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Mit sozialem Antifaschismus gegen rechts?
Auf der Konferenz »Good Night far Right« tauschten sich Linke aus vielen Ländern über Strategien gegen rechte Rattenfänger aus
Schon bei Nennung seines Namens gab es Applaus aus dem Publikum: Ferat Koçak, der für Die Linke in Berlin-Neukölln vor einem Monat ein Bundestags-Direktmandat gewonnen hat. Zu Anfang hatte auch in der Partei kaum jemand geglaubt, dass dies gelingen würde. Am Freitagabend war Koçak einer der Referenten bei der von der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) organisierten Konferenz »Good Night Far Right«.
Bis zum Sonntag tauschten sich Mitglieder von Initiativen aus Lateinamerika, Israel, Europa, den USA, Indien, Sri Lanka und Deutschland im Gebäude der RLS in Berlin über ihre Erfahrungen aus. Sie berichteten über den Aufstieg und das Agieren der extremen Rechten in ihren Ländern, aber sie berichteten auch über Erfolge: Rechte können auf sehr unterschiedlichen Ebenen bekämpft werden.
Im Panel »Kommunale Lösungen & sozialpolitische Antworten« sprach auch Ferat Koçak. Er blickte auf seinen »antifaschistischen Wahlkampf« zurück. Hunderte Unterstützer*innen, viele von ihnen sind keine Parteimitglieder, führten Haustürgespräche bei Menschen im Stadtteil, bei denen noch nie Politiker*innen geklingelt haben. Sie fragten nach ihren Wünschen und organisierten eine Stadtteilversammlung. Viele der Teilnehmer*innen haben das erste Mal an einer solchen Veranstaltung teilgenommen.
Koçak sagte, er habe sich Inspiration in Lateinamerika geholt. Nach dem für Die Linke desaströsen Ergebnis der Wahlen zum Europaparlament im vergangenen Jahr schaute er sich bei Linken in Chile und Argentinien um. Einige seiner Gesprächspartner*innen saßen am Freitag mit auf dem Podium, so Fares Jadue, kommunistischer Bürgermeister von Recoleta, einer Kommune der chilenischen Hauptstadt Santiago.
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Er berichtete, wie dort die Kommunistische Partei besonderes Augenmerk auf die Organisierung der Ärmsten legt. Mit Volksbibliotheken, Universitäten und auch Apotheken, in denen es für alle erschwingliche Medikamente gab, wurde eine Sozialpolitik für die bisher Ausgeschlossenen gemacht, die sich in Stadtteilorganisationen engagierten. Das verschaffte den Kommunisten Ansehen – und Wählerstimmen. Doch sie zog auch den Hass der Rechten auf sich. Jadues Vorgänger und Genosse wurde von der Justiz angeklagt und für längere Zeit verhaftet.
Donka Atassanova vom kolumbianischen Linksbündnis Polo Democratico/Pacto Historico berichtete, dass in ihrem Land aktuell die Ultrarechte von der Macht verdrängt ist. Sie erzählte von ihrer Arbeit als Basisaktivistin für den Bereich Sicherheit in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá. Unter anderem habe sie Gespräche mit Polizeipräsidenten und marginalisierten Jugendlichen aus den ärmeren Stadtteilen organisiert, die immer wieder von der Polizei verfolgt werden. Fünf Präfekten hätten die Gespräche von vornherein abgelehnt.
Ayala Ferreira von Brasiliens Landlosenbewegung MST sprach über den Erfolg, dass die extreme Rechte um Ex-Präsident Jair Bolsonaro abgewählt wurde. Auch wenn er und seine engsten Vertrauten wegen Putschvorbereitungen gegen seinen gewählten Nachfolger Luiz Inácio Lula da Silva inzwischen angeklagt wurden, ist allerdings eine Rückkehr der Rechten an die Macht bei den nächsten Wahlen nicht ausgeschlossen.
Auch in Chile und Kolumbien gibt es durchaus Enttäuschung über die Regierungen der Reformlinken, von deren Agieren die Rechte wieder profitieren könne.
Am Samstag widmete sich ein Panel der Rolle der Gewerkschaften im Kampf gegen Rechts, bei dem allerdings keine Vertreter*innen aus Deutschland anwesend waren. Gewerkschafterinnen aus Italien, Spanien und Argentinien berichteten über transnationale Bündnisse gegen das Erstarken der Rechten, in denen ihre Organisationen aktiv sind.
Cristina Faciaben von den spanischen Arbeiterkommissionen (CCOO) berichtete, dass sich die Gewerkschafter*innen an zivilgesellschaftlicher Aufklärung über die Rechte beteiligte. Aus dem Publikum kam die Frage, ob nicht der Beitrag der Gewerkschaften vor allem in der Organisierung von Arbeiter*innen unabhängig von ihrer Herkunft liegen müsste. Da blieben die Antworten allerdings eher allgemein.
Andere Arbeitsgruppen auf dem Kongress beschäftigten sich mit dem Agieren der Rechten in der Klimakrise und mit deren antifeministischer Agenda. »Das Thema auf der Konferenz waren Strategien für einen sozialen Antifaschismus und da müssen wir noch viel in der praktischen Arbeit lernen im Stadtteil und im Betrieb«, bilanzierte ein Teilnehmer.
Wie bei diesem Panel ging es auch auf anderen um ganz praktische Strategien zur Bündnisbildung, um sinnvolle Reaktionen auf rechte Angriffe, um die Stärkung demokratischer Strukturen und um die Organisation von Bündnissen, die sozialen Widerstand gegen rechte Politik organisieren.
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