeutete, war kurz. Die Nato dehnte sich alsbald weit nach Ost- und Südosteuropa aus, was in Moskau das Gefühl einer Bedrohung erzeugte. Alsbald besetzte Russland unter Missachtung internationalen Rechts die zur Ukraine gehörende Krim und unterstützte Separatisten im Osten des Landes. Insbesondere Polen sowie die baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland artikulierten eine wachsende Bedrohung durch Moskau. 2017 begann die Nato daher mit der Verlegung von Truppen Richtung russische Grenze. Diese Enhanced Forward Presence (EFP) ist vor allem ein Akt der Bündnissolidarität. Jeder halbwegs realistische Stratege weiß: Militärisch ist die Stationierung fremder Nato-Truppen in Osteuropa wie am Schwarzen Meer nur marginal von Bedeutung. Im Kriegsfall - den beide Seiten nicht wollen - wären die vorgeschoben Nato-Bataillone ein leichtes Opfer.

Deutschland führt die «Battlegroup» in Litauen. Aktuell befinden sich rund 500 Bundeswehrangehörige vor allem in der Garnison von Rukla nahe Kaunas. Im Wechsel mit anderen Nato-Staaten übernimmt die Bundeswehr zudem vom estnischen Stützpunkt Ämari die Sicherung des Luftraumes gegenüber der russischen Exklave Kaliningrad. Direkt «am Zaun» spioniert ein deutsches Bataillon zur elektronischen Kampfführung weit in russisches Gebiet hinein. Angesichts der jüngeren europäischen Geschichte sollte man gerade von in Osteuropa stationierten deutschen Soldaten ein hochsensibles Verhältnis nicht nur gegenüber Russland erwarten. Deutsche Truppen hatten zwischen 1941 und 1945 einen verheerenden Vernichtungsfeldzug gegen die Völker der damaligen Sowjetunion geführt. Allein in Litauen ermordeten SS-, Polizei- und Wehrmachtstruppen gemeinsam mit einheimischen Kollaborateuren über 200 000 Juden. Für den «Führer» war Litauen deutscher Siedlungsraum und sollte Teil des Deutschen Reiches werden.

Wie aber kann es da sein, dass Bundeswehrsoldaten bei einem Saufgelage am 20. April dieses Jahres im Zentrum von Rukla öffentlich Geburtstagsständchen für Adolf Hitler anstimmten? Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) meinte dazu: «Das Fehlverhalten einiger Soldaten in Litauen ist ein Schlag ins Gesicht aller, die Tag für Tag in der Bundeswehr der Sicherheit in unserem Land dienen.» Die Beteiligten wurden heimgeschickt. Doch auch in hiesigen Kasernen gibt es rechtsextremistische Vorfälle, die eine systematische Unterwanderung der Bundeswehr durch Rechtsextremisten und direkte Angriffe auf die vom Grundgesetz geprägte Ordnung befürchten lassen. Unlängst musste daher eine ganze Kompanie der Eliteeinheit KSK aufgelöst werden.


Einsatz im nassen Grab

Rene Heilig

In dieser Woche machte die deutsche Fregatte «Bayern» die Leinen los. Kurs Indo-Pazifik. Dort soll sie mit Verbündeten dafür sorgen, dass Chinas globale Expansionspläne, die dem Vormachtstreben der USA entgegenlaufen, eingehegt werden. Nachdem mit Joe Biden ein neuer US-Präsident amtiert, besteht mit solchen «Dienstleistungen» für Deutschland wieder die Chance, als treuester Verbündeter Washingtons am Katzentisch der Weltpolitik Platz zu nehmen.

Es gäbe für die «Bayern» gewiss näherliegende Ziele. Im Mittelmeer hält die Flüchtlingskatastrophe weiter an. Krieg, Krankheiten, Vertreibungen, Hunger oder auch «nur» die Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben lassen Zehntausende die Flucht übers Meer in Richtung EU-Europa wagen. Seit 2014 sind dabei - geschätzt - rund 22 200 Geflüchtete ertrunken. Allein zwischen Januar und Ende Juli dieses Jahres zählt die unerbittliche Statistik fast 1000 Tote. Sie sind auch Opfer der Uneinigkeit der EU-Staaten, die sich nicht auf eine, ihren proklamierten Werten entsprechende Flüchtlingspolitik, einigen können.

Außenpolitik von SPD, Grüne und Linke – Kämpfen können

Auch wenn die Aufnahme Schiffbrüchiger für jeden Seemann eine Pflicht und die maritime Nothilfe durch Nichtregierungsorganisationen weit umfangreicher ist, so muss man sich schon wundern, warum Rettungstaten der Deutschen Marine in den Traditionen der Bundeswehr eine so geringe Rolle spielen. Die deutschen Schiffe liefen unter dem Kommando der EU. Anlass der Operation war das Versinken Libyens in Anarchie und Bürgerkrieg, nachdem Frankreich, Großbritannien und die USA den langjährigen Herrscher Muammar al-Gaddafi gestürzt hatten. Die EU wollte den Nachschub für die Kriegsparteien unterbinden. Was nicht gelang. Wohl aber retteten deutsche Besatzungen zwischen 2015 und 2019 insgesamt 22 534 Menschen aus Seenot und brachten sie sicher an Land. Am 24. August 2015 wurde dabei an Bord der Fregatte «Schleswig-Holstein» ein kleines Mädchen geboren: Sophia. Sie wurde zur Namensgeberin der EU-Mission. Angeblich hat die nun laufende Operation Irini grundsätzlich die gleichen Aufgaben wie Sophia. Zweifel sind berechtigt. Irini-Schiffe kreuzen so weit ostwärts, dass sie auf keine Flüchtlingsboote stoßen können. Man will angeblich Schleusern das Handwerk legen und macht gemeinsame Sache mit der libyschen Küstenwache, die im EU-Auftrag Menschen an der Mittelmeerüberfahrt hindert, dabei Menschen tötet oder in Gefängnisse sperrt. Ihren Beitrag zur Waffenblockade haben die deutschen Kriegsschiffe spätestens aufgegeben, nachdem die Fregatte «Hamburg» im vergangenen Jahr 200 Kilometer vor Bengasi einen verdächtigen Frachter stoppte, der unter der Flagge des Nato-Partners Türkei fuhr. Wohl auch, weil der politische Streit einem militärischen sehr nahekam, operiert Deutschlands Marine nun verdeckt. Anfang Juli übernahm U 35 einen viermonatigen Irini-Auftrag. Der ist weitgehend geheim. Auch im Parlament. Doch dass dieses U-Boot ebenso wie das für Irini abgestellte deutsche «Orion»-Aufklärungsflugzeug keine Menschen aus Seenot aufnehmen kann, ist logisch. Ob der Einsatzgruppenversorger «Berlin», der ab Mitte September im Mittelmeer kreuzen soll, humanere Ziele verfolgt, wird sich zeigen.


Ein Land am Tropf

Rene Heilig

Guten Abend, meine Damen und Herren. Die feindlichen Aggressoren, die Nato-Luftstreitkräfte, haben gegen 20 Uhr erste Raketenangriffe auf unser Land ausgeführt.« So begann die Nachrichtensendung am Abend des 24. März 1999 im jugoslawischen Fernsehen. Der Krieg um die bis dahin serbische Provinz Kosovo war der erste Kampfeinsatz deutscher Truppen nach dem Zweiten Weltkrieg. Bundeswehr-Kampfjets zerstörten vor allem das Radarsystem der jugoslawischen Volksarmee und machten so anderen Nato-Bombern den Weg frei. Es heißt, dass bei den Angriffen rund 15 000 Menschen ums Leben kamen, ehe Nato-Truppen Mitte Juni 1999 Kosovo besetzten.

Zehn Jahre zuvor hatte die Regierung in Belgrad die Autonomie der zu 80 Prozent albanisch besiedelten Provinz aufgehoben. Die Albaner leisteten Widerstand, bildeten die Untergrundarmee UCK, die Brutalität auf beiden Seiten wuchs von Tag zu Tag. Der deutsche Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) präsentierte ein angeblich aus Belgrad stammendes Dokument. Dieser »Hufeisenplan« sollte Planungen der Serben zur ethnischen Säuberung der Provinz belegen. Ob es die so je gegeben hat, ist umstritten. Während Scharping mit Hinweis auf die humanitäre Katastrophe zum Angriff blies, lief der grüne Außenminister Joschka Fischer zu demagogischer Hochform auf. Der verglich das Geschehen auf dem Balkan mit dem Holocaust. Er stehe für zwei Grundsätze: »Nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz. Nie wieder Völkermord, nie wieder Faschismus«, rief er den Pazifisten in seiner Partei entgegen.

Nach 78 Tagen war der Krieg entschieden. Er war völkerrechtswidrig, denn weder Deutschland noch die USA hatten sich überhaupt um ein Mandat des UN-Sicherheitsrates bemüht. Auch die Abspaltung der Provinz von Serbien und die Bildung eines neuen Staates Kosovo ist umstritten.

Noch immer sind fremde Soldaten im Kosovo. Jüngst verlängerte der Bundestag abermals das Mandat für die Bundeswehr, denn die Lage im Land ist alles andere als stabil. Tatsache ist: Kosovo hängt am Tropf. Nach über zwei Jahrzehnten westlicher Militär- und Aufbauhilfe ist Kosovo weder politisch noch wirtschaftlich lebensfähig. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 27 Prozent, jeder zweite Jugendliche unter 25 Jahren ist ohne Job. Die Organisierte Kriminalität, auch befördert von einstigen UCK-Kommandeuren in Staatsämtern, hat weiter das Sagen. Sicherheits- und rechtspolitisch ist das Land, dem von deutschen Spitzenpolitikern immer wieder die Mitgliedschaft in der EU versprochen wird, weit entfernt von demokratischen Standards. Und politisch wird schon wieder auf hohen Ebenen über Grenzziehungen auf dem Balkan debattiert.

Ob und wann sich für die Menschen in Kosovo etwas zum Besseren bewegt? »Politische Machtkämpfe und fehlende wirtschaftliche Perspektiven haben weite Teile der Bevölkerung desillusioniert«, schätzt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Berlin ein.

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