Von neuen Leuten und alten Ideen

Steffen Schmidt ist einer der Altgedienten beim »nd«. Er stand schon unter Verwaltung der Treuhand. Was denkt er über die neue Genossenschaft?

  • Fabian Hillebrand
  • Lesedauer: 5 Min.
nd-Genossenschaft – Von neuen Leuten und alten Ideen

Du bist seit 1984 beim »nd«. Zeitungmachen ist permanente Krise. Was waren die schlimmsten, die du erlebt hast?
Den größten Einschnitt gab es Anfang der 90er, als ein beträchtlicher Teil der Belegschaft »eingespart« werden musste, wie es so schön im Kapitalismus heißt. Damals war das Redaktionsgebäude noch beinahe komplett von nd-Mitarbeitern belegt. Wenn man sieht, dass wir heute nur noch einen Teil der zweiten Etage belegen, kann man ahnen, wir groß der Bruch damals war.

Dr. Steffen Schmidt

Dr. Steffen Schmidt, Jahrgang 1952, ist Wissenschaftsredakteur des »nd« und der Universalgelehrte der Redaktion. Auf fast jede Frage weiß er eine Antwort - und wenn doch nicht, beantwortet er eine andere.

Wer setzte die Kürzungen damals durch?
Die wurden vom Geschäftsführer Wolfgang Spickermann auf den Weg gebracht. Wenn man ehrlich ist, waren die Einschnitte damals aber recht »alternativlos«, noch so ein schönes Kapitalistenwort. Wenn man einen Apparat von der Größe der »Frankfurter Allgemeinen«, aber den Umsatz einer kleineren Bezirkszeitung hat, war die Belegschaft in der Zahl nicht zu halten. Wir hatten in den späten DDR-Zeiten bis zur Wende eine Auflage von 1,1 Millionen. Die ist rapide geschrumpft.

Gab es damals Auseinandersetzungen in der Belegschaft? Streiks?
Es gab Auseinandersetzungen, Streiks aber nicht. Was hätten die sinnvoll bewirken können in der Situation? Das hätte eher zur Einstellung der Zeitung geführt. Genau das, was man im Westen erwartete. In dieser Zeit war die Gesamtlage kompliziert.

Was meinst du damit?
Die bundesdeutschen Behörden strebten die Enteignung des Eigentums der SED und anderer Organisationen an, weil das von ihrem Standpunkt aus auf unrechtmäßigem Wege zustande gekommen war. Damals ist zum Beispiel der Aufbau-Verlag unter Treuhandverwaltung gestellt worden, auch beim »nd« wurde das getan. Wir haben dann den Zeitungskopf geändert. Statt »Proletarier aller Länder, vereinigt euch« stand im Zeitungskopf: »Die einzige deutsche Tageszeitung unter direkter Regierungskontrolle«.

Und das hat gewirkt?
Die Treuhand zog sich irgendwann zurück, unter dubiosen Umständen. Aber die Rechtsstreitigkeiten um das Gebäude blieben. Diese konnten erst Ende der 90er Jahre geklärt werden. Zu unseren Gunsten. Doch um mögliche Nachforderungen bei den Mieten zu verhindern, waren wir mit der schmalen Belegschaft für zehn Jahre in ein anderes Gebäude gezogen.

Bei den Mitarbeitern gab es einen permanenten Wechsel. Ist das anstrengend, sich immer wieder an neue Ideen und Menschen zu gewöhnen? Junge Kollegen wie ich wollen ja immer gleich den ganzen Journalismus neu erfinden.
Sicher ist das anstrengend. Man muss sich permanent mit neuen Menschen arrangieren. Zumal mein Gedächtnis eher auf Sachverhalte angelegt ist als auf Namen. Die Veränderung bei den Mitarbeitern geht natürlich im Journalismus schneller als anderswo. In der Krise in den 90ern waren Teile der Sportredaktion auf einmal weg, die hatten anderswo etwas gefunden. Einige sind sogar bei Springer gelandet.

Wie schaust du auf die Genossenschaftsgründung? Bist du optimistisch?
Ich finde, die Idee ist gut. Vielleicht kommt sie ein wenig spät. Ich erinnere mich, dass es schon in den 1990er Jahren kurz eine Diskussion um ein solches Modell gab. Damals wurde die Idee aber von der Geschäftsführung abgelehnt und fand auch in der Belegschaft kaum Anklang. Als wir damals unsere Kampagne gegen die Beaufsichtigung durch die Treuhand gefahren haben, da wäre es bestimmt einfacher gewesen, Genossenschaftsanteile einzuwerben. Heute ist es schwieriger, weil es insgesamt für Printmedien komplizierter geworden ist.

Statt neoliberales Job-Hopping zu betreiben, bist du dein ganzes Leben bei einer Zeitung geblieben. Warum eigentlich?
In der Krisenzeit habe ich schon geguckt, ob es woanders Möglichkeiten gibt, aber mit einer nd-Biografie waren viele Wege versperrt.
Es war aber auch bestimmt zu einem Teil meine DDR-Mentalität. Wenn du einen guten Job hattest, der dir einigermaßen gepasst hat, waren wir zufrieden. Warum wechseln? Woanders gab es auch nicht mehr Geld. Viele Karrieren in der DDR, in der Partei oder in ihrem Umfeld, wurden weniger dadurch gemacht, dass man danach strebte. Sondern kamen zustande, weil die Leute nicht an der richtigen Stelle Nein sagen konnten.

Wie war es, in der DDR Zeitung zu machen?
Es gab in allen Teilen der Redaktion viele Eingriffe. Am wenigsten noch bei den Naturwissenschaftsseiten. Aber auch dort klopften die zuständigen Organe an. So durften wir eine Zeit lang nicht über sogenannte III-V-Verbindungshalbleiter berichten, weil die Oberen befürchteten, dass dann wichtige Importe gesperrt werden könnten.
Die Naturwissenschaftsseiten machst du bis heute.
Nach der Wende habe ich diesen Teil übernommen. Vielleicht aus dem Wunsch heraus, dass mir dann nicht mehr hereingeredet wird.
Ich dachte immer, dass dir niemand bei deinen Seiten reinredet, liegt daran, dass du einer der altgedienten Kollegen bist.
Glaube ich nicht. Es hätte niemand sonst das notwendige naturwissenschaftliche Wissen gehabt. Der Einzige, der das gekonnt hätte, war der ehemalige Geschäftsführer Spickermann, ein Physiker. Aber der hatte nun, wie beschrieben, in dieser Zeit anderes zu tun.

Wofür braucht es das »nd« weiter?
Das ist wohl die entscheidende Frage. Aus meiner Sicht ist das Wichtigste, den Osten weiter im Auge zu behalten, und zwar besser als die anderen.

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