Mussolini reloaded

Lega-Politiker will Park nach einem Bruder des Duce rückbenennen

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Regierung von Mario Draghi droht eine Krise, denn Demokraten (Pd) und Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) fordern die Abberufung des Staatssekretärs Claudio Durigon. Auf einer Veranstaltung seiner rechten Lega in Latina hatte dieser in Anwesenheit von Parteichef Matteo Salvini gefordert, den erst 2017 nach den Antimafia-Richtern Giovanni Falcone und Paolo Borsellino benannten Bürgerpark umzubenennen.

Er solle wieder den früheren Namen »Arnaldo Mussolini« erhalten, so Durigon, weil dieser zur Geschichte der Stadt gehöre. Der jüngere Bruder des in Italien immer noch »Duce« genannten Diktators Benito Mussolini hatte als Journalist und Propagandist stets die Politik des Faschismus vertreten. Latina, der Hauptort der Region Latium, war 1932 nach der Trockenlegung der Pontinischen Sümpfe als faschistische Musterstadt gegründet worden. Der im Stadtzentrum angelegte Bürgerpark trug den Namen des im Dezember 1931 an einem Herzinfarkt verstorbenen Bruders Mussolinis. Noch Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Latina von postfaschistischen oder rechtspopulistischen Stadtregierungen verwaltet. Erst eine 2016 über eine Bürgerliste gewählte Administration brach mit dieser Tradition und benannte den im Zentrum Latinas gelegenen Park nach den Mafia-Jägern Falcone und Borsellino.

Durigon, der zu den Hardlinern innerhalb der Lega zählt, sieht in der Rückbenennung kein Problem für die heutige Demokratie. Anders sehen das allerdings die anderen Koalitionspartner der Mehrparteienregierung Mario Draghis. Die beiden früheren Regierungschefs Giuseppe Conte von der Fünf-Sterne-Bewegung und Enrico Letta von der Demokratischen Partei forderten den amtierenden Premier auf, sich von den Forderungen des Staatssekretärs zu distanzieren und diesen aus dem Amt zu entlassen. Auch der Vorsitzende der Nationalen Vereinigung der Partisanen Italiens (Anpi), Gianfranco Pagliarulo, forderte den Rücktritt Durigons. Mit seiner Forderung, so der Anpi-Präsident, trage dieser zur »Restaurierung faschistischen Gedankenguts« bei und »distanziere sich von den Traditionen des Widerstands, auf denen unsere Demokratie beruht.« Zudem bedeute die Rückbenennung des »Falcone-und-Borsellino-Parks« eine Diskreditierung des jahrelangen Kampfes beider Juristen gegen die Verbrechen der Mafia.

Keinen Handlungsbedarf sieht indessen Lega-Chef Matteo Salvini. Weder hatte sich der rechtsextreme Politiker von Durigon distanziert, als dieser auf der Kundgebung die Forderung nach Rückbenennung des Parks stellte, noch ist er willens, die jetzt losgetretene Regierungskrise beizulegen. »Ich halte Claudio Durigon für einen guten und fähigen Politiker auf dem Posten des Wirtschaftsstaatssekretärs«, erklärte der Lega-Chef.

Sollte der Misstrauensantrag von M5S und Pd gegen Durigo, unterstützt von den italienischen Linken und einigen Abgeordneten der Forza Italia, im Parlament angenommen werden, will Salvini seinerseits den Rücktritt der Innenministerin Luciana Lamorgese fordern. Die frühere Polizeichefin von Mailand habe in ihrer Aufgabe als Ministerin nicht nur in der Migrationspolitik versagt, so ihr Amtsvorgänger Salvini, sondern auch jetzt bei der Umsetzung der Pandemie-Politik. Streitpunkt ist dabei die Einführung und der Umgang mit dem sogenannten »Green Pass« - dem Zertifikat, das eine vollständige Impfung gegen das Coronavirus nachweist. Nach einem Regierungsdekret ist seit dem 6. August der Zutritt zu öffentlichen Einrichtungen nur noch unter Vorzeigen dieses Zertifikats erlaubt - die Lega sieht darin einen Angriff auf bürgerliche Freiheiten.

Die Affäre um den Staatssekretär ist längst nicht mehr nur eine Auseinandersetzung unter den Koalitionären. Landesweit protestieren Bürger gegen die Äußerungen des Lega-Politikers. Medien und soziale Netzwerke fordern dazu auf, Petitionen an Premier Draghi zu unterzeichnen, in denen der Rücktritt Claudio Durigons gefordert wird. Ob die Unterschriftensammlungen zum Erfolg führen und der Premier noch vor der Sommerpause des Parlaments eine Entscheidung trifft, wird sich in den nächsten Tagen zeigen.

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