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Bitte einmal durchschwimmen
Ein Statussymbol analysieren: Die Ausstellung »Swimming Pool – Troubled Water« in Berlin
Ein Swimmingpool ist ein Ort, an dem ebenso ein Mord passieren kann wie ein Akt der Verführung. Das wissen wir schon seit dem Film »La Piscine« (1969, mit Romy Schneider und Alain Delon) oder vielleicht auch erst seit »Swimming Pool« (2003 mit Charlotte Rampling und Sarah Morton).
In Berlin gibt es nun die Ausstellung »Swimming Pool – Troubled Water« im Künstlerhaus Bethanien. Die Kuratorin Valeria Schulte-Fischedick verweist auf Luca Guadagninos Meisterwerk »A Bigger Splash« (2015). Der Film, der in Dauerschleife zu sehen ist, spielt auf der italienischen Insel Pantelleria, die zwischen Sizilien und Tunesien liegt. Er handelt von zwei Frauen und zwei Männern im Urlaub, die auf unterschiedliche Weise miteinander verbunden sind. Zur selben Zeit wird ein Boot voller Flüchtlinge angespült.
Es gibt einen bezeichnenden Moment in »A Bigger Splash«, auf den die Kuratorin hinweist: Während Ralph Fiennes in der Rolle des Verführers Tilda Swinton mit seiner vermeintlichen Weltläufigkeit beeindrucken möchte, indem er ihr von einer einfachen Frau in deren Haus zeigen lässt, wie der beste Ricotta der Insel hergestellt wird, sind im Hintergrund die Nachrichten zu sehen. Sie berichten von den Flüchtlingen, die gerade die Insel erreicht haben, was an den beiden Protagonist*innen gänzlich vorbeigeht, die später allerdings noch von diesem Umstand profitieren sollen.
»Swimming Pool – Troubled Water« ist eine multimediale Ausstellung. Die einzelnen Werke thematisieren den Weg über das Mittelmeer aus der Perspektive der Flüchtlinge, fragen nach der Legitimität von Swimmingpools in unter Dürre leidenden Ländern wie Spanien oder beschäftigen sich mit der Verschmutzung der Meere.
Der Filmtitel »A Bigger Splash« bezieht sich auf das gleichnamige Gemälde von David Hockney, auf dessen Pool-Bilder aus den 60er Jahren wiederum der französische Graffiti-Künstler ZEVS in einer Bilder-Serie Bezug nimmt. In seinen hier ausgestellten Gemälden wird die kalifornische Idylle jedoch durch Öl zerstört, das entlang des Logos eines Ölkonzerns in den Pool hineinfließt. Der Dreck, dem sich die Reichen und Privilegierten normalerweise entziehen können, obwohl sie ihn selbst verursacht haben, findet hier den Weg in den Pool als kalifornisches Statussymbol.
Dass soziale Unterschiede in dieser Ausstellung angeprangert werden, davon zeugt programmatisch die zweite Seite des wunderbar informativen Kataloges. Zu sehen ist ein Foto, auf dem eine Straße zwei Vororte von Johannesburg scheidet: Im schicken Primrose gehört zu jedem Grundstück ein Pool, im armen Makause 1 wohnen die Menschen in selbst gebauten Hütten.
Teil der Ausstellung ist ein von Olaf Stüber zusammengestelltes Filmprogramm, das auch den Sidney-Pollack-Film »Der Schwimmer« (1968) enthält. Darin schwimmt Burt Lancaster, einer spontanen Idee folgend, nach Hause – und zwar durch alle Swimmingpools, die auf seinem Heimweg liegen. Eine surreale Kritik an der privilegierten Klasse. In der Ausstellung führt Fermín Jiménez Landa diesen Ansatz weiter. In seiner Videoarbeit »El Nadador« (2013), die man auch auf Youtube sehen kann, durchschwimmt er Pool um Pool, und zwar von Tarifa im Süden Spaniens bis zum Schwimmbecken seiner Eltern in Pamplona in Nordspanien. Mithilfe von GPS/Google Maps schwimmt Landa in einer geraden Linie nach Hause. Die Konversationen mit den Besitzer*innen der Pools sind häufig lustig, der Hintergrund ist es nicht: Während Spanien zunehmend unter der Dürre leidet, werden von den Reichen immer mehr Pools gebaut.
Kritische Landvermessung betreibt auch die tschechische Künstlerin Klara Hobza, jedoch auf ein wenig andere Weise. Sie hat sich 30 Jahre Zeit gegeben, um durch Europa zu tauchen. Die Route führt sie von Rotterdam zum Schwarzen Meer. Sehr hübsch ist dabei die Gegenüberstellung ihrer romantischen Idee dieses Unternehmens, die von Hobza auf einer Zeichnung festgehalten wird, auf der eine Unterwasserwelt mit schönen Pflanzen gezeigt wird, und der Realität. Die Wirklichkeit sieht natürlich ganz anders aus: Das Wasser ist schmutzig und an vielen Stellen so brackig, dass die Künstlerin gar nichts sehen kann.
Bei ihren Unterwasserrouten, die normalerweise nur von riesigen Frachtern frequentiert werden, ist es gut, eine unter anderem vom Regisseur Werner Herzog unterschriebene Petition dabeizuhaben, die besagt, dass ihr Tauchgang durch Europa dringend notwendig sei.
Neben dem Hobza-Raum, in dem es auch viele lustige Momente mitzuerleben gibt, wird im nächsten Raum eine Videoinstallation von Mounir Gouri gezeigt. Das poetische Werk des algerischen Künstlers in Schwarz-Weiß, »Naufrage« betitelt, nimmt uns mit auf den Weg zweier Freunde in ein neues Leben in Europa. Der Musiker Ali spielt arabische Abschiedsmelodien auf seiner Oud, zu denen sich der Tänzer Hichem bewegt, während das Boot über das Wasser gleitet. Aus dem Katalog erfahren wir, dass der Künstler die Freunde kurz vor ihrer geplanten Flucht aus Algerien nach Europa kennengelernt hat.
»Naufrage« ist französisch für »Schiffbruch« – eine Erinnerung an all die Opfer, die der unmenschlichen Grenzpolitik Europas zum Opfer gefallen sind. In einem kleinen Boot mit aufs Meer nimmt uns auch »Citizen« von Santiago Mostyn: Im Obergeschoss des Bethaniens wird die Erfahrung auf dem Meer über einen riesigen zweiseitigen Screen mit uns geteilt.
Beim Denken helfen ebenfalls die Bücher, die als eigenes Projekt vom C& Center of Unfinished Business und dem Künstlerhaus im Eingangsbereich ausgestellt werden. Im Vorfeld besprachen die Künstler*innen mit der Kuratorin die Bibliothek des Künstlerhauses und verglichen diese mit einer Liste wichtiger antikolonialer Literatur, woraufhin der Bestand des Hauses erweitert wurde. Einige der Bücher können von den Besucher*innen vor Ort gelesen werden.
Bis 15.9., Künstlerhaus Bethanien, Berlin
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