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Fehlende Ursachenforschung
Olaf Scholz redet beim DIW über Zusammenhalt und Solidarität
Der Kanzlerkandidat der SPD trägt den wenig schmeichelhaften Spitznamen »Scholzomat«. Emotionen kann man von Olaf Scholz nur selten erwarten. Das zeigt sich auch bei einer Veranstaltung beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das den Finanzminister und Vizekanzler am Montagnachmittag zu einer Rede und Diskussionsrunde eingeladen hat. Es geht um den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Eingangs sagt Scholz ein paar Sätze über die aktuelle Situation in Afghanistan. »Die Rückkehr der Taliban und die drohende islamistische Diktatur bedrücken mich«, erklärt er.
Dann spult Scholz sein innenpolitisches Programm ab. Dabei zeigt er Verständnis etwa für die Menschen in Ostdeutschland, die den Umbruch vor mehr als 30 Jahren als »Zusammenbruch erlebt haben«, was ihre Erwerbsbiografien angeht. Scholz hat insgesamt erkannt, dass beim sozialen Zusammenhalt »einiges im Argen« liegt. Allerdings redet der einstige Architekt der neoliberalen Agenda 2010 nie über die Ursachen der Probleme und vermeidet Selbstkritik. Vielmehr suggeriert Scholz, dass die SPD den sozial Benachteiligten helfen könne. »Der Wesenskern der Sozialdemokratie ist die Solidarität«, verkündet er.
Doch es ist nicht nur die soziale Frage, an der sich Konflikte in der Gesellschaft entzünden. Als Beispiele nennt Scholz den unterschiedlichen Blick von Menschen auf die Bedrohungen durch den Klimawandel und auf die Gefahren durch das Coronavirus. Der SPD-Politiker weiß, dass es schwierig sein wird, die Gesellschaft bei diesen Themen zusammenzuführen. Stattdessen positioniert er sich klar und sagt rechten Verschwörungstheoretikern den Kampf an.
Gesellschaft des Respekts
Ansonsten betont Scholz, er wolle eine »Gesellschaft des Respekts«. Diese könne erreicht werden, wenn es etwa mehr Anerkennung für Arbeiterberufe und Pflegende gebe. Außerdem verspricht Scholz, unter anderem gegen niedrige Löhne, explodierende Mieten und harte Arbeitsbedingungen ohne Tarifverträge vorgehen zu wollen. »Diese Missstände sind Gift für den Zusammenhalt in unserem Land«, erklärt er.
Wenn Scholz tatsächlich nach der Bundestagswahl am 26. September neuer Kanzler werden sollte, sind aber keine großen Schritte von ihm zu erwarten. Scholz lobt unter anderem das Lieferkettengesetz der Bundesregierung. Dabei fehlt nach Angaben der Linksfraktion eine zivilrechtliche Haftung. Hinzu kommt, dass für Plantagen oder Minen, wo die meisten Menschenrechtsverletzungen passieren, keine vollumfänglichen Sorgfaltspflichten gelten, hatte die Linke-Politikerin Eva-Maria Schreiber im Juni kritisiert.
In der nach seiner Rede folgenden Diskussionsrunde muss sich Scholz einigen Fragen stellen. DIW-Chef Marcel Fratzscher weist darauf hin, dass das derzeitige Rentensystem Menschen benachteilige, die hart arbeiten und wenig verdienen. Denn sie bekommen eine niedrigere Rente und sterben früher. Deswegen will Fratzscher mit Scholz über Lebensarbeitszeit und Renteneintrittsalter diskutieren. Doch der SPD-Mann flüchtet sich in lobende Worte über die von der Koalition beschlossene Grundrente, die immerhin vielen langjährig Versicherten hilft.
Am Ende gibt sich Scholz selbstironisch. Wie er vier Jahre Kanzlerschaft bilanzieren würde? »Ganz ordentlich gelaufen. Das ist in Hamburg, wo ich herkomme, das Maximum.« Scholz grinst. Menschen im Publikum und auf der Bühne lachen. Vielleicht ist es auch seine trockene Art, die Scholz in den Umfragen Pluspunkte einbringt und ihn zum derzeit beliebtesten Kandidaten macht. Sie erinnert zuweilen an den Stil von Amtsinhaberin Angela Merkel. Das DIW hat auch die Konkurrenten des SPD-Politikers eingeladen. Annalena Baerbock von den Grünen ist am 20. August zu Gast, CDU-Chef Armin Laschet am 24. August.
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